Als besondere Sprechweise hat sich hier (auch im Englischen) der Wortzusatz “eigen-” eingebürgert: Die Zustände |hier> und |da> sind “Eigenzustände” des Ortes (“eigenstates” im Englischen), die Zustände |Grundzustand> und |ungünstiger Zustand> sind Eigenzustände der Energie.
In unserem Beispiel hier kann das Elektron nicht gleichzeitig in einem Eigenzustand des Ortes und der Energie sein. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen QM und klassischer Physik: In der klassischen Physik hat ein Teilchen immer einen eindeutigen Ort und eine eindeutige Energie, in der Qm ist das nicht notwendigerweise der Fall.
Aus all diesen Überlegungen könnt ihr noch etwas anderes sehen: Diese ganze Kombiniererei von Zuständen funktioniert nur deswegen so, weil wir im Zweifel auch einen Zustand mit einem negativen Koeffizienten versehen dürfen, beispielsweise, als wir “da” über die beiden Energiezustände ausgedrückt haben. In den Kommentaren zum ersten Teil haben einige von euch ja gefragt, warum die Vorfaktoren an den Zuständen nicht selbst Wahrscheinlichkeiten sind, sondern warum man sie erst quadrieren muss. Hier seht ihr, dass das ganze mit Wahrscheinlichkeiten statt Wahrscheinlichkeitsamplituden so nicht klappen würde, denn Wahrscheinlichkeiten können nicht negativ sein. (Gut, es gibt einen Artikel von Feynman, in dem er sich mit negativen Wahrscheinlichkeiten beschäftigt hat in der Hoffnung, damit ein paar Probleme in der Quantentheorie elegant lösen zu können – es hat aber am Ende nicht geklappt.)
Die Besonderheit der Energieeigenzustände
Auch wenn es eigentlich nicht zentral ist, um Dinge wie Verschränkung zu verstehen, will ich doch noch kurz eine besondere Eigenschaft der Energieeigenzustände erläutern: Sie sind zeitlich stabil. Wenn ihr das Elektron in den |Grundzustand> versetzt, dann bleibt es dort für alle zeit. Auch ein Elektron im |Ungünstigen Zustand> würde – ohne jede äußere Störung – dort für immer bleiben. Real gibt es aber immer Störeinflüsse aus der Außenwelt, die dazu führen würden, dass das Elektron in den energetisch günstigeren Zustand fällt und seine Energie abgibt, deswegen sind höherenergetische Zustände normalerweise nicht stabil.
Mit Zuständen wie |hier> und |da> ist das anders. Versetzt ein Teilchen in den Zustand |hier>, dann wird sich der Zustand mit der Zeit ändern – es wird in einem Mischzustand aus |hier> und |da> geraten, dann irgendwann ist es |da> und dann geht es über einen Mischzustand wieder zurück nach |hier>. Schreibt man den Zustand als
dann ändern sich die Werte von a und b also mit der Zeit. Den genauen zeitlichen Verlauf kann man berechnen – dazu dient die berühmte Schrödingergleichung. Das Hin- und Herschwappen der Wellenfunktion zwischen unterschiedliche Zuständen habe ich übrigens auch in meiner Schrödingergleichungs-Serie mal erklärt, sogar mit ein paar netten Animationen (Ja, klickt den Werbelink (ka-cheng)!!!)
Achtung: Ihr dürft nicht annehmen, dass der Mischzustand aus |hier> und |da> zwischendurch gerade einer der Energie-Eigenzustände ist – das ist er nicht. bei dem Mischzustand, der durch die Zeitentwicklung aus dem |da>-Zustand entsteht, sind die Koeffizienten komplexe Zahlen. Diese Extra-Komplikation ist aber für den Hauptteil nicht so wichtig, deswegen verbanne ich sie hinter dies Warnschild.
Wie lange ein solcher Schwapp-Vorgang dauert, hängt vom Energieunterschied zwischen dem Grundzustand und dem ungünstigen Zustand ab: Je kleiner dieser Energieunterschied ist, desto länger dauert das Schwappen. (Und der Energieunterschied hängt wiederum daran, wie stark sich die beiden Wellenfunktionen “hier” und “da” oben im Bild überlappen – in der Fachsprache nennt man das auch ganz anschaulich das “Überlapp-Integral”.) Habe ich also zwei Protonen, die weit entfernt sind, und ein Elektron beim Proton “hier”, dann wird es sehr lange dauern, bis es sich beim Proton “da” befindet, so dass es für mich so aussieht, als wäre das Elektron einfach “hier”. Das entspricht auch unserer Alltagserfahrung: Die Eigenschaften von Atomen ändern sich nicht plötzlich, nur weil irgendwo im Universum ein einsames Proton rumschwebt – wenn ständig Elektronen aus unserem Körper zu weit entfernten Protonen rüberschwappen würden, wäre das vermutlich auch nicht so super-gesund.
Kommentare (53)