Fliegende Fische sausen nicht durch die Luft, weil sie so schneller oder effizienter vorankommen, sondern um Meeresräubern wie Delfinen oder Haien zu entgehen. Die heutigen fliegenden Fische sind keine besonders alte Tiergruppe; sie entstanden vermutlich kurz nach dem Ende der Kreidezeit. Aber auch in der ferneren Erdvergangenheit gab es Meeresräuber, die Fische gejagt haben, und Fische, die ihnen davongeflogen sind.
Diese fliegenden Ur-Fische (Thoracopteridae) gehören allerdings einer anderen evolutionären Gruppe an und sind mit heutigen fliegenden Fischen nicht besonders eng verwandt, sehen ihnen aber durchaus ähnlich. Hier ein Bild des Thoracopterus, der der Gruppe seinen Namen gab:
Von Ghedoghedo – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Man erkennt die großen Brustflossen (Thoracopterus heißt übrsetzt “Brustflügel”) und vor allem auch die asymmetrische Schwanzflosse, die ganz typisch für fliegende Fische ist, weil sie sich mit der großen Unterseite noch weiter durchs Wasser vorwärtstreiben können, wenn der Rest des Körpers schon in der Luft ist.
Ein neuer Fund zeigt jetzt, dass sich diese fliegenden Ur-Fische schon früher entwickelt haben als bisher gedacht. Das neue Fossil trägt den Namen Potanichthys xingyiensis (geflügelter Fisch aus Xingyi, der Stadt, in deren Nähe er gefunden wurde). So sieht er aus:
Aus Xu et al., s.u.
Etwas klarer ist (wie so oft) die erklärende Skizze:
Aus Xu et al., s.u.
Deutlich zu erkennen ist die große Brustflosse und der asymmetrische Schwanz.Den erkennt man noch besser am zweiten gefundenen Fossil, dem Paratyp. (Generell wird bei Benennung einer neuen Art ein Exemplar als sozusagen definierender Typ festgelegt, der “Holotyp”. Ist man sich sicher, dass ein zweites Fossil zur gleichen Art gehört und hat dieses zweites Fossil Merkmale, die man am ersten nicht erkennt, dann erklärt man es zum “Paratyp”. Einen Holotyp gibt es von jeder Art nur einmal, Paratypen darf es auch mehrere geben). Hier also der Paratyp:
Aus Xu et al., s.u.
Der asymmetrische Schwanz ist dabei besonders wichtig, um sicher zu sein, dass es sich wirklich um einen fliegenden Fisch handelt, denn große Brustflossen allein kennt man ja auch von anderen Fischen wie diesem Rotfeuerfisch (Bild von Jens Petersen):
Von Jens Petersen – Eigenes Werk, CC BY 2.5, Link
oder dem Schmetterlingsfisch (Bild von Isidro Martínez )
Von Isidro Martínez – originally posted to Flickr as Pantodon buchholzi, CC BY-SA 2.0, Link
Diese Fische haben aber keine asymmetrische Schwanzflosse und können sich deswegen nicht mit sehr großem Schwung aus dem Wasser katapultieren – Schmetterlingsfische können zwar Gleitsprünge machen, bei denen ihre Brustflossen ihnen helfen, sind aber keine echten Gleitflieger. Untersuchungen an heute lebenden Fischen zeigen, dass alle, die wirkliche Gleitflieger sind, eine deutlich asymmetrische Schwanzflosse haben. Deswegen geht man davon aus, dass dies auch für fossile Fische gilt – ein Fisch ohne asymmetrische Schwanzflosse war also vermutlich kein echter “fliegender Fisch” sondern allenfalls ein “weit springender Fisch”.
Die Thoracopteridae mit ihrer nach unten vergrößerten Schwanzflosse glitten also vermutlich in der Triaszeit genau so übers Wasser wie es die heutigen fliegenden Fische tun. Dabei flohen sie vermutlich vor Haien oder vor Meeres-Reptilien wie den Fischsauriern (Ichthyosaurier, hier ein Mixosaurus von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com))
oder den Nothosauriern (Nothosaurus ist eins meiner absoluten Lieblings-Urzeittiere, vermutlich, weil er der Held in einer Geschichte im Buch “Versteinerte Welt” von J. Augusta ist – außerdem sehen sie einfach cool aus):
By Elke Wetzig, CC BY-SA 3.0, Link
Bisher kannte man die Thoracopteridae nur aus der mittleren bis oberen Trias, der Zeit vor etwa 220-210 Millionen Jahren. Potanichthys zeigt, dass sie sich schon deutlich früher entwickelt haben, nämlich vor knapp 240 Millionen Jahren. Das ist besonders deshalb interessant, weil es vor 250 Millionen Jahren, am Ende des Perm, das größte Massensterben der Erdgeschichte gab, das auch die Fische stark in Mitleidenschaft zog. Man hatte bisher – in Analogie zu den Verhältnissen an Land – angenommen, dass auch im Wasser die Artenvielfalt eine Weile brauchte, um wieder das vorige Niveau zu erreichen. Die Entwicklung fliegender Fische nur 10 Millionen Jahre nach dem Massensterben ist aber ein Indiz (und nicht das einzige) dafür, dass die Evolution sehr schnell verlief und sich in kurzer Zeit viele neue Arten entwickelten.
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