Das ist das berühmte Problem der Unendlichkeiten in der Quantenfeldtheorie, von dem ihr vielleicht schon mal gehört habt. Es hat die Physikerinnen etwa 20 Jahre lang beschäftigt, bis Ende der Vierziger Jahre die richtigen Werkzeuge zur Verfügung standen, um mit diesen Unendlichkeiten fertig zu werden.
Ohne viel Mathematik zu betreiben (die Mathematik ist hier wirklich etwas hässlich, da wimmelt es von fiesen Integralen und Dinge werden in 4-plus-ein-bisschen Dimensionen berechnet, um die Unendlichkeiten sauber fassen zu können und lauter so Zeug, das mich nach wie vor verwirrt, aber mir geht es nur darum, euch eine Idee zu geben, was passiert), also, auch ohne viel Mathematik könnt ihr leicht einsehen, warum hier Unendlichkeiten ins Spiel kommen können. Unsere virtuellen teilchen waren ja “off-shell” – Energie und Impuls können beliebige Werte annehmen, solange nur die Gesamtsumme passt, so dass der Impuls (und die Energie) erhalten ist. Und beliebige Werte sind eben auch sehr sehr große Werte – theoretisch kann die Energie eines virtuellen Teilchens oder sein Impuls größer sein als die des gesamten beobachtbaren Universums oder aller denkbaren Multiversen zusammengezählt oder noch viel mehr.
Ist das nicht ziemlich unsinnig? Anzunehmen, dass jedes Elektron, das von A nach B fliegt, zwischendurch mal einen Weg geht auf dem seine Energie so groß ist, dass sie größer ist als die des Universums? Und müsste so ein Prozess nicht dazu führen, dass sich unterwegs dann ein Schwarzes Loch bildet (weil wir so irre viel Energie haben), das den ganzen Prozess kaputt macht? (Das ist eine wirklich gute Frage, auf die wir ohne eine Theorie der Quantengravitation aber wohl keine Antwort haben.) Irgendwo muss ja wohl auch mal eine Grenze für die Energie (oder den Impuls) erreicht sein, oder?
Richtig. Und diese Erkenntnis ist tatsächlich der Schlüssel dazu, mit den Unendlichkeiten fertig zu werden: Wir müssen die Energien und die Impuls begrenzen (Ursprünglich hat man das, was jetzt kommt, als rein mathematisches Werkzeug angesehen (eine so genannte “Regularisierung”), aber der Trend geht heutzutage immer mehr dahin, die Unendlichkeiten als künstlich anzusehen, weil irgendwo eine fundamentalere Theorie, die wir noch nicht haben, die Energien sauber begrenzen sollte.)
Wir nehmen also an, dass es einen maximalen Impuls für unsere virtuellen Teilchen gibt (und genauso eine maximale Energie, ich schreibe das jetzt nicht immer hin). Wenn wir das tun und dann den Beitrag unseres Prozesses zur Drehung unseres Pfeils berechnen, dann kommt ein irrsinnig großer, aber endlicher Wert heraus. Wie groß der Wert genau ist, hängt davon ab, wo wir den Grenz-Impuls ansetzen. Wie groß dieser Wert tatsächlich ist, hängt sicher davon ab, welchen Gültigkeitsbereich unsere Theorie hat, die wir gerade betrachten (die Quantenelektrodynamik) – aber solange wir die fundamentalere Theorie nicht haben, wissen wir das ja nicht. “Mist!”, wie mein Lieblingsbrot sagen würde.
Aber wir können uns aus diesem Sumpf herausziehen, wenn wir uns erinnern, dass wir hier Physik betreiben – nicht bloß theoretische Physik, sondern echte Physik, die auch messbare Konsequenzen hat. Was wissen wir denn experimentell und aus den Überlegungen der letzten Teile?
Wir wissen, dass Elektronen von A nach B fliegen können und aus der QM wissen wir auch ziemlich genau, wie schnell sich der Amplitudenpfeil des Elektrons auf diesem Weg dreht. Das hing ja – ihr erinnert euch vielleicht noch – von der kinetischen Energie zu jedem Zeitpunkt ab und in die geht die Masse ein. Diese Masse können wir experimentell auf verschiedene Weise bestimmen, aber eine Möglichkeit besteht genau darin, zu sehen, wie das Elektron von A nach B kommt. Im zweiten Teil haben wir ja auch – in der anderen Darstellung der QM – gesehen, dass es von der Masse eines Teilchens abhängt, wie schnell seine Wahrscheinlichkeitsverteilung zerläuft. So oder so – in der Quantentheorie hat die Masse eines teilchens etwas damit zu tun, wie es von A nach B kommt; ausgedrückt entweder durch das Zerlaufen der Wahrscheinlichkeitsverteilung oder durch die Drehung des kleinen Pfeils.
Kommentare (38)