Dass ein Schließen des Unterkiefers den Säbelzähnen nicht so viel weiterhilft, sieht man auch, wenn man das Computermodell nimmt und die Spannungen berechnet, die innerhalb des Schädels bei so einem Biss auftreten würden:
Aus Chamoli et al., s.u.
Oben seht ihr den Smilodon, in der Mitte den Thylacosmilus und unten zum Vergleich einen heutigen Leoparden. Ihr könnt deutlich erkennen, dass die Spannung am Kiefergelenk bei den Säbelzähnen sehr groß ist (größer als 25 Megapascal – das ist für Knochen noch nicht sehr viel (die werden bei Spitzenlast bis zu etwa 60-80MPa belastet und versagen je nach Belastungsart bei 150-220MPa), aber schon durchaus beachtlich). Besser ist es also, wenn so ein Säbelzahn seine Zähne anders in die Beute schlägt.
Dafür sprechen auch die Muskeln der Tiere (oben links wieder der Leopard, bei den ausgestorbenen Viechern muss man na klar die Muskeln rekonstruieren, das geht aber einigermaßen gut):
Aus Chamoli et al., s.u.
Ihr seht, dass die rosafarbenen Kiefermuskeln gerade beim Thylacosmilus wirklich ziemlich mau ausgeprägt sind – berechnet man die Bisskraft für die beiden Säbelzähne, so kommt man auf schlappe 519 Newton für den Smilodon und lachhafte 38 Newton für Thylacosmilus (der ist allerdings auch kleiner als ein Smilodon und wiegt nur etwa 80kg) – nur zum Vergleich, beim Löwen ist die Bisskraft bei knapp 3000 Newton. (Alles natürlich lächerlich im Vergleich zu Dinosauriern oder Riesenkrokodilen…)
Ihr seht an dem Muskelbild aber auch, dass die Halsmuskeln ziemlich kräftig sind – und das legt nahe, dass die Zähne durch Bewegen des Kopfes vom Hals aus bewegt wurden – dabei konnte der Kopf dann auch so gedreht werden, dass die Zähne sich sauber entlang ihres Bogens bewegen; das Problem, das wir oben mit dem eingezeichneten Kreis gesehen haben, wird so also gleich mitgelöst.
Hier zum Beleg die Knochenbelastung bei Halsmuskelantrieb der Zähne:
Aus Chamoli et al., s.u.
Wie ihr sehen könnt, sind die Lasten auf dem Knochen jetzt vergleichsweise klein.
Es passt also alles zur Theorie, dass die Zähne mit Hilfe der Halsmuskeln in die Beute geschlagen wurden. Der Unterkiefer hatte dabei vermutlich eher eine stabilisierende Wirkung. Da die Zähne im Querschnitt recht schmal sind, würden sie bei einer ungünstigen Belastung möglicherweise brechen – das macht es unwahrscheinlich, dass so ein Säbelzahn seine Zähne einfach so in die Beute gerammt hat. Vermutlich wurde die Beute also erst einmal festgehalten und erst dann mit einem gezielten Biss getötet. Dafür spricht auch, dass tendenziell bei allen Säbelzähnen die Vorderbeine um so kräftiger sind, je länger die Säbelzähne sind.
Die Bilder zeigen aber noch etwas anderes: Die Kiefermuskeln des Thylacosmilus waren noch schwächer als die des Smilodon, seine Bisskraft war – auch wenn man die Körpergröße entsprechend einrechnet – extrem gering und sein Maul konnte sich, wie wir gesehen haben, noch weiter öffnen. Seine Zähne waren im Querschnitt noch etwas schmaler und ließen sich also leichter einschlagen – wenn auch auf Kosten der Stabilität, die Beute musste dazu also wirklich gut festgehalten werden. Insgesamt ist der Thylacosmilus also ein noch extremerer Säbezahn als der “klassische” Säbelzahntiger – tatsächlich quasi der “Säbelzahntiger 2.0”.
Wroe S, Chamoli U, Parr WCH, Clausen P, Ridgely R, et al. (2013) Comparative Biomechanical Modeling of Metatherian and Placental Saber-Tooths: A
Different Kind of Bite for an Extreme Pouched Predator. PLoS ONE 8(6): e66888. doi:10.1371/journal.pone.0066888
Das paper ist übrigens open access – falls ihr selbst reinschauen wollt, steht dem also nichts im Wege.
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