Reale Flüssigkeiten und Gase haben eine Zähigkeit, die Viskosität. Die beruht auf der Wechselwirkung der Moleküle miteinander und sorgt für eine innere Reibung. Moleküle, die sich bewegen, zerren an benachbarten Molekülen, so dass diese ebenfalls anfangen, sich zu bewegen. Aus dem Alltag wissen wir, dass zähe Flüssigkeiten wie Honig eher langsam fließen und dass es ziemlich schwierig ist, Wirbel im Honig zu erzeugen. Honig hat eine sehr große Viskosität, so dass das Fließen von Honig von Effekten der inneren Reibung dominiert wird. Die Energie, die wir beim Umrühren von Honig aufwenden, wird sehr schnell durch Reibung in Wärme umgewandelt, so dass wir den Honig nicht dazu bekommen, schnell zu fließen. Mit Wasser gelingt das Verwirbeln schon leichter, wie ihr im Abfluss eures Waschbeckens sehen könnt – beim Abfließen bildet das Wasser einen Wirbel. In Luft lassen sich Wirbel noch leichter erzeugen – deswegen kann Gandalf ja auch so schöne Rauchringe pusten. Je kleiner also die Viskosität einer Flüssigkeit, desto leichter lässt sie sich verwirbeln. Macht man die Viskosität winzig klein, gibt es entsprechend sehr starke Turbulenz und Verwirbelungen.
Anmerkung: Etwas genauer sollte ich die Reynolds-Zahl betrachten, die angibt, wie stark die Verwirbelung einer Flüssigkeit ist. Sie ist definiert als Dichte der Flüssigkeit (oder des Gases, StrömungsmechanikerInnen sprechen meist von “Fluid”, wenn sie sich nicht festlegen wollen) multipliziert mit einer “typischen Länge” (also beispielsweise der Größe eines Tragflügels) und einer “typischen Geschwindigkeit” (beispielsweise die Geschwindigkeit, mit der sich der Flügel bewegt), geteilt durch die Viskosität. Haben zwei Strömungen dieselbe Reynolds-Zahl, dann haben sie auch dieselbe Neigung zur Verwirbelung; deswegen kann man zum Beispiel im Maßstab verkleinerte Modelle eines Schiffs bauen, bei denen man dann statt Wasser ein anderes Fluid mit niedrigerer Reynoldszahl nimmt. (Auch Kryo-Windkanäle benutzen das Prinzip – bei niedrigen Temperaturen sinkt die Viskosität der Luft und ihre Dichte steigt, dafür kann man dann die “typische Länge” veringern.) Eigentlich spielt das aber für unsere Betrachtungen hier keine Rolle – wahrscheinlich wollte ich nur mal wieder den Blogeintrag länger machen…
Also: Je kleiner die Viskosität, desto stärker die Verwirbelung. Man sollte also eigentlich meinen, dass man im Grenzfall verschwindender Viskosität quasi unendlich starke Verwirbelungen bekommt. Doch wenn die Viskosität vollkommen verschwindet, dann gibt es überhaupt keine Reibung innerhalb der Flüssigkeit und es können auch keine Wirbel entstehen, weil sich bewegende Moleküle keine Energie auf ihre Nachbarn übertragen können. (Das Modell des Wassers, bei dem die Viskosität ignoriert wird, heißt in den Feynman Lectures – nach einer Idee von John von Neumann – “trockenes Wasser”.)
Eine simple Theorie, die die Viskosität ignoriert, entsteht also nicht ohne weiteres aus einer Theorie, bei der die Viskosität einfach gegen Null geht, aber auch nicht aus einer, bei der sie gegen unendlich geht (denn dann ist der Fluss jeder Flüssigkeit unendlich langsam und die Bewegung wird von Reibungskräften dominiert.) Natürlich ist das in der Strömungsmechanik überhaupt kein Problem; die Leute, die sich damit beschäftigen, wissen ganz genau, wann sie die Viskosität einfach ignorieren dürfen und wann nicht.
Aber wenn wir uns vorstellen, dass sich zum Beispiel die Relativitätstheorie so verhalten würde, dann wäre die Sache ziemlich knifflig. In unserer Welt ist es so, dass relativistische Effekte verschwinden, wenn das Verhältnis der Geschwindigkeit eines Teilchens zur Lichtgeschwindigkeit sehr klein ist. Je kleiner die Geschwindigkeit, desto weniger merken wir von den Effekten der SRT, und in einem Flugzeug müssen wir schon sehr genaue Uhren verenden, um bei diesen Geschwindigkeiten einen Effekt zu sehen. Wären die Verhältnisse aber so wie bei der Viskosität, dann würden wir die einfache Newtonsche Theorie nicht einfach dadurch bekommen, dass wir sehr kleine Terme in den Gleichungen vernachlässigen – so wie wir eben nicht die Eigenschaften von “trockenem Wasser” bekommen, wenn wir eine Flüssigkeit mit sehr kleiner Viskosität beobachten.
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