Dieses Problem kann durch Unterschiede in den Fächerkulturen weiter verstärkt werden – beispielsweise findet man in der Informatik, dass Frauen sich bei gleicher Fähigkeit schlechter einschätzen als Männer und dass diese Differenz sich während des Studiums verstärkt (WSF, S. 60). Eine Studie von Cheryan et al. (2013) zeigt, dass gerade in der Computerwissenschaft das Standard-Bild eines “Computer-Nerds” einen starken Einfluss darauf hat, ob Frauen sich für einen Computerkurs interessieren. Schon die Gestaltung eines Computerraums (beispielsweise ob dort Star-Trek-Poster hängen oder Comics herumliegen) beeinflussen das in einem anschließenden Gespräch geäußerte Interesse an Informatik (Cheryan et al, 2009). Hmm, vielleicht muss ich über die Poster in meinem Büro nochmal nachdenken…
Die Wahrnehmung der anderen
Männer und Frauen werden in beruflichem Kontext auch unterschiedlich wahrgenommen. Eine Studie, die das relativ deutlich belegt, stammt von Moss-Racusin et al. (2012). Hier wurden 127 ProfessorInnen verschiedener Universitäten gebeten, Bewerbungsunterlagen für die Leitung eines labors zu sichten und zu bewerten. Sie bekamen alle dieselben Unterlagen, der einzige Unterschied war der, dass die eine Hälfte (63) der Bewertenden einen männlichen, die andere Hälfte einen weiblichen Namen auf den Unterlagen fand. Das Ergebnis lässt sich in einer einfachen Grafik zusammenfassen:
Aus Moss-Racusin et al. (2012)
Auch das vorgeschlagene Anfangsgehalt unterschied sich drastisch – es lag bei männlichen Bewerbern bei etwas über 30000$, bei weiblichen bei etwa 26500$. Immerhin – gut 10% Unterschied nur auf Grund des Namens. Eigentlich ist diese Studie allein schon ein ziemlich drastischer Beweis dafür, dass wir noch keine Gleichstellung erreicht haben.
Es macht dabei übrigens keinen Unterschied, ob die Bewertungen selbst von Männern oder Frauen stammen, die Zahlen unterscheiden sich hier kaum. Auch Frauen, die an entsprechenden Machtpositionen sitzen, haben die Stereotypen also anscheinend verinnerlicht und bewerten entsprechend.
Eine andere Studie (Trix&Psenka, 2003 – hier ist evtl. etwas Vorsicht geboten, da google scholar diese Publikation anscheinend nicht kennt?) untersucht Empfehlungsschreiben, die in der Personalabteilung einer medizinischen Fakultät vorlagen. Dabei ist zu beachten, dass nur solche Schreiben verwendet werden konnte, die in den Akten vorhanden waren – also solche, bei denen die jeweilige Person auch tatsächlich eingestellt worden war. Eine Statistik darüber, wie viele Personen welchen Geschlechts sich jeweils beworben haben, gab es nicht. Trotzdem sind die Ergebnisse durchaus interessant. (Außerdem enthält die Arbeit viele Beispieltexte, aus denen ich mich in Zukunft bedienen werde, wenn ich mal wieder ein Empfehlungsschreiben verfassen muss.)
Empfehlungsschreiben für Frauen waren tendenziell etwas kürzer (im Mittel 227 gegenüber 253 Worten bei Männern). Einige Empfehlungsschreiben fielen unter die Kategorie “ziemlich mau” (o.k., das ist mein Ausdruck, im paper heißt das vornehm “letters of minimal assurance”) – bei Frauen waren das 15% aller Briefe, bei Männern nur 6%. (Man kann natürlich nicht ausschließen, dass die Frauen tatsächlich einfach schlechter waren…) Übrigens – ein Tipp für euch, falls ihr mal ein paper schreibt: Grafiken dieser Art:
(Aus Trix&Psenka, 2003) sind echt überflüssig…
Eine andere interessante Kategorie sind Textbausteine, die als “doubt raisers” bezeichnet werden – etwa “she has a challenging personality” oder “while not the best student I had..” Solche doubt raisers findet man in 24% der Briefe für Frauen, aber nur in 12% der Briefe für Männer. (Ich spare es mir jetzt, die Grafik hier einzubinden (kopfschüttel – hat da jemand 2003 zum ersten Mal ein programm mit 3D-Balken in die Finger bekommen?).)
Auch Adjektive werden unterschiedlich verteilt: 7% der Männer aber nur 3% der Frauen haben ein “successful” in ihrem Schreiben, dafür sind 16% der Frauen “compassionate” oder haben ein gutes Verhältnis zu Patienten und Kollegen, während das nur bei 4% der Männern in den Schreiben steht. Schließlich wurde noch nach Phrasen gesucht, in denen ein Possessivpronomen verwendet wurde, wie “his teaching”, “her research”. Auch hier ein deutlicher Unterschied, bei dem die Graik sogar ausnahmsweise Sinn ergibt:
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