Um nachzuweisen, dass das nicht sein kann, müssen wir die Polfilter drehen. Nehmen wir an, unsere einfache – sozusagen “klassische” – Erklärung wäre richtig. Was würde passieren, wenn wir an den beiden Messpunkten am Ende die Polfilter drehen, wie üblich um 45°?
(Denkpause…)
Wenn das Photon, das nach links fliegt, senkrecht polarisiert ist, hat es eine 50%-Wahrscheinlichkeit, den Polfilter zu passieren. Ebenso auch, wenn es waagerecht polarisiert ist. Dasselbe gilt für das zweite Photon. Die Ergebnisse der beiden Photonen sind aber vollkommen unabhängig voneinander – wir würden also erwarten, dass wir vier mögliche Ergebnisse bekommen: . (Ich habe das jetzt, weil es Messergebnisse sind, nicht als Zustände geschrieben, ich hoffe, das ist nicht verwirrend.) Jedes dieser Ergebnisse sollte die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, also 1/4 oder 25%. Das ist die Vorhersage der klassischen Physik.
Und was sagt die Quantenmechanik? Nach all der Rechnerei könnt ihr das – mit etwas Mühe – selbst rausfinden. (Wenn euch das zu viel Mühe ist, dürft ihr mir das Endergebnis aber auch glauben – ich hofe, ich habe mich nicht verrechnet.) Nehmt den quantenmechanischen verschränkten Zustand, den ich oben hingeschrieben habe:
Und jetzt zerlegt ihr den Zustand jedes Photons entsprechend den Rechenregeln für die Polarisation, die wir oben hingeschrieben haben:
Setzt das jeweils für jeden der Zustände oben ein (dabei muss man ein bisschen aufpassen, welcher Zustand zu welchem Photon gehört). Jeder der beiden Summanden ergibt vier Terme. Im ersten Summanden sind alle vier Terme positiv, im zweiten sind zwei der vier negativ:
Puh. Wenn ihr das jetzt ausmultipliziert, dann seht ihr, dass sich die gemischten Terme genau wegheben. Übrig bleibt
Was passiert, wenn ich jetzt das erste Photon messe und es den Polfilter passiert? Den unpassenden Term des Zustands streiche ich weg – es bleibt also übrig, dass auch das zweite Photon im selben Polarisationszustand ist wie das erste. Es ist also egal, ob ich die Polfilter senkrecht/waagerecht oder unter -45°/+45° aufstelle – die beiden Photonen sind immer gleich polarisiert.
Und genau das lässt sich mit dem klassischen Modell nicht erreichen.
Hier noch mal das Argument in Kurzform (im wesentlichen geklaut bei mir selbst):
1. Passiert das eine Photon den senkrechten Polfilter, dann auch das andere. Beide Photonen sind also gleich polarisiert.
2. Wenn wir annehmen, dass der Zustand des Photons eindeutig ist und das eine Photon das andere nicht beeinflussen kann, dann müssen die Photonen also in einem eindeutigen Zustand losfliegen – entweder beide senkrecht oder beide waagerecht polarisiert..
3. Trifft ein senkrecht polarisiertes Photon auf einen Polfilter unter 45°, dann wird es mit 50% Wahrscheinlichkeit durchgelassen, mit 50% Wahrscheinlichkeit absorbiert. Welcher Fall eintritt, ist zufällig.
4. Passiert das eine Photon den Polfilter unter 45°, dann auch das andere.
5. Genau wie bei 2. können wir folgern, dass die Photonen entweder unter +45° oder unter -45° polarisiert erzeugt werden.
Und dabei ist 5. ein Widerspruch zu 2, denn ein Photon kann nur einen eindeutigen Polarisationszustand haben.
Um die Verschränkung nachzuweisen, müssen wir also die Polfilter an den beiden Messstellen jeweils in vier unterschiedlichen Polarisationsstellungen einstellen. Alice und Bob können einen vierseitigen Würfel (1W4 für Rollenspieler) werfen und entscheiden, welche Stellung der Polfilter haben soll. Um ganz sicher zu gehen, dass die Stellung der Polfilter die Polarisation nicht beeinflussen kann, können die beiden das auch erst entscheiden, kurz bevor die Photonen bei ihnen eintreffen, so dass kein Signal (mit Lichtgeschwindigkeit) den anderen Polfilter erreichen kann. (Ja, das hat man experimentell tatsächlich so gemacht.)
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