In dieser kleinen Serie schaue ich mir das so ziemlich simpelste physikalische Phänomen an, das es gibt: Ein Teilchen (z.B. ein Elektron) fliegt von A nach B. Oder, genauer gesagt, es wird zu einer Zeit am Ort A beobachtet und zu einer späteren Zeit am Ort B (jeweils durch irgendeinen Detektor, über dessen Funktion ich mir keine weiteren Gedanken mache – erstens bin ich Theoretiker und zweitens würde das die Sache nur unnötig komplizieren).
Im ersten Teil habe ich die Sichtweise der klassischen Physik und die der Relativitätstheorie erklärt – das Teilchen hat jeweils eine wohldefinierte Bahn und wenn wir wissen, dass es zwischen A und B kräftefrei ist, dann können wir genau ausrechnen, wo es in der Zwischenzeit war. Zusätzlich habe ich noch zwei andere Sichtweisen der Dinge ins Spiel gebracht, nämlich das Prinzip der kleinsten Wirkung und das der maximalen Eigenzeit.
Das Prinzip der kleinsten Wirkung wird uns nachher im nächsten Teil (jaja, der Artikel ist wie üblich länger als erwartet) in erweiterter Form wieder begegnen, aber erst einmal schauen wir uns an, wie sich das Verhalten des Teilchens beschreiben lässt, wenn wir die Sichtweise der Quantenmechanik in ihrer üblichen Form verwenden.
Wahrscheinlichkeiten
Während wir in der klassischen Physik wissen, was unser Teilchen zwischen den beiden Beobachtungen bei A und B gemacht hat, können wir in der Quantenmechanik (kurz QM) für die meisten Ereignisse nur Wahrscheinlichkeiten angeben. Ein Teilchen, das wir nicht beobachten, hat eine Wahrscheinlichkeit, an diesem oder jenem Ort zu sein. Erst wenn wir seinen Ort – beispielsweise mit unserem Detektor – messen, dann wissen wir sicher, wo es jetzt gerade ist.
Wenn wir also um 12:00:00Uhr das Teilchen im Detektor A gemessen haben, dann wissen wir sicher, dass es zu diesem Zeitpunkt nirgendwo anders gewesen sein kann. (Auch in der Quantenmechanik kann ein Teilchen nicht an zwei Orten gleichzeitig gefunden werden, wenn man es tatsächlich beobachtet. Was es tut, wenn man es nicht beobachtet, ist eine andere Sache…) Wir können das so veranschaulichen
Die Linie zeigt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dafür an, dass das Elektron irgendwo ist; da es im Detektor A ist, ist die Wahrscheinlichkeit außerhalb des Detektors gleich Null. Innerhalb des Detektors, der ja nicht unendlich klein sein kann,ist es irgendwo, deshalb habe ich dort der Einfachheit halber die Wahrscheinlichkeit überall gleich groß gemacht. (Und wenn man mathematisch pingelig sein will, dann muss man hier von einer Wahrcheinlichkeitsdichte sprechen, damit das Integral darüber gleich 1 ist und man muss – bei einem unendlich genau messenden Detektor – jetzt hier eine delta-Distribution benutzen und lauter so Zeug, aber für “mathematisch pingelig” war ich noch nie bekannt…)
Die Darstellung ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, weil die senkrechte Achse eine Doppelfunktion hat: Sie gibt die Zeit an, zu der die Aufenthaltswahrscheinlichkeit angeguckt wird und in der blauen Kurve gibt sie die Wahrscheinlichkeit an.
Mathematisch ist es etwas einfacher, wenn man annimmt, dass der Detektor keine ganz festen Wände hat, sondern dass die Wahrscheinlichkeit, das Elektron irgendwo zu finden, genau am Ort des Detektors am größten ist und dann nach Außen abfällt. Das sieht dann etwa so aus:
Das ändert nicht wirklich viel, macht aber die Darstellung etwas einheitlicher.
Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit ändert sich jetzt mit der Zeit. Sie “zerläuft” nämlich, wird also immer breiter. Das kann man etwa so veranschaulichen:
Ich war hier beim zeichnen etwas schlampig, weil die Fläche unter der Kurve immer die gleiche sein müsste, denn die Fläche entspricht der Gesamtwahrscheinlichkeit, das Teilchen zu finden – dann hätte man aber nix mehr erkannt.
Wie schnell die Wahrscheinlichkeitsverteilung zerläuft, hängt (unter anderem, dazu später mehr) davon ab, wie genau wir das Teilchen vorher festgenagelt haben. (Das ist ein Beispiel für die berühmte Unschärferelation: Wenn man den Ort des Teilchens sehr genau kennt, dann weiß man nicht sehr viel über seine Geschwindigkeit, es kann also bereits nach kurzer Zeit sehr weit weg vom Ursprungsort gefunden werden.) Man kann das, wenn man will, auch berechnen, dafür gibt es die Schrödinger-Gleichung, so ziemlich die wichtigste Gleichung in der Quantenmechanik. Wenn ihr auf den Artikelserien-Link klickt, dann findet ihr dort eine sehr lange ausführliche Erklärung der Gleichung, die brauchen wir heute aber nicht. Für unsere Zwecke reicht es völlig zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung zerläuft.
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