Virtuelle Teilchen, die sehr stark “off-shell” sind, sind allerdings vergleichsweise unwahrscheinlich. Je größer die Strecke ist, die so ein Teilchen zurücklegen soll, desto unwahrscheinlicher wird der Prozess. (Wer eifrig meine QFT-Serie gelesen hat, erkennt jetzt einen guten alten Bekannten wieder: den Propagator.) Prozesse, bei denen die virtuellen Teilchen große Energien mit sich herumtragen, können deshalb nur auf sehr kleinem Raum stattfinden und die virtuellen Teilchen können entsprechend nur eine kurze Zeit existieren. Das ist vermutlich auch der Grund, warum man dieses Phänomen leicht mit der Unschärferelation verwechselt, nach der die Energieunschärfe und die Zeitunschärfe ja zusammenhängen. (Gerade die Energie-Zeit-Unschärfe ist aber eine ziemlich knifflige Unschärferelation – und bevor jemand fragt: Ja ich setze es mal auf die Themenliste…)
Also: Virtuelle Teilchen verletzen nicht die Energieerhaltung, sondern liegen nicht auf der Massenschale (sie verletzen die für diese Teilchensorte gültige Energie-Impuls-Beziehung).
Feynmandiagramme und das Vakuum
Eigentlich beschäftige ich mich im Moment ja vor allem mit Nichts – oder genauer gesagt, dem Vakuumzustand. Für die Überlegungen zum Vakuum ist die Überlegung hier deswegen wichtig, weil ja oft argumentiert wird, im Vakuum würden sich ständig virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare bilden. Ein zugehöriges Feynmandiagramm dazu könnte so aussehen:
Hier entstehen aus dem Nichts ein Elektron, ein Positron und ein Photon und vernichten sich am Ende wieder. Alle drei fliegen von ihrem Entstehungsort zu ihrem Vernichtungspunkt – dass man die drei Linien nicht übereinander zeichnet sondern zwei von ihnen krümmt, hat überhaupt keine Bedeutung. Und wie auch sonst muss man hier alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, wie der Prozess passieren kann. Es ist also nicht richtig, sich vorzustellen, dass an einem bestimmten Punkt im Raum zu einer bestimmten Zeit gerade für einen Moment ein Elektron sitzt, wie es oft in anschaulichen Erklärungen gemacht wird. Denn genauso trägt zum Endergebnis der Prozess bei, wo genau an dieser Stelle ein Positron sitzt – oder auch gar kein Teilchen. Wenn man das Vakuum mit Hilfe von Feynmandiagrammen beschreiben will, dann muss man alle Möglichkeiten überlagern.
Zu sagen, dass sich im Vakuum ständig Teilchen und Antiteilchen bilden ist also auch in dieser Hinsicht etwas irreführend. (Hinzu kommt, dass die Überlagerung, von der wir hier sprechen, eine quantenmechanische Überlagerung ist – es werden nicht einfach Wahrscheinlichkeiten addiert, sondern Wahrscheinlichkeitsamplituden. Das habe ich auch im oben verlinkten Artikel über Feynmandiagramme, aber auch hier erklärt.)
Da bei Feynmandiagrammen die Energie immer erhalten ist und in unserem Diagramm Teilchen aus dem Nichts entstehen, muss eins der Teilchen im Diagramm – rein rechnerisch – eine negative Energie tragen. Das ist nicht problematisch, weil es sich ja nur um ein “virtuelles” Teilchen handelt, aber es zeigt noch einmal, dass sich hier eben keine Energie aus dem Vakuum “geborgt” wird – diese Vorstellung ist einfach falsch.
Mehr zum Vakuum gibt es dann demnächst – da kommen dann auch wieder Feynmangraphen vor, deswegen lohnte es sich, hier ein paar Missverständnisse auszuräumen.
Feynmangraphen sind also wirklich eine tolle und praktische Sache – aber ganz so einfach, wie man oft denkt, sind sie nicht zu interpretieren.
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