Also: Don’t ask – don’t tell verbietet es, die eigene homosexuelle Orientierung anzugeben. Was Jürgen und ich wohl beide für richtig halten ist, dass es jedem freigestellt ist, ob er sich “outen” will oder nicht. Was unsere Sprache aber in Sachen Geschlecht tut, ist etwas anderes: Sie zwingt uns dazu, uns zu “outen” oder – wenn wir das nicht wollen – spezielle Konstrukte zu verwenden. Die sprachliche Analogie zur Abschaffung von DADT wäre also, dass wir jetzt jedem Soldaten auf sein Namensschild ein Zeichen malen, das zeigt, ob er oder sie hetero- oder homosexuell ist. (Und wie bei der Sprache würde man weitere Abstufungen nicht zulassen, Pronomina für Transsexuelle haben wir ja nicht.)
In einem Kommentar schreibt Jürgen auch
Die Behauptung, dass nur das Geschlecht, aber nicht die ethnische Identität in der SPrache codiert wird, ist nicht nur unbewiesen, sondern nachweislich falsch. Ich gebe nur ein Beispiel: Namen. Es war ein Ausdruck von Stolz afrikanisch-amerikanischer Eltern, diese Identität auch in Namen auszudrücken
Das ist natürlich richtig. Aber Namen werden so gegeben, wie die Eltern es für richtig halten – und wer mit seinem Namen gar nicht zufrieden ist, der kann ihn auch ändern. Hier ist es nicht die Grammatik der Sprache, die die Zuordnung macht, sondern die Namensgebung der Eltern. Das macht natürlich einen Unterschied. Und natürlich ist auch eine Geschlechtszuordnung über den Namen unproblematisch , weil sie sich immer auf ein konkretes Individuum bezieht. (Wie gesagt, niemandes Geschlecht soll hier “unsichtbar” gemacht werden, es soll nur nicht sichtbarer sein als andere Merkmale, weil es nicht unbedingt wichtiger ist als andere.) Und auch hier ist es so, dass eine Person, die mit der Geschlechtszuordnung ihres Namens nicht einverstanden ist, diesen zur Not auch ändern kann (so wie es ja viele im Internet tun, dazu gleich noch mehr).
Jürgen schreibt weiter
Der Wunsch Martins, dass er doch bitteschön nicht darüber nachdenken mag, ob Admiral N. nun eine Frau oder ein Mann ist, ist einer, der ausschließlich durch seinen Sprachkomfort verursacht wird
Nein – es geht nicht um meine persönliche Variante von “I don’t see color”. Es geht um den Komfort der Betroffenen. Wer häufig bei den Freethoughtblogs liest (gerade zu Themen wie Feminismus), weiß, dass es dort viele KommentatorInnen gibt, die wert darauf legen, dass ihr Geschlecht nicht offenbar ist. Wie bezieht man sich auf diese Personen? Oft wird – evtl. fehlerhaft – angenommen, dass es ein Mann ist (meist weist dann jemand auf die falsche Annahme hin). Ansonsten sagt man “he or she” (siehe oben) es wird eine Konstruktion wie “xe- xir” verwendet. Wenn jemand sein Geschlecht offenbart, dann kann man ja auch “he” oder “she” sagen – warum nicht? Aber wenn jemand es nicht tut, dann wäre es schön, wir müssten hier keine Sonderkonstruktionen verwenden und umständlich “he or she” sagen, so als wäre die Unkenntnis des Geschlechts fürchterlich wichtig. (Eine Geschichte über jemanden im Netz, der sein Geschlecht schließlich offenbart, findet ihr auch hier.) Warum muss ich meinen Studis meine Idee zum Geschlecht mathematischer Nachbarn oktroyieren, wenn ich das mit anderen Eigenschaften auch nicht tun muss. Weil wir sexuelle Wesen sind? Spielt das wirklich eine Rolle, wenn ich die quadratische Konvergenz des Newton-Verfahrens bewiesen haben möchte?
Ein anderer Aspekt des Zitats von Jürgen oben stört mich aber weit mehr:
Nichts anderes als die Forderung an die anders Seienden, ihr Anderssein doch bitteschön für sich zu behalten, uns also nicht zu zwingen, uns damit auseinander zu setzen.
Wer ist hier so anders, dass sein Anderssein thematisiert werden muss? Frauen? Solange wir (siehe die 99 Sängerinnen) ein generisches Maskulinum verwenden, implizieren wir, dass Frauen anders sind. Und das ist wieder die Annahme des männlichen Default-Menschen, die letztlich dahinter steckt. “Andere”, wie Schwule, Transsexuelle, sollen das Recht haben, ihr “Anderssein” nicht zu verstecken, und aus dieser Logik folgt, dass auch Frauen sich sprachlich nicht “verstecken” sollen? Angesichts von etwa 50% Frauen auf der Welt halte ich das für eine zumindest unglückliche Formulierung. (Übrigens auch bezogen auf Homosexuelle etc. – dahinter steckt immer die Annahme, es gäbe einen “Normalzustand”, und wir sind so “tolerant”, jedem ein Abweichen zu erlauben und es sogar kund zu tun.) Unsere Sprache funktioniert eben so, das “wir müssen den Text erst gendern” eben bedeutet “wir müssen Frauen sichtbar machen”. Und das liegt daran, dass unsere Sprache keine einfache geschlechtsneutrale Bezeichnung für “Jemanden der singt” zur Verfügung stellt, sondern nur Hilfskonstruktionen erlaubt. Das Nicht-Verwenden des generischen Maskulinums hilft zwar, Frauen sichtbar zu machen (und ist deswegen auch lobenswert), aber es löst das Problem nicht wirklich – denn Frauen sind nicht “anders” und sollten sprachlich keiner speziellen “Sichtbarmachung” bedürfen.
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