Die Buchstaben X und Y wurden in den Plasmiden auch nicht an irgendeine Stelle eingebaut, sondern dort, wo das Enzym DNA-Polymerase I für das Kopieren zuständig ist – dieses Molekül ist zumindest im Laborversuch in der Lage, DNA-Stücke mit den künstlichen Buchstaben zu kopieren.
Die so manipulierten Bakterien durften sich dann (in der geeigneten Nährlösung) vermehren, und tatsächlich zeigte sich, dass die DNA mit den zusätzlichen Buchstaben einigermaßen gut kopiert werden konnte – pro Kopierprozess gibt es eine Fehlerrate von etwa 0,6%, wenn ich alles richtig verstehe. Das ist immer noch viel, aber schon einigermaßen brauchbar. Interessant ist, dass anscheinend die Reparaturmechanismen für die DNA die künstlichen Buchstaben nicht eliminieren – sonst wäre das Experiment vermutlich gescheitert.
Mit X und Y stehen jetzt also zwei weitere Buchstaben im genetischen Code zur Verfügung. Leider tragen die Worte, die man mit diesen Buchstaben bilden kann, aber keinerlei Bedeutung: GCY codiert eben keine Aminosäure. Um die zusätzlichen Buchstaben auch nutzen zu können, muss man auch den Protein-Synthese-Apparat an die neuen Buchstaben anpassen. Sowohl das Ablesen der DNA (mit Hilfe der Boten-RNA) als auch das Übersetzen der Worte in Aminosäuren (mit Hilfe der Transfer-RNA) müssen an die neuen Buchstaben angepasst werden: Man müsste also insbesondere dafür sorgen, dass in den Zellen Transfer-RNA vorkommt, die an einem Ende das Wort GCY trägt und am anderen eine Aminosäure, die man in ein Protein einbauen möchte. Es ist also vermutlich noch ein weiter Weg hin zu Lebewesen, die die künstlichen Buchstaben nicht nur mit sich herumtragen, sondern auch nutzen können.
Auf jeden Fall zeigt die Forschung aber schon jetzt, dass es nicht absolut zwingend ist, dass die DNA genau die vier Buchstaben verwendet, die wir in der Natur vorfinden. Hätte die Evolution auch noch die Buchstaben X und Y ins Spiel gebracht, dann würde der genetische Code auch vielleicht Worte mit nur zwei Buchstaben verwenden – denn bei 6 Buchstaben sind das immer noch 36 mögliche Kombinationen. Ob eine solche alternative Evolution möglich wäre oder ob die anderen Buchstaben nicht doch irgendwelche Nachteile mit sich bringen, ist aber noch nicht klar.
Disclaimer Von Biochemie habe ich echt wenig Ahnung. Ich habe versucht, das wichtigste einigermaßen korrekt wiederzugeben, aber ich garantiere nicht dafür, dass ich alles richtig verstanden habe – erzählt das, was ich hier geschrieben habe, also nicht ohne weitere Kontrolle in irgendeiner Prüfung oder so…
ROSS THYER & JARED ELLEFSON
New letters for life’s alphabet
Nature vol 509 p. 291
Denis A. Malyshev, Kirandeep Dhami, Thomas Lavergne, Tingjian Chen, Nan Dai, Jeremy M. Foster, Ivan R. Correa Jr & Floyd E. Romesberg
A semi-synthetic organism with an expanded genetic alphabet
Nature vol 509 p. 385, doi:10.1038/nature13314
Kommentare (38)