Jetzt drehen wir das Licht immer schwächer, bis zu jedem Zeitpunkt nur noch ein einzelnes Photon von der Lichtquelle ausgesandt wird. Obwohl man sich das Photon gern als Teilchen vorstellt, bleibt der Interferenz-Effekt erhalten: Das Photon landet immer im Detektor rechts, wie oben im Bild.
Anschaulich sagt man auch gern: “Das Photon geht beide Wege gleichzeitig und interferiert dann mit sich selbst”.
Jetzt nehmen wir den selben Aufbau und bauen ein Hindernis (in diesem Bild etwas schwer zu erkennen, ein blasser Kreis oben in der Mitte) in einen der Lichtwege ein:
„Elitzur-Vaidman – Experimental Setup with object“ von MovGP0 – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elizur-Vaidman_-_Experimental_Setup_-_with_object.png. Lizenziert unter CC0 über Wikimedia Commons.
Wenn das Photon jetzt den oberen Weg geht, dann wird es dort absorbiert. In 50% aller Fälle bekommen wir also gar kein Licht in unseren beiden Detektoren. In den anderen 50% der Fälle bekommen wir Licht – entweder rechts, wenn das Photon am halbdurchlässigen Spiegel reflektiert wurde, oder oben, wenn es nicht reflektiert wurde.
Und das ist der Clou bei diesem Aufbau: stellt euch vor, ihr wisst nicht, ob ein Objekt im Strahlengang oben ist oder nicht. Wenn ihr ein Photon im oberen Detektor findet, dann wisst ihr, dass ein Objekt da war, obwohl das Photon den Weg gar nicht gegangen ist und entsprechend auch nicht mit dem Objekt wechselwirken konnte. Um das noch augenfälliger zu machen, nimmt man gern an, dass es sich bei dem Objekt um eine Bombe handelt, die sofort explodiert, sobald ein Photon auftrifft: Im 50% aller Fälle sieht es schlecht aus für euer Labor, weil die Bombe explodiert, in 25% der Fälle landet ein Photon rechts im Detektor, und ihr wisst nicht, ob die bombe da ist oder nicht, aber in immerhin 25% der Fälle könnt ihr feststellen, dass die Bombe da ist, ohne sie zu zünden. (Mit einem komplizierteren Aufbau kann man die Erfolgsquote des Detektors auch deutlich vergrößern und sie beliebig dicht an den Wert 1 bringen, so dass es sehr unwahrscheinlich wird, dass die Bombe explodiert – ganz unmöglich ist es bei diesem Versuch aber nie.)
Statt eine Bombe zu detektieren, könnt ihr mit dem Aufbau auch ein Bild aufnehmen – nehmt an, ihr wollt einen Schattenriss eines Objektes erzeugen, dann könnt ihr das Objekt im Strahlengang hin und her bewegen und jeweils für jede Position sehen, ob ihr Photonen im oberen Detektor bekommt (dann ist das Objekt im Strahlengang) oder nicht.
Dieser Aufbau ist auch schon einer der Tricks in der neuen Quantenkamera – aber wenn das alles wäre, dann wäre es vermutlich kein Nature-Paper wert gewesen. Das ganze wurde nämlich noch im eine Stufe verkompliziert – die Photonen, die mit dem Objekt wechselwirken (oder auch nicht) werden nämlich gleich weggeworfen und gar nicht betrachtet.
Hier ein vereinfachtes Schema des Versuchsaufbaus (nicht erschrecken, es sieht etwas komplizierter aus als der Bombentester):
Aus Lemos et al., s.u.
Das einfallende Photon kommt von links oben und trifft auf den halbdurchlässigen Spiegel (BS steht hier für “beam splitter”, nicht für Braunschweig und auch nicht für das, was ihr gerade dachtet…). Wenn ihr für einen Moment das ganze Gedöns ignoriert, dann seht ihr, dass der Strahl zwei Wege gehen kann, entweder oben herum bei NL1 und D1, hin zum Spiegel und dann nach unten, oder unten herum, über den Spiegel, vorbei an D2, NL2 und D3. Insofern ist der Aufbau ähnlich wie beim Bombentester.
Aber auch nur so ähnlich. Denn natürlich passiert da noch ein bisschen mehr. Schauen wir erst mal auf den oberen Weg: Dort trifft der grüne Strahl auf NL1. Das ist ein “nicht-linearer Kristall” – ein spezielles Material in der Optik, das eine sehr interessante Eigenschaft hat: Es macht aus einem Photon zwei. Wie das funktioniert, wäre vermutlich einen eigenen Blog-Eintrag wert (dazu müsste ich es aber selbst erst mal ganz genau verstehen…). Ich setze mal gerade meinen Ingenieurs-Hut auf und frage nicht, wie das genau geht, sondern nur, was es macht. Und das ist recht simpel: Das einfallende Photon (aus einem grünen Laser) wird in zwei Photonen konvertiert, nämlich eins im roten (im Bild gelb) und eins im infraroten (im Bild rot) Bereich. Die beiden Photonen haben zusammen genau die Energie des einfallenden Photons und sie sind miteinander quantenmechanisch verschränkt, weil sie ja gleichzeitig erzeugt wurden und man das eine nur mit dem anderen zusammen bekommt.
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