Beeinflusst unsere Sprache unser Denken und wie stark ist dieser Einfluss? Diese Frage treibt die LinguistInnen seit langem um. Auch hier auf dem Blog haben wir gelegentlich – im Zusammenhang mit der geschlechtergerechten Sprache – über dieses Problem diskutiert. Heute will ich einen kleinen Blick auf eine ganz spezifische Frage werfen: Beeinflusst das grammatische Geschlecht unser Denken?
Um es gleich vorweg zu sagen: Es gibt keine klare und eindeutige Antwort auf die Frage, ob und wie das grammatische Geschlecht unser Denken beeinflusst. Unterschiedliche Experimente ergeben leicht verschiedene Antworten, die sich auch nicht unbedingt alle ohne weiteres unter einen Hut bringen lassen.
Warnung: Ich bin kein Linguist. Ich habe zwar in den letzten Wochen einen Haufen paper gelesen und mir unterschiedliche Experimente durchgelesen, aber ich übernehme keine Garantie dafür, dass ich nicht irgendwo etwas falsch verstanden habe oder ein Ergebnis falsch interpretiere – mein Linguistik-Abschluss ist sozusagen ein Bachelor der Google University, aber auch nicht mehr. Falls ihr vom Fach seid und mehr Ahnung habt als ich, dürft ihr euch gern in den Kommentaren beschweren und mir zeigen, wo ich Mist gebaut habe.
Wir müssen im folgenden zwei Arten von “Geschlecht” unterscheiden, das grammatische Geschlecht (das werde ich im folgenden mit GG (nein, steht nicht für Grundgesetz) abkürzen, weil es dauernd vorkommt), nach dem also “der Löffel” männlich und “die Gabel” weiblich ist, und das semantische Geschlecht (kurz SG – hat hier aber nix mit Wurmlöchern zu tun…) – Männer sind männlich, Frauen sind weiblich. Wörter können entweder nur ein GG haben, aber kein SG (wie zum Beispiel “der Löffel”, der ja eigentlich nicht so der Macho-Typ ist) oder sie können beides haben, wobei dann GG und SG meist übereinstimmen, allerdings nicht immer (beispielsweise sagen wir “das Mädchen”, SG weiblich, GG sächlich – interessanter Weise habe ich bisher keine Studie finden können, die solche Wörter systematisch mit solchen vergleicht, bei denen GG und SG übereinstimmen, vielleicht, weil es Wörter wie “das Mädchen” nicht so sehr viele gibt.). Manche Wörter bezeichnen auch Begriffe, die zwar prinzipiell ein SG haben, das aber unbestimmt ist – beispielsweise “die Person”, “das Mitglied”. (Das führt jetzt schon wieder ein wenig in Richtung des berühmten generischen Maskulinums – das ist hier aber nicht unser Hauptthema, auch wenn ich im 2. Teil bei einem Experiment noch etwas dazu sagen werde. VerfechterInnen des generischen Maskulinums führen aber ja gern Wörter wie “der Löffel/die Gabel” als Beleg dafür an, dass das GG offensichtlich keinen Einfluss auf unser Denken hat.)
Das grammatische Geschlecht könnte unser Denken und unsere Verwendung von Wörtern auf verschiedene Weise beeinflussen, beispielsweise auf der sozusagen unteren Ebene der Wort-Verarbeitung oder aber auf der Bedeutungs-Ebene. Beispielsweise könnten wir mit Wörtern, die ein feminines GG haben, auch eher “weibliche” Begriffe assoziieren.
Schauen wir erst einmal auf die “unterste” Ebene, die des Wortverständnisses und der Wortverarbeitung. Ich stelle hier jeweils verschiedene Experimente vor, die genauen Referenzen findet ihr am Ende des Artikels.
Beeinflusst das Geschlecht die Wort-Verarbeitung?
Cubelli et al. 2011
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob die Zuordnung von Objekten durch das GG beeinflusst wird. Es wurden 16 Bilder aus 8 Begriffskategorien (wie Säugetier, Vogel, Gebäude usw.) gewählt und Versuchspersonen sollten jeweils sagen, ob die Bilder zur selben Kategorie gehören oder nicht. (Mir wurde dabei nicht ganz klar, ob die Versuchspersonen die Kategorien vorher gesagt bekamen oder nicht – wenn nicht, dann ist es natürlich nicht so einfach, wenn z.B. ein Säugetier und ein Vogel gezeigt wurden, da beide zur Kategorie “Tiere” gehören. Für das Endergebnis spielt das aber keine große Rolle, da ohnehin nur korrekte Zuordnungen ausgewertet wurden. Wie genau die Bilder ausgewählt wurden, ist in der Arbeit auch beschrieben, aber solche methodischen Aspekte sind mir hier nicht so wichtig, gehen wir einfach mal davon aus, dass die LinguistInnen wissen, was sie tun…)
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