Allerdings zeigte sich ein messbarer Unterschied in den Gehirnströmen – in Fällen, w das GG übereinstimmte, sahen sie bei den bilingualen VPs anders aus als in denen, wo es nicht übereinstimmte. Das impliziert, dass das GG einen Einfluss auf die Verarbeitung von Begriffen hat, auch wenn der Effekt in diesem Fall sich nicht als Unterschied in der Reaktionszeit äußerte. (Die Autoren spekulieren kurz darüber, warum sie anders als Cubeli et al. keinen solchen Effekt gefunden haben.) Ich muss allerdings zugeben, dass mir nicht ganz klar ist, wie aussagekräftig solche Hirnpotentiale tatsächlich sind.
Bender et al, 2011
In dieser Arbeit wurde untersucht, ob das GG bei Gegenständen mit einem SG assoziiert wird, und zwar auf der eher fundamentalen lexikalischen Ebene. (Als Nicht-Linguist habe ich mich beim Lesen dieser Arbeit sehr schwer getan, an dieser Stelle ein herzlicher Dank an Andrea Bender, die mir so lange per mail Linguistik-Nachhilfe gegeben hat, bis ich (hoffentlich) verstanden habe, was genau in dem paper versucht wurde.)
Es geht hier wieder um die Wort-Verarbeitung. Dazu haben die WissenschaftlerInnen sich folgendes ausgedacht: Sie haben Wörter mit sehr ähnlicher Bedeutung gesucht, beispielsweise Kiste und Kasten. Dann haben sie aus den Buchstaben dieser Wörter neue gebaut – aus “Kiste” wurde “Stike”, aus “Kasten” Staken”. Die neu gebauten Wörter wurden dabei so gebildet, dass sie von Testpersonen (nicht denselben, die nachher die eigentlichen Experimente gemacht haben) ziemlich eindeutig als GG männlich bzw. GG weiblich eingestuft wurden – vermutlich stimmt ihr alle zu, dass der “der Staken” aber “die Stike” heißen muss, selbst wenn es die Wörter gar nicht gibt.
Jetzt hat man also jeweils 4 zusammenhängende Wörter, von denen zwei eine Bedeutung haben und zwei nicht, jeweils mit unterschiedlichem GG.
Versuchspersonen sollten jetzt jeweils entscheiden, welches der vier Wörter ein tatsächlich korrektes Wort ist und welches nicht. Allerdings bekamen sie die Wörter nicht einfach so gezeigt, sondern mit einem “primer”, also einem weiteren Reiz, der das Denken in die eine oder andere Richtung lenken sollte. (Dass das prinzipiell funktioniert, haben wir ja eben bei der Arbeit von Cubelli et al. gesehen – die wird allerdings hier nicht zitiert, vermutlich da beide Arbeiten etwa gleichzeitig erschienen sind.)
Nehmen wir an, dass das GG in unserem Denken auch mit einem SG assoziiert wäre. Dann müsste die Nennung eines männlichen primers uns die nachfolgende Verarbeitung der Wörter “Kasten” und “Staken” erleichtern, die der Wörter “Kiste” und “Stike” aber nicht. Hierzu wurden jetzt mehrere Versuche gemacht.
Der erste Versuch ist ziemlich trickreich: Als “primer” wurden die Wörter “sein”, “seine”, “ihr” und “ihre” verwendet. Die Versuchspersonen sahen auf einem Monitor z.B. die Wörter “ihr Stike” und sollten jeweils entscheiden, ob das zweite Wort ein echtes Wort ist oder nicht. Die Unterscheidung “sein”/”ihr” dient dabei als semantischer primer, soll also eine Assoziation mit einem Geschlecht hervorrufen. Wenn das so wäre, dann müssten die Versuchspersonen besser abschneiden, wenn sie “ihr Stike” lesen als wenn sie “sein Stike” lesen, weil “Stike” GG feminin ist und der semantische primer sie ein männliches GG erwarten lässt.
Zusätzlich müsste man auf jeden Fall erwarten (ansonsten gäbe es hier nicht mal grammatische priming-Effekte), dass die Verarbeitung leichter ist, wenn das durch das Pronomen geforderte GG auch tatsächlich folgt – es sollte also leichter sein, “seine Stike” korrekt einzuordnen als “sein Stike”, weil bei der zweiten Kombination eine Diskrepanz zwischen dem geforderten und dem tatsächlich nachfolgenden GG vorliegt.
Wertet man die Reaktionszeiten aus, so zeigt sich, dass es einen Effekt des GG bei der Reaktionszeit für die Nicht-Wörter gibt, aber nicht bei der Reaktionszeit für die Wörter. Einen priming-Effekt durch das SG gab es nicht. Betrachtet man stattdessen, ob die Antwort Wort/Nicht-Wort korrekt war, dann ergibt sich ein Effekt des GG bei den Wörtern – mit anderen Worten, Kombinationen wie “die Kasten” sind schwerer zu verstehen, während “die Staken” kein Problem darstellt.
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