Der Quanten-Zeno-Effekt
Stellt euch vor, ihr habt ein System in einem Zustand, der sich mit der Zeit ändert (der also, in der Fachsprache, die wir jetzt kennen, kein Energie-Eigenzustand ist, sondern eine Überlagerung aus unterschiedlichen Energie-Eigenzuständen). Ein Beispiel wäre der “hier”-Zustand unseres Elektrons zwischen den beiden Protonen, der sich ja – sich selbst überlassen – langsam zeitlich ändert und zum “da”-Zustand wird.
Nehmt an, ihr hättet das Elektron gerade jetzt im Zustand “hier” gemessen. Einen Moment später hat sich der Zustand dann geändert, er ist jetzt eine Überlagerung von “hier” und “da”:
Kurz nach der ersten Messung wird der Wert von a nahezu gleich 1 sein und der Wert von b noch sehr klein. Wenn ihr also eine weitere Ortsmessung macht, dann werdet ihr das Teilchen ziemlich sicher wieder “hier” finden. Und wenn ihr dann noch eine Ortsmessung macht, gilt wieder das gleiche. Macht ihr also ganz viele Ortsmessungen direkt hintereinander, dann könnt ihr das Teilchen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im “hier”-Zustand festnageln. Das Teilchen kann sich also nicht aus dem Zustand wegbewegen.
Das erinnert ein bisschen an das Zeno-Paradoxon: Zeno war ein griechischer Philosoph, der versucht hat zu beweisen, dass es keine Bewegung geben kann. Einer seiner Beweise beruhte darauf, dass man, um von A nach B zu kommen, ja erst mal die halbe Strecke von A nach B gehen muss, und davon erst mal wieder die halbe Strecke – also schlussendlich unendlich viele (wenn auch winzige) Strecken gehen muss, also kommt man nie von A nach B. (Mit den Mitteln der modernen Mathematik sieht man schnell, dass die unendlich vielen unendlich winzigen Strecken in der Summe ja nur endlich sind und in endlicher Zeit zurückgelegt werden können.)
Bei unserem Elektron ist es ähnlich: Um vom “hier”-Zustand zum “da”-Zustand zu kommen (bei dem also a=0 und b=1) ist, muss es erst mal zum Zwischenzustand kommen. Und vorher erst mal zu einem, wo b noch sehr klein ist. Weil wir das System durch das ständige Messen aber daran hindern, kann es den Zustand “hier” (fast) nie verlassen. (“Fast” deshalb, weil es natürlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt – auch wenn b² sehr klein ist, ist es ja nach einem kleinen Moment nicht Null.) Man spricht deswegen auch vom Quanten-Zeno-Effekt. Weil man am Quanten-Zeno-Effekt ziemlich gut sehen kann, wie quantenmechanische Messungen genau funktionieren (Fragen wie “Was genau ist eine Messung”, “wie lange muss eine Messung dauern” etc. sind immer noch nicht vollständig geklärt), hat man sich viel Mühe gegeben, ihn auch experimentell umzusetzen.
Wie ihr seht, habt ihr – wenn ihr bis hierher durchgehalten habt – schon genügend Wissen angesammelt, um tatsächlich einen echten in der Forschung heiß diskutierten Quanteneffekt verstehen zu können, und zwar nicht mit irgednwelchen dubiosen Analogien, sondern genau so, wie es auch PhysikerInnen tun. Gar nicht so schlecht, oder?
Tja, eigentlich wollte ich jetzt noch das wichtige Beispiel Polarisation erklären – aber wie üblich ist dieser Teil mal wieder vieeel länger geworden als gedacht. Die Polarisation vertage ich also aufs nächste Mal, dann ist es aber auch nicht mehr weit bis zur Verschränkung – versprochen.
Kommentare (53)