Dass physikalische Gleichungen Anwendungsbereiche haben, ist Vielen oft nicht bewusst (mich haben neulich ein paar Studis sehr verblüfft angeguckt, als ich sagte, es würde nicht reichen, bloß Gleichungen für die Prüfung zu lernen, sondern man müsse auch wissen, unter welchen Bedingungen diese Gleichungen gelten).
Physikalische Identitätsgleichungen
Identitätsgleichungen Gleichungen sind mit den Gesetzen von eben verwandt. Unter einer Identitätsgleichung verstehe ich eine Gleichung, die zwei Größen gleichsetzt, die wir auf unterschiedliche Weise definiert haben. Das klassische Beispiel hierfür ist E=mc². Die Größen Energie und Masse sind in der Physik lange bekannt und definiert (auch wenn das durchaus trickreich sein mag, klickt die Links, wenn ihr mehr wissen wollt.). Einstein hat aber entdeckt, dass das, was wir normalerweise als “Masse” wahrnehmen, nichts anderes ist als der Energiegehalt eines Körpers (genau das haben wir ja oben bei dem Beispiel mit der angehobenen Masse auch gesehen), man braucht nur den passenden Umrechnungsfaktor (so als würde man von Dollar in Euro umrechnen). Energie ist Masse – Masse ist Energie; zwei scheinbar unterschiedliche Konzepte entpuppen sich als letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Anders als das Ohmsche Gesetz gilt die Gleichung E=mc² letztlich auch immer; soweit ich es sehe, bekommt man lediglich in der Allgemeinen Relativitätstheorie ein wenig Probleme, weil dort das Konzept der Energieerhaltung nicht mehr so ohne weiteres funktioniert.
Die Gleichungen U=IR und E= mc² sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus: Eine Größe auf der linken Seite ist gleich einer anderen physikalischen Größe auf der rechten Seite, die mit einer Konstante multipliziert wird. Ein wichtiger Unterschied ist zunächst der, dass wir es im einen Fall mit einer Naturkonstante zu tun haben (c²), im anderen mit einer Größe, die vom jeweiligen Problem abhängt – der elektrische Widerstand ist für unterschiedliche Bauteile unterschiedlich. Eng damit verknüpft ist, dass die Einsteinsche Gleichung universell ist und so ziemlich immer gilt, während das Ohmsche Gesetz nur in ganz bestimmten Situationen anwendbar ist. Deswegen ist es auch nicht sinnvoll, zu sagen “Strom ist Spannung”.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es aber mehr oder weniger fließende Übergänge. Deswegen führe ich mal schnell noch eine Zwischenkategorie ein.
Physikalische Beziehungsgleichungen
Eine Beziehungsgleichung setzt – ganz ähnlich wie E=mc² – zwei physikalische Größen miteinander in Beziehung, aber diese beiden Größen kann man trotzdem nicht als äquivalent betrachten. Ein Beispiel hierfür ist die Gleichung E= hν (“nu” ist das Formelzeichen für die Frequenz) aus der Quantenmechanik (QM). Diese Gleichung gibt den Zusammenhang zwischen der Energie eines Photons und seiner Frequenz an. Sie gilt in der QM auch für Elektronen – einem Elektron mit einer Energie E kann man eine Frequenz ν zuordnen. (Diese Frequenz kann man sich als die “Rotationsgeschwindigkeit der Wellenfunktion” vorstellen, das habe ich in meiner Serie über die Schrödingergleichung näher erklärt.)
Dabei ist allerdings schon etwas Vorsicht geboten. Beispielsweise misst man Bindungsenergien gern relativ zum ungebundenen Zustand – ein Wasserstoffatom, also eine Verbindung aus Elektron und Proton, hat beispielsweise eine Bindungsenergie von -13,6eV (Wobei eV einfach eine praktische Energieeinheit ist) – man muss also 13,6eV hinzufügen, um das Elektron vom Atom zu lösen. Verwendet man die Gleichung E=mc² ergibt sich eine negative Masse – das ist auch physikalisch sinnvoll, denn es sagt uns, dass ein Wasserstoffatom leichter ist als ein Elektron und ein Proton, die wir getrennt wiegen, zusammengenommen. Verwendet man dagegen E= hν, dann bekommt man negative Frequenzen, was schon ein bisschen komisch ist. Auch daran sieht man schon, dass die Gleichung E= hν einen etwas anderen Charakter hat als E=mc². Es ergibt wenig Sinn zu sagen “Energie ist Frequenz” – während “Masse ist Energie” durchaus sinnvoll ist.
Wie gesagt sind die Grenzen aber fließend. Was ist zum Beispiel mit der Beziehung zwischen Frequenz, Wellenlänge und Geschwindigkeit einer Welle? Die lautet c=νλ – die Geschwindigkeit einer Welle ist das Produkt aus Frequenz und Wellenlänge. Das muss so sein, weil die Welle am Ort auf- und abschwingt und sich mit einer Geschwindigkeit ausbreitet – der Abstand zwischen zwei Wellenbergen ergibt sich dann zwangsläufig daraus. Insofern ist diese Gleichung universell – allerdings ist die Geschwindigkeit c für unterschiedliche Wellenarten natürlich unterschiedlich, ähnlich wie es beim Ohmschen Gesetz unterschiedliche Werte für R geben kann.
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