Manchmal entwickelt die Natur wirklich seltsame Dinge. Im Perm, gegen Ende des Erdaltertums (also noch vor den Dinosauriern), lebten Knorpelfische der Gattung Helicoprion. Und diese Fische hatten Zähne, die in einer seltsamen Spirale angeordnet waren:
(Citron – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.)
Man kennt diese Zahnspiralen seit dem 19. Jahrhundert. Aber wie der Fisch sie eingesetzt hat, ist erst seit kurzem verstanden.
Dass es sich um Zähne handelt, sieht man den Spiralen schon an – aber Zähne müssen nicht unbedingt im Mund sitzen. Haie haben ja zahnartige Strukturen auch in den Schuppen ihrer Haut, und manche Urzeitknorpelfische trugen seltsame Strukturen auf dem Rücken wie diese Stethacanthus hier (bei denen nur die Männchen so ein Ungetüm auf dem Rücken mit sich herumtrugen):
(Steth pair1“ von Dmitry Bogdanov – dmitrchel@mail.ru. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.)
Entsprechend gab es relativ viele, zum Teil sehr seltsam aussehende Rekonstruktionen:
(Aus Didier, Dominique A., et al. “Jaws for a spiral-tooth whorl: CT images reveal novel.” (2013).)
Ob die Spiralzähne also im Maul saßen (und wo im Maul), auf dem Rücken oder vielleicht auch irgendwo am Schwanz, war vollkommen rätselhaft. Und genau so rätselhaft war, wozu solche seltsamen Spiralen gut sein sollten? Funktionierten sie ähnlich wie die Säge bei einem Sägefisch, der damit in einem Fischschwarm umherschlägt, oder diente sie dazu, mit ihrer Form Ammoniten anzulocken, die glaubten es mit einem Artgenossen zu tun zu haben?
Dass wir heute mehr wissen, verdanken wir der modernen Technik. Ein Fossil einer solchen Zahnspirale aus dem Idaho Museum of Natural History wurde nämlich in einen Computertomographen gelegt und dort geröngt. Dabei stelle sich heraus, dass nicht nur die Spirale, sondern auch die Kiefer drum herum erhalten geblieben waren. Hier die Abbildung des Fossils und das Ergebnis des CT-Scans:
Aus Ramsay et al. s.u.
In grün rot und blau seht ihr die verschiedenen Kieferknochen (spricht man bei Knorpelfischen überhaupt von Knochen – oder heißt das Kieferknorpel?), aber die Namen der einzelnen Objekte (Palatoquadrate (auf Deutsch wohl “Palatoquadratbein”?) usw) ignoriere ich erst mal; sooo sehr wollt ihr die Details ja vermutlich nicht wissen (sonst schaut ins paper). Die Zahnspirale sitzt also im “Unterkiefer” und klappt mit dem auf und zu.
Die Spirale wächst übrigens von Innen nach Außen; die Zähne ganz innen in der Spirale sind also die ältesten, die großen Zähne am Ende sind die jüngsten. Das ist bei heutigen Haien ähnlich, auch da wachsen die Zähne von Innen nach Außen, neue Zähne wachsen im Mund heran, werden dabei größer, während sie nach Vorn wandern und fallen dann am vorderen Ende des Mauls heraus. Auf diesem Foto sieht man das ganz gut:
(Didier Descouens – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons.)
Und was frisst so ein Fisch mit so einer Zahnspirale und wie funktioniert die genau? Dazu wurde die Mechanik des Kiefers im Detail analysiert und überlegt, welcher Zahn bei welcher Stellung des Unterkiefers welche Kräfte ausübt. Dabei muss man unterscheiden, ob der Fisch hartschalige oder eher weiche Beute schnappt – wenn ein Zahn schräg auf eine harte Schale trifft, dann drückt er sie eventuell aus dem Maul heraus, wenn er dagegen schräg auf etwas Weiches trifft, dann wird das dadurch möglicherweise festgehalten oder zerteilt. Hier sehr ihr, wie die Zähne wirken – oben für den Fall unterschiedlich großer harter Schalen, in der Mitte und unten für einen armen weichen Tintenfisch:
Aus Ramsay et al. s.u.
Wie ihr oben seht, wird eine harte Schale durch die Zähne eher aus dem Maul herausgeschoben (der graue Pfeil gibt die resultierende Gesamtkraft an). Ein weicher Tintenfisch dagegen wird von der Spirale zunächst gefasst und dann immer weiter nach innen gerissen. Dabei wird das arme Tier (das dabei auch immer unglücklicher guckt) zwischen den Seiten des Oberkiefers und der Zahnspirale auch noch durchgebogen (die AutorInnen vergleichen das mit einem Dreipunkt-Biegeversuch aus der Materialprüfung).
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