Das Vakuum ist schon eine ziemlich komplizierte Sache. Dass es nicht einfach “Nichts” ist, dazu habe ich inzwischen ja einiges geschrieben. Heute schaue ich auf einen anderen Aspekt des Vakuums, die viel zitierte Vakuumpolarisation, die oft als Beleg dafür angeführt wird, dass sich im Vakuum ständig Teilchen und Antiteilchen bilden. Aber wieder einmal ist die Sache komplizierter, als man denkt…
Die Geschichte der Vakuumpolarisation
Die Idee, dass das Vakuum eine “Struktur” hat, ist natürlich insofern alt, als man ja früher an den Äther geglaubt, hat, das Medium, in dem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten. (Weil man sich nicht vorstellen konnte, dass es Felder geben kann, die nicht an Materie geknüpft sind.) Doch Anfang des 20. Jahrhunderts hat Einstein ja mit dieser Vorstellung aufgeräumt und das Vakuum konnte wieder einfach Nichts sein.
Jedenfalls bis 1928. Da hat der berühmte Physiker Dirac seine ebenso berühmte Dirac-Gleichung aufgestellt, die das Verhalten von Elektronen beschreibt. Die Gleichung sagte viele Dinge richtig vorher (beispielsweise den Spin der Elektronen, also die Tatsache, dass sie sich ein bisschen wie kleine Kreisel benehmen). Es gab aber auch einen beunruhigenden Aspekt: Laut der Diracgleichung müsste ein Elektron Zustände mit negativer Energie annehmen können. Da wir aber nicht beobachten, dass Elektronen immer mehr und mehr Energie verlieren und ihre Energie dabei gegen negativ unendlich geht, war da wohl etwas faul.
Dirac hatte genügend Selbstbewusstsein, um seine Gleichung nicht einfach wegzuwerfen (dazu fand er sie zu schön), sondern um sie zu retten. Dazu postulierte er, dass es die negativen Zustände zwar gibt (denn die Gleichung sagte sie ja vorher), dass sie aber schon alle von Elektronen besetzt seien. (Ein fundamentales Gesetz, das Pauli-Prinzip, sagt, dass niemals zwei Elektronen im gleichen Zustand sein können.) Das ist ähnlich wie im Uni-Hörsaal – ihr könnt euch nicht einfach auf den besten Platz setzen, wenn ihr reinkommt, sondern nur auf den besten noch freien Platz. Dirac postulierte ein Meer von Elektronen, die all die negativen Zustände besetzen – “Dirac sea” (zu deutsch leider mit “Dirac-See” statt “Dirac-Meer” übersetzt) genannt.
Er kam zusätzlich auf die Idee, dass man mit genügend Energie ein Elektron aus so einem negativen Energiezustand herausschlagen können sollte – was dann übrig bleibt ist ein “Loch”, ein fehlendes Elektron. Und das würde sich wie ein teilchen mit positiver Ladung verhalten – das Positron war entdeckt. (Ja, diese Geschichte habe ich schon mal erzählt, aber mir geht es um den Aspekt, der jetzt kommt.) Dieses Bild hier soll das veranschaulichen: Unten in blau die besetzten Zustände mit negativer Energie, von denen Elektronen in Zustände mit positiver Energie (gelb) gehoben werden und ein Loch zurücklassen.
By Incnis Mrsi – Own work, Public Domain, Link
Laut Dirac war das Vakuum also angefüllt mit lauter Elektronen in Zuständen mit negativer Energie – dass wir davon nichts merken, liegt eben daran, dass die überall sind und sozusagen zum Vakuum “dazugehören”.
Aber stimmt das auch? Oder würde man nicht doch etwas merken?
1934 veröffentlichte der Physiker Rudolf Peierls einen Artikel mit dem Titel “The vacuum in Dirac’s Theory of the Positive Electron” (Das Vakuum in Diracs Theorie des positiven Elektrons). Darin verfolgte er die Idee, die Dirac-See zu stören. Wenn man beispielsweise eine elektrische Ladung im Vakuum betrachtet, müsste deren Feld dann nicht die vielen Elektronen in ihren Zuständen beeinflussen? Die umgebenden Elektronen würden sich ein wenig umordnen (sie würden von einer positiven Ladung etwas angezogen, von einer negativen abgestoßen) und würden dadurch das elektrische Feld der Ladung ein wenig abschwächen.
Etwas ähnliches kennt man von normalen Materialien: Bringt man zum Beispiel einen Salzkristall in ein elektrisches Feld, dann verschieben sich die elektrisch geladenen Ionen innerhalb des Kristalls ein wenig und schwächen so das Feld im Inneren des Kristalls ab. Das kann man sich etwa so vorstellen (links unverschobene, rechts verschobene Ionen):
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