Und wie kommt jetzt das Gummituch ins Spiel? Wenn man ein Gummituch elastisch dehnt, dann braucht man dafür Energie (das kommt nicht daher, dass man da Bindungen im Gummi dehnt, gegen deren Kraft man anarbeiten muss, sondern ist ein trickreicher Effekt der Entropie). Stellt euch also vor, ihr spannt ein Gummituch an den Rändern ein (so wie in dem verlinkten Bild oben) und drückt es jetzt (erst mal mit dem Finger) nach unten (oder ihr zieht es nach oben, das ist im Moment egal). Je weiter ihr es zieht, um so mehr Energie braucht ihr dafür. Die Energie hängt also davon ab, wie stark das Gummituch nach oben oder unten gedehnt wird.
Statt am Gummituch zu ziehen, könnt ihr auch kleine schwere Kugeln drauflegen – auch die üben (dank der Schwerkraft) eine Kraft nach unten aus. Diese verformen das Gummi. Um die Kugeln herum wird das Gummi natürlich auch nach unten gezogen – die Kugeln erzeugen eine schöne große Delle, wie man das ja auch im Bild oben sieht. Und jetzt kommt der Trick des Ganzen: Die Gleichung, die angibt, wie weit das Gummituch nach unten ausgelenkt wird, sieht genau so aus wie die Gleichung für das Gravitationspotential (allerdings natürlich in zwei Dimensionen). Wenn wir also Massen in einem Gummituch platzieren, dann verzerren diese das Gummituch genau entsprechend dem Bild unseres Trichters oben. Und wenn ihr zwei oder drei Massen platziert, dann klappt das immer noch – ihr könnt also auch kompliziertere Anordnungen von Massen und deren Schwerefeld simulieren.
Hier nochmal die Gedankenkette, die zum Gummituchmodell führt, in Kurzform:
1. Die Energie eines Teilchens in einem Schwerefeld wird durch das Potential gegeben.
2. Weil die Energie im Schwerefeld direkt auf der Erdoberfläche proportional zur Höhe ist, kann ich ein zweidimensionales Modell eines Potentials verwenden, so dass ein Teilchen gerade die Energie hat, die seiner Höhe in diesem Potential entspricht.
3. Ein Teilchen, das durch ein solches Trichtermodell rollt, verhält sich deshalb näherungsweise (bis auf Probleme mit Reibung, der Geschwindigkeit in der dritten Dimension und der Rotationsenergie) wie ein Teilchen in einem solchen Schwerefeldpotential es tun würde.
4. Statt mühsam ein Potentialmodell zu berechnen und dann im 3D-Drucker herzustellen, kann ich auch einfach ein Gummituch nehmen – dieses wird durch hineingelegte Massen genau so verzerrt, dass die Höhe des Gummituchs so aussieht wie der Potentialtrichter im Schwerefeld.
Das Gummituchmodell ist also ein sehr praktisches Modell, um die Bewegung von Teilchen im Schwerefeld zu simulieren. Allerdings haben wir uns hier die ganze Zeit innerhalb der klassischen Physik bewegt. Was hat denn nun das Modell mit der Raumkrümmung zu tun?
Die ebenso einfache wie traurige Antwort lautet: Nichts. Absolut überhaupt gar nichts. Obwohl dieses Modell ständig gezeigt und verwendet wird, um die Raumkrümmung zu erläutern, hat es mit der Raumkrümmung wirklich nichts zu tun. Weder ist der Raum in einem Schwerefeld so gekrümmt wie das Gummituch, noch bewegen sich Teilchen auf Grund der Raumkrümmung so, wie sie es im Gummituchmodell tun.
Warum das Modell dann trotzdem ständig verwendet wird? Weil das verzerrte Gummituch auf den ersten Blick so aussieht wie eine Darstellung des gekrümmten Raumes. Aber das näher zu erläutern, braucht wohl einen zweiten Teil – mehrteilige Posts hatte ich ja schon eine Weile nicht…
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