Und ganz ähnlich wie letztes Mal beim Casimir-Effekt führen beide Betrachtungsweisen zum richtigen Ergebnis. Die zweite ist typischerweise die, die man verwendet, um so ein Feynmandiagramm zu berechnen, und die hat eigentlich nicht mehr wirklich etwas mit “Vakuumpolarisation” zu tun, denn wir haben ja am Anfang nicht einfach Nichts, sondern ein ankommendes Photon. Trotzdem werden Feynmandiagramme dieser Art oft als “Vakuumpolarisation” bezeichnet. Ein Beleg dafür, dass sich im Vakuum ständig Teilchen-Antiteilchen-Paare bilden, sind sie aber nicht, denn man kann sie eben auch anders interpretieren.
Und das ist vielleicht ein generelles Problem bei all diesen Ideen zum Vakuum: Wann immer wir die Vakuum-Effekte messen wollen, müssen wir das Vakuum mit irgendwelchen Teilchen stören – und dann ist es eben kein Vakuum mehr. In der Sprache der Feynmandiagramme betrachtet braucht man immer (mindestens) ein Teilchen, das in die betrachtete Region hineinfliegt und eins, das wieder herauskommt, und ob ich die dort stattfindende Reaktion dem Teilchen oder dem Vakuum zuschlage, ist ein eher eine Frage des Geschmacks als der Physik.
Eine Sache ist aber auf jeden Fall klar: Auch wenn Ihr die Schleife im Diagramm oben als Schleife im Vakuum interpretieren wollt, die mit einem Photon wechselwirkt – eine Eigenschaft hat sie mit Sicherheit nicht: Sie “borgt” sich keine Energie aus dem Vakuum mit Hilfe der Unschärferelation. Denn in einem Feynmandiagramm gelten strenge Regeln: An jedem Punkt des Feynmandiagramms sind Energie und Impuls exakt erhalten – die Energie des Teilchen-Antiteilchen-Paares in der Mitte ist exakt so groß wie die des einlaufenden (und die des auslaufenden) Photons. (Falls die Energie des Photons sehr klein ist, heißt das, dass eins der beiden Teilchen in der Schleife eine negative Energie haben muss – das scheint zwar unsinnig, ist aber notwendig, damit alles richtig herauskommt. Anders als die Lösungen mit negativer Energie bei Dirac macht diese negative Energie hier aber weniger Ärger, weil sie nur bei virtuellen Teilchen auftreten darf.)
Also: Auch die Vakuumpolarisation liefert keinen echten Beweis dafür, dass im Vakuum Teilchen-Antiteilchen-Paare aus dem Nichts entstehen. Wenn man sie so auffassen will, dann ist auf jeden Fall die Energie erhalten – der Kram mit der Unschärferelation hält einer genaueren Betrachtung nicht stand.
Kleiner Hinweis: Nächste Woche wird es hier noch stiller sein als sonst – ich bin zur Konferenz in Barcelona (angesichts von U-Bahnschächten mit ca. 35° und U-Bahnen mit Klimatisierung auf 18° ist die Erkältung vermutlich wieder vorprogrammiert…).
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