Die Quantenmechanik ist ja immer für scheinbar verrückte und der Intuition widersprechende Tricks gut. Einer der neuesten (naja, so neu auch nicht, das paper ist vom letzten August, Dank übrigens an Alderamin) besteht darin, ein Objekt zu fotografieren, ohne das Licht, das auf das Objekt fällt, überhaupt zu messen.
Das klingt natürlich völlig absurd – klappt aber trotzdem. Hier erst mal die stichwortartige Kurzerklärung: Der Trick beruht darauf, dass man das Licht (oder genauer gesagt, das Photon), das auf das Objekt fällt, mit einem anderen Photon verschränkt. (Verschränkung ist der quantenmechanische Kniff, bei dem man dafür sorgt, dass Veränderungen an einem Objekt sich an einem anderen zumindest indirekt bemerkbar machen. Ausführlich erklärt im dritten Teil meiner “Quantenmechanik-Verstehen-Serie”, eine kurze Erklärung findet ihr auch in diesem Text über Vögel, die den Trick auch drauf haben.) Je nachdem, ob das erste Photon mit dem Objekt wechselwirkt oder nicht, ändert sich der gemeinsame Zustand, und das kann man dann mit Hilfe des zweiten Photons herausbekommen. Man lässt also ein Photon mit dem Objekt wechselwirken, misst aber hinterher ein anderes. Nett dabei ist, dass die beiden Photonen unterschiedliche Wellenlängen haben können – prinzipiell kann man auf diese Weise ein Objekt mit Photonen fotografieren, für die man gar keinen Detektor hat, der diese Photonen messen kann.
So, das war die Kurzfassung, sozusagen die “Wie erkläre ich es in einer Minute auf einer Party”-Version. Aber wenn ihr glaubt, dass der Artikel jetzt damit zu Ende ist, dann kennt ihr meinen Blog nicht. Um zu erklären, wie das ganze genau funktioniert, hole ich etwas aus. (Ich habe selbst auch eine Weile und etwas Nachhilfe vom physicsforum gebraucht, weil in der Nature-Fassung des Papers leider ein entscheidender Satz der Kürzung zum Opfer viel und ich erst mal in eine völlig falsche Richtung gedacht habe.) Wie üblich beschränke ich mich auf die Prinzipien – der technische Umsetzungskrams ist nix für mich.
Um das Prinzip zu verstehen, schauen wir erst mal ein inzwischen schon fast “klassisches” Experiment an, den quantenmechanischen (ab jetzt wie üblich qm abgekürzt) Bombentester:
„Elizur-Vaidman – Experimental Setup – default“. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Dieses schicke Gerät funktioniert so: Links unten wird ein Photon erzeugt, das dann auf einen halbdurchlässigen Spiegel trifft. (Das bedeutet, dass das Photon mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% durch den Spiegel nach rechts durchgeht und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% nach oben im Bild reflektiert wird.) Das Photon kann jetzt also entweder erst nach rechts und dann nach oben laufen oder erst nach oben und dann nach rechts. (Die Spiegel an den Ecken links oben und rechts unten sind ganz normale Spiegel, die das Photon einfach reflektieren.) Oben rechts ist dann wieder ein halbdurchlässiger Spiegel, so dass das Licht entweder durchgeht oder reflektiert wird.
Stellt man sich das Photon als ein gewöhnliches Teilchen in der klassischen Physik vor, dann gibt es vier Möglichkeiten, je nachdem, was an den beiden halbdurchlässigen Spiegeln passiert: Durchgelassen-durchgelassen, dann landet das Photon im oberen Detektor (das orangene Dings), durchgelassen-reflektiert, so dass das Photon im Detektor rechts landet, oder reflektiert-durchgelassen-Reflektor rechts oder reflektiert-reflektiert – Detektor Oben. Bei einem klassischen Teilchen würden wir also erwarten, dass wir die Hälfte der Teilchen rechts und die Hälfte oben wiederfinden.
Als nächstes betrachten wir das Licht als elektromagnetische Welle – dann wird die Welle an jedem halbdurchlässigen Spiegel in zwei Teilwellen aufgespalten, und am Ende interferieren die beiden Wellen miteinander. Dabei wird der Teil, der im Bild nach oben geht, ausgelöscht, weil die beiden Wellen auf diesem Weg unterschiedlich oft reflektiert werden und die Lichtwelle beim reflektieren ein wenig verschoben wird – das ist die destruktive Interferenz, bei der sich zwei Wellen so überlagern, dass sie sich auslöschen können. Licht landet deshalb nur im Detektor rechts. (Die genaue Abzählerei der Phasenverschiebungen können wir uns hier sparen, es geht nur ums Prinzip.)
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