Dem stimme ich natürlich vollkommen zu – und die Debatte zwischen Jürgen und mir nahm ja genau damit ihren Anfang, dass ich einen Text zur Frage geschrieben habe, ob das generische Maskulinum zu einer sexistischen Sprache führt. Dort habe ich etwas sehr ähnliches (wenn auch etwas drastischer) gesagt: “Personenbezeichnungen mit maskulinem Geschlecht erzeugen in unseren Köpfen anscheinend sofort das Bild eines Mannes – der “Default-Wert” für einen Menschen ist ein Mann.” Einen Überblick über verschiedene Forschungsergebnisse, die belegen, dass Frauen seltener mitgedacht werden, wenn man das generische Maskulinum verwendet (meine etwas überspitzte Formulierung, die nahelegt, dass der Default-Mensch immer ein Mann ist, ist aber wohl so nicht haltbar), findet man auch in diesem Artikel.
In der Broschüre wird dann erläutert, dass es zwei Möglichkeiten gibt, mit dem Problem umzugehen: Feminisierung (das explizite Mitnennen von weiblichen Formen) und Neutralisierung (die Unsichtbarmachung des Geschlechts, beispielsweise mit Worten wie “das Ratsmitglied”). Es wird darauf hingewiesen, dass die zweite Form “nicht immer vor männlichen Assoziationen schützt”. Ein Text soll dann so formuliert werden, dass zumindest am Anfang die weibliche Form explizit genannt wird, danach dürfen dann “Neutralformen als Entlastungsstrategien eingesetzt werden.”
Der Text ist voll von Formulierungshilfen (und wesentlich besser als der, den ich hatte, als ich neulich das Vergnügen hatte, eine lange Betriebsanweisung zu schreiben, bei der ich gern geschlechtergerecht schreiben wollte und das auch weitgehend hinbekommen habe). Er zeigt sicher, dass – mit etwas Mühe und Geschick – geschlechtergerechte Formulierungen möglich sind. Dass dazu Mühe erforderlich ist, erlebt man auch des öfteren auf Gremiensitzungen an der Uni – dort werden erst Texte im generischen Maskulinum geschrieben, danach heißt es “wir müssen den Text noch gendern”. Man kann natürlich hoffen, dass sich eines Tages die geschlechtergerechte Denkweise soweit durchsetzt, dass allen die richtigen Formulierungen gleich in die Tastatur fließen (so wie ein ungeübter Schreiber so wie jemand, der ungeübt im Schreiben ist, vielleicht auch nachträglich alle Tempusfehler korrigieren muss; das allein wäre auch kein Grund, die Zeitformen abzuschaffen).
Ich habe ja in den letzten Tagen wiederholt erklärt, dass solche geschlechtergerechten Formulierungen zwar möglich sind, dass sie die Möglichkeiten, sich auszudrücken, aber einschränken. Was ist zum Beispiel, wenn ich über eine konkrete Person reden will, deren Geschlecht für das, was ich sage, irrelevant ist? Wenn ich zum Beispiel – wie gern in der Vorlesung – sage “Da gehen Sie zur freundlichen Mathematikerin um die Ecke, die kann ihnen das beweisen.” Oder sollte ich doch “zum freundlichen Mathematiker” sagen? Oder, wie eben, “jemand, der Mathematik treibt”? Jürgen sagte dazu (in einem Kommentar)
Oder diese mathematischen Nachbarn sind reine Kunstfiguren, die Du lediglich als Stilmittel erfunden hast – dann kannst, nein musst Du Dich halt entscheiden, ob Mann oder Frau.
Und da genau ist mein Problem. Ich muss mich nicht entscheiden, ob diese mathematikbetreibende Person schwarz ist oder weiß oder alt oder jung, ob Professor oder Doktorand, vollkommen egal, all das kann ich der Fantasie meiner Studis überlassen. Nur beim Geschlecht ist es anders, das muss ich laut Jürgen spezifizieren. Mir wäre eine neutrale Formulierungsmöglichkeit (die weniger geschwollen ist als “mathematiktreibende Person”) lieber. (Gestern in der Vorlesung habe ich es mit “Da gehen Sie rüber ins Mechanik-Institut, klopfen an eine Tür und fragen die Person die da sitzt..” versucht. Geht auch, ist aber nicht wirklich schön. ) Und noch viel lieber wäre es mir, wenn die Sprache mich nicht zwingen würde, darüber auch nur nachzudenken – so wie ich über das Alter und die Hautfarbe der Person, die dort sitzt, nicht nachdenken muss, wenn ich nicht will.
Jürgen sagt zu solchen neutralen Formulierungen (wie “der Admiral” auch als Bezeichnung für eine Frau):
Aber das ist nicht der Kernpunkt: das Problem bei dieser Form der “Gleichberechtigung” ist, dass es die Frauen unsichtbar machen soll. Wirklich, ist das so? Ja. Es ist eine Form des “Don’t ask, don’t tell”.
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