(Dieses wunderschöne Bild habe ich für mein demnächst erscheinendes Buch erstellt – was auch erklärt, warum ich im Moment wenig blogge…)
Dieses Phänomen bezeichnet man als “elektrische Polarisation” und Materialien, die so reagieren, nennt man “dielektrisch” (das liest man “di-elektrisch”, griechisch “dia” heißt “hindurch”, wen ich mich an meine Griechisch-Stunden richtig erinnere). Man kann Materialien also polarisieren und dabei wird das elektrische Feld in ihrem Innere schwächer.
Peierls erkannte, dass nach Diracs Theorie dasselbe auch mit dem vakuum möglich sein müsste. Wenn wir eine elektrische Ladung, beispielsweise die eines Elektrons, messen, dann messen wir gar nicht wirklich den richtigen Wert der Ladung, sondern wir messen einen Wert, der zu klein ist,weil die Ladung durch die verschobenen Elektronen etwas abgeschwächt wird. Das Vakuum kann also polarisiert werden – der Begriff der “Vakuumpolarisation” war geboren.
Hinweis: Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich Peierls war, der als erster diese Idee hatte. Sein paper ist jedenfalls das älteste, das ich bei google scholar zum Thema “vacuum polarisation” finden konnte — aber ich habe nicht wirklich sehr ernsthaft recherchiert.
Tja, und dann kam es wie so oft in der Physik: Die Idee der Dirac-See wurde Ende der 40er Jahre als unnötig erkannt, als man die Quantenfeldtheorie entwicelte und sah, dass die Lösungen mit negativer Energie ganz sauber als Anti-Teilchenlösungen mit positiver Energie aufgefasst werden können. In der modernen QFT braucht man keine Dirac-See mehr. Aber der Begriff “Vakuumpolarisation” blieb – er wird sogar heute noch verwendet. Nur seine Bedeutung hat sich leicht verschoben.
Die Vakuumpolarisation in der QFT
In der QFT wird die Vakuumpolarisation oft mit Hilfe der berühmten ständig aus dem Nichts entstehenden und wieder vergehenden Teilchen-Antiteilchen-Paaren erklärt. Die Idee dahinter ist die folgende: Nehmt an, dass es tatsächlich so wäre, dass im Vakuum ständig Elektronen und Positronen aus dem Nichts entstehen. Im Mittel werden wir davon – ähnlich wie bei der Dirac-See – nicht viel merken, weil an jedem Punkt immer gleich viele Elektronen und Positronen in diesen sogenannten “virtuellen” Paaren sind. Wenn wir jetzt aber eine elektrische Ladung in unser Vakuum bringen, dann können sie diese Teilchen-Antiteilchen-Schleifen passend zu dieser Ladung ausrichten, etwa so:
(Die Farben sollen hier die Ladung kennzeichnen – negativ ist blau, positiv ist rot. Habe ich aber nicht bei allen Bildern hier konsequent so gemacht…)
Und damit wird dann die Ladung – genau wie in unserem dielektrischen Kristall oben – ein wenig abgeschirmt. Dieses Phänomen könnte man mit Recht als Vakuumpolarisation bezeichnen.
Dass ein solches Phänomen tatsächlich existiert, dass sich also die messbare Größe einer elektrischen Ladung ändert, wenn man der Ladung näherkommt, daran besteht eigentlich kein Zweifel – ein Experiment, dass das belegt, ist eine winzige Verschiebung der Energien im Wasserstoff-Atom, die Lamb-Shift (dazu schreibe ich bei Gelegenheit mehr – jaja, eine Endlosserie über gar nichts, das hatte auch noch keiner…).
Also gibt es die Vakuum-Polarisation wirklich, oder?
Auch das ist aber wieder nicht so einfach, wie es scheint. Betrachten wir noch einmal unser Teilchen, das von den Vakuumpolarisationen umgeben ist. Um seine Ladung zu messen, muss es mit einem anderen Teilchen in seiner Nähe wechselwirken. In der Sprache der QFT kann ich diese Wechselwirkung mit Hilfe von Feynman-Diagrammen beschreiben. Dabei tauschen die beiden Teilchen ein (virtuelles) Photon aus. Das sieht etwa so aus (Achtung: die Zeitrichtung läuft diesmal von unten nach oben im Bild):
Hier ist jetzt von der Vakuumpolarisation nichts zu merken – das Photon wird direkt ausgetauscht. Aber die “Teilchen des Vakuums” könnten ja mit dem Photon wechselwirken – sie könnten es zum Beispiel erst absorbieren und dann wieder emittieren. Das würde dann so aussehen:
Tja, und schon haben wir den Ärger: Ist das nun eine Teilchen-Antiteilchen-Schleife im Vakuum, die ein Photon absorbiert und dann wieder aussendet? Oder ist es in Wahrheit ein Photon, das einfach durchs Vakuum fliegt, sich zwischenzeitig in ein Teilchen-Antiteilchen-Paar aufspaltet und dann wieder zu einem Photon wird? Dann hat das Vakuum nicht so viel mit der Sache zu tun. Man könnte versucht sein zu argumentieren, dass im Bild ja die Schleife “unten” anfängt, also bevor sie das Photon absorbiert – aber das ist wieder der Ärger mit der zu wörtlichen Interpretation der Feynman-Diagramme. Denn die beiden Linien (die rote und die blaue) stellen symbolisch einfach nur dar, dass die beiden Teilchen vom linken zum rechten Knoten-Punkt in der Raumzeit fliegen – dass man sie sie gekrümmt zeichnet, ist nur, damit man noch was erkennt. Rechnerisch muss man bei der Berechnung dieses Diagramms einfach die beiden virtuellen Teilchen vom einen Knoten zum anderen laufen lassen.
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