Auch den zweiten Plot muss man zumindest mit Vorsicht genießen – dort ist ja die spezifische Festigkeit aufgetragen. Wie wir oben gesehen haben, ist dies aber in vielen Fällen (nämlich wenn es um Biegung geht) nicht die entscheidende Größe – da ist es die Wurzel aus der Festigkeit, geteilt durch die Dichte. Hätte man die aufgetragen sähe das Ganze schon etwas schlechter aus.

Und dann gibt es noch ein drittes Problem: Hier haben wir also eine hochfeste Legierung mit vielen Ausscheidungsteilchen drin, von denen einige plattenförmig sind. Diese Teilchen sind spröde. Das wirft die Frage auf, wie sich das Material unter Ermüdung verhält – also unter wiederholter Belastung, wie sie in nahezu allen Anwendungen vorkommt. Dort sind solche Ausscheidungen nämlich oft kritisch, weil sich an ihnen kleine Risse bilden, die dann immer weiter wachsen können. Dass man eine solche neue Legierung in nature vorstellen kann, ohne dass das Wort Ermüdung im Artikel auch nur auftaucht, finde ich schon überraschend. (Und soo aufwändig sind Ermüdungsversuche nun auch nicht.)

Trotz dieser kleinen Einwände ist die Idee eines Leichtbau-Stahls aber sicher attraktiv und wird vermutlich zu weiteren Legierungsentwicklungen führen. Vielleicht wird das Material ja irgendwann tatsächlich eingesetzt, und die Fahrradrahmen werden wieder dünner…

                 

Brittle intermetallic compound makes ultrastrong low-density steel with large ductility

Sang-Heon Kim,Hansoo Kim& Nack J. Kim,

Nature 518, 77–79

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Kommentare (9)

  1. #1 Youtomic
    10. Februar 2015

    Schon praktisch wenn man nen bisschen ahnung vom spannungs-dehnungs-diagramm hat 🙂
    Ich denke mal für totale Laien ist der text nicht unbedingt einfach zu verstehen, da ich aber mitlerweile im 2 Ausbildungsjahr industrienechaniker (ehemals schlosser) bin fällt mir das verstehen des textes nicht so schwer

  2. #2 ImNetz
    11. Februar 2015

    @ Martin
    Interessant wäre zu wissen ob schon bekannt ist, wie diese neue Legierung sich in der Fertigung verarbeiten lässt. Solch hohe Legierungsanteile z.B. von Al und Ni müsste bei eventueller Schweißeignung wohl berücksichtigt werden? Wie wird das Verhalten des neuen Werkstoffes bei Temperaturen um oder unter 0 Grad Celsius? Einsatz bei Warmverformung und -Behandlung bei Pressen und Schmieden?

  3. #3 MartinB
    11. Februar 2015

    @Youtomic
    Ja, der Text ist evtl. nicht ganz leicht – ich hoffe, dass man mit denn angegebenen Links trotzdem klarkommt. Wenn nicht weiß ja jeder, wo er nachfragen kann…

    @ImNetz
    Ja, da sind noch sehr viele Frage offen…

  4. #4 krypto
    11. Februar 2015

    Ein anderes Beispiel sind Autofelgen:
    Die Werbung suggeriert gerne, dass Alufelgen nicht nur schick aussehen, sondern auch leichter sind.
    Das letztere ist eben nicht der Fall:
    Gewichtoptimierte Stahlfelgen sind leichter.

  5. #5 MartinB
    11. Februar 2015

    @krypto
    Das Beispiel kannte ch noch gar nicht, danke.

  6. #6 Spritkopf
    11. Februar 2015

    @krypto

    Gewichtoptimierte Stahlfelgen sind leichter.

    Das interessiert mich jetzt aber auch. Hast du dazu nähere Informationen, Links…?

  7. #7 volker
    Waakirchen
    11. Februar 2015

    Ein sehr interessanter Beitrag, danke.
    Die Wahl des optimalen Werkstoffes sollte sich natürlich immer nach der Art der zu ertragenden Beanspruchung richten. Die muss natürlich vorher sorgfältig geklärt werden. Bei unidirektionaler Zugbeanspruchung sind natürlich Fasern wie Carbon oder Aramid unschlagbar. Dazu gibt es bekanntlich einen schicken Kennwert zur Werkstoffeffektivität, die Reißlänge. Sie sagt aus, wie lang ein Materialstab werden kann, bis er durch sein eigenes Gewicht reißt. Sie ist wichtig für alle Festigkeitsbetrachtungen, wobei Festigkeit pro Dichte entscheidend sind.
    Demgegenüber gibt es aber mindestens ebenso viele Bauteile, die wegen mangelnder Steifigkeit versagen, bei Biege-last oder Druck also ausknicken. Dafür gibt es auch einen Materialkennwert für ihre Effektivität, die sogenannte Knicklänge. Sie sagt aus, wie lang ein schlankes Bauteil (Druckstab, Obergurt eines Biegeträgers usw,) werden darf, bevor er unter seinen eigenen Last ausknickt. Hier ist natürlich der E-Modul des Werkstoffes von entscheidender Bedeutung.

    Beispiel: Beim ICE wurden die Zellen der Triebköpfe wegen der hohen Lasten bei geringerer Stützlänge aus hochfestem Stahl gewählt, die längeren Mittelwagen jedoch, wegen der geringeren Auflasten und der-wegen der Fenster- geringeren Querschnitte der Obergurte aus hochfesten, kaltaushärtenden
    Alulegierungen.

  8. #8 Martin Holzherr
    8406 Winterthur
    22. Februar 2015

    MIT-Review berichtet unter Nano-Manufacturing Makes Steel 10 Times Stronger ebenfalls über eine auf der Nanoebene operierenden galvanischen Prozess, der Stahl deutlich fester und auch korrosionsresistenter macht. Dabei werden Dünnschichten (jede mehrere Nanometer dick) verschiedener Zusammensetzung aufgetragen. Der Stahl sei damit bis zu 10 Mal stärker.

    Der Prozess verhindere zudem die Ausbreitung von Mikrorissen wie ein aussenstehender Experte meint:

    David Lashmore, a professor of materials science at the University of New Hampshire who has conducted work in the area, says nano-engineered layers can make a material stronger by stopping cracks from moving through it

    Leider werden hier keinerlei technische Daten zum neuen Material mitgeteilt. Zudem scheint mir das eine reine Beschichtung zu sein. Dass eine Beschichtung die mechanischen Eigenschaften eines Materials grundsätzlich ändern soll, verwundert mich.

    Allgemein finde ich die Berichterstattung in Portalen wie MIT-Review oder physorg recht unkritisch. Es werden kaum eigene Überlegungen angestellt. Nur gerade aussenstehende Experten dürfen ihre Meinung kundtun.

  9. #9 MartinB
    22. Februar 2015

    @Martin Holzherr
    Ja, der Artikel ist sehr nichtssagend. Wennman bedenkt,dass heutige Stähle Zugfestigkeiten bis zu 1,6GPa haben, dann wäre 10 mal stärker schon dicht an der theoretischen Festigkeit eines perfekten Einkristalls. Da bin ich etwas skeptisch