Insgesamt habt ihr als Frau also Probleme, gleichzeitig kompetent und “nett” zu erscheinen und müsst auch euren Ärger deutlich stärker zügeln als ein Mann.
Fazit
Insgesamt scheint mir der Stand der Forschung doch einigermaßen deutlich: Frauen werden in männerdominierten Berufsfeldern deutlich anders wahrgenommen und haben dort mit einer Menge (sicherlich unbewusster) stereotyper Zuschreibungen zu kämpfen. Selbst identische Bewerbungsunterlagen werden deutlich schlechter beurteilt, wenn sie von einer Frau stammen. (Und das allein sollte all jenen zu denken geben, die sagen, sie wären gegen Gleichstellungsmaßnahmen, weil sie nur den oder die Beste einstellen wollten, unabhängig vom Geschlecht.) Frauen haben es schwerer, gleichzeitig für kompetent und “likable” gehalten zu werden und müssen auch mehr Vorsicht walten lassen, wenn sie z.B. wütend werden, da ihnen das negativer ausgelegt wird als Männern. Es ist unwahrscheinlich, dass die starke Diskrepanz allein auf unterschiedliche Fähigkeiten in z.B. Mathematik zurückgeführt werden können, und auch wenn es solche Unterschiede anscheinend im Moment gibt, ist nicht klar, in wie weit auch diese wiederum auf der eigenen Erwartungshaltung beruhen (der “stereotype threat”). Weibliche Studierende in MINT-Fächern scheinen (eventuell auch auf Grund des Stereotyps) höhere Anforderungen an sich selbst zu stellen und schätzen sich unter einem “stereotype threat” selbst schlechter ein als männliche Studis, was dann wiederum Auswirkungen darauf hat, in wie weit sie sich für eine Karriere in diesem Bereich geeignet fühlen.
Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: ich behaupte nicht, dass es eine finstere Verschwörung und männliche Seilschaften gibt, die dazu führen, dass Frauen systematisch von Positionen in männerdominierten Bereichen ausgeschlossen werden. (Männer, die Frauen bewusst für ungeeignet in solchen Feldern halten, dürften hoffentlich so langsam aussterben, obwohl es auch da immer noch genügen Fälle gibt…) Gegen eine solche Verschwörungstheorie spricht auch, dass es zum Beispiel bei der Studie von Moss-Racusin et al (mit der Bewerbung auf eine Laborleitungsposition) keine signifikanten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Bewertenden gab. Das spricht stark dafür, dass die Mechanismen, die zu einer anderen Beurteilung von Frauen führen, in den Köpfen verankert und vermutlich auch unbewusst sind. Es ist zumindest plausibel, anzunehmen, dass dies auf unserer Sozialisierung und entsprechenden Stereotypen in der Gesellschaft beruht (biologische Effekte sind zwar natürlich nicht auszuschließen, aber sollten ja spätestens dann, wenn dasselbe Bewerbungsschreiben gelesen wird, keine Rolle spielen).
Falls ihr euch jetzt fragt, was man tun kann: Gute Frage. Maßnahmen, die helfen können, findet ihr zum Beispiel in Isaac et al (2009) oder sehr ausführlich in der WSF-Studie, Kapitel 10. Da dieser Artikel eh schon zu lang ist (und da die Liste in der WSF-Studie sehr übersichtlich ist), führe ich hier nicht alles auf. Dass Gleichstellungsmaßnahmen längst überflüssig sind, wird auf jeden Fall durch die aktuelle Forschung nicht gedeckt.
Quellen
Beilock, Sian L., et al. “Female teachers’ math anxiety affects girls’ math achievement.” Proceedings of the National Academy of Sciences 107.5 (2010): 1860-1863.
Cheryan, Sapna, et al. “The stereotypical computer scientist: Gendered media representations as a barrier to inclusion for women.” Sex roles 69.1-2 (2013): 58-71.
Concannon, James P., and Lloyd H. Barrow. “Men’s and women’s intentions to persist in undergraduate engineering degree programs.” Journal of Science Education and Technology 19.2 (2010): 133-145.
Heilman, M. E., Wallen, A. S., Fuchs, D., & Tamkins, M. M. (2004). Penalties for success: Reaction to women who succeed in male gender-typed tasks. Journal of Applied Psychology, 89(3), 416–27.
Hill, Catherine, Christianne Corbett, and Andresse St Rose. Why So Few? Women in Science, Technology, Engineering, and Mathematics. American Association of University Women. 1111 Sixteenth Street NW, Washington, DC 20036, 2010.
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