Das alte Bild von Reptilien als dummen Instinktwesen hat ja in letzter Zeit einige Risse bekommen – Krokodile können Werkzeuge benutzen, Chamäleons entpuppen sich als Tiere, die ein Sozialleben haben. Ein neues Experiment setzt noch eins drauf – Reptilien können sich Tricks von anderen abgucken.
Das Experiment verwendet die sehr hübschen Bartagamen:
(Bild von George Chernilevsky, gemeinfrei)
Diese wurden in ein Terrarium gesetzt, das eine Schiebetür aus Draht zu einem Nachbarraum hatte. Hinter der Schiebetür fanden die Agamen als Belohnung einen leckeren Mehlwurm (o.k., ich esse die nicht so schrecklich gern, da geht’s mir ähnlich wie Capt. Picard, aber Bartagamen finden die lecker), so dass sie durchaus eine gewisse Motivation hatten, die Tür auch zu öffnen. Durch die Drahttür hindurch konnten die Tiere außerdem einen Computermonitor sehen.
Hier ein Bild des Versuchsaufbaus:
Aus Kis et al., s.u.
Der Computermonitor diente dazu, den Agamen etwas zum Abgucken zu geben. Die unterschiedlichen Versuchstiere sahen dort drei Filme: Einen, wo eine Agame die Tür nach links aufschob, einen wo sie sie nach rechts aufschob, und einen, wo die Agame einfach rumsaß, während die Tür von allein (naja, da war der oder die ExperimentatorIn im Spiel) aufging. Wenn ihr wollt, könnt ihr die Videos selbst angucken, ihr findet sie auf der Springer-Seite beim “Supplementary material”. Hier ein Bild aus einem der Videos, das die Agame beim Türaufschieben zeigt:
Aus Kis et al., s.u.
Das Versuchsdesign ist insofern clever, weil die Schiebetür nach beiden Seiten aufgeht – wenn also eine Agame die Tür nach rechts aufmacht, während die, die sie vorher im Film sah, sie nach links aufgemacht hat, dann wäre das ein Zeichen dafür, dass sie sich das Aufschieben nicht unbedingt abgeguckt hat.
So war es aber nicht – die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig: Keine der Agamen, die bloß den Film sahen, wo die Tür von allein aufging, schaffte es, die Tür zu öffnen. Von denen, die den Film sahen, schafften es alle mal, allerdings nicht in jedem Versuch (nur ein Agamen-Genie war bei allen 10 Versuchen erfolgreich, die schlechteste Agame schaffte nur 2 aus 10). Und nicht nur das – es gab auch eine deutliche Präferenz dafür (je nach Tier zwischen 2/3 und allen der geglückten Versuche), die Tür genau auf der Seite aufzuschieben, die die Tiere vorher im Film gesehen hatten. Im ersten geglückten Versuch wählten sogar alle Tiere genau diese Seite. Auch die Schiebebewegung, mit der das Tier im Film die Tür geöffnet hatte, wurde nur von den Tieren gemacht, die den Film sahen, während die Kontrollgruppe eine solche Bewegung nie machte (und deswegen ja auch vor geschlossener Tür festsaß). (Ein kleines Problem sehe ich mit dem Kontroll-Video – da ist ein deutlicher Schatten von oben zu erkennen. Die meisten Tiere reagieren ja sehr empfindlich auf solche Schatten – könnte ja ein Raubvogel sein – insofern ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass Tiere, die den Kontrollfilm sahen, etwas verängstigt wurden und sich weniger an die Tür herangetraut haben. Da aber alle Tiere der Kontrollgruppe auch zumindest in einigen Versuchen die Tür berührt haben, kann der Effekt so stark nicht gewesen sein.)
Bevor ihr jetzt aber hofft, der Agame in eurem Terrarium Lassie-artige Kunststücke beibringen zu können – so schlau sind sie nun auch wieder nicht. Es dauerte drei Wochen, um der Agame, die auf dem Film zu sehen war, das Türöffnen beizubringen. Und auch von den Agamen, die die Tür dank des Vorbilds aufbekamen, schafften es ja nicht alle in jedem Versuch. Einen großen Lerneffekt gab es anscheinend auch nicht – die Wahrscheinlichkeit, die Tür im 10. Versuch zu öffnen, war nicht signifikant höher als beim ersten Versuch. So oder so: Bartagamen können sich also durchaus Tricks von anderen abgucken – etwas, das man früher nur Menschen und vielleicht noch einigen wenigen anderen Tieren zugestanden hätte.
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