Anschließend nörgelt Herr Fischer gegen das Förderprogramm “Wissenschaft im Dialog”. Ich kann das Programm als solches nicht beurteilen, aber ich stelle schon fest, dass es inzwischen viele Angebote gibt, die es früher nicht gab – hier in Braunschweig zum Beispiel die Kinder-Uni, jedes Jahr TU-day (bzw. TU-night), Ferienprogramme für Kinder, Schülerlabore, Science Shopping etc. Insofern kann ich die Aussage, dass sich nichts bei der Vermittlung verbessert hat, so nicht unterschreiben.

Dann zielt Wormer auf die Forschung:

Die Forschung muss ihre Finanzierung zunehmend rechtfertigen. Deshalb ist ein mächtiges Wissenschaftsmarketing entstanden. Medien müssen nun noch gründlicher nach den Beweisen fragen.

Tja, da schneiden die klassischen Medien leider nicht so gut ab. Wer hat denn zum Beispiel bei den Arsen-Bakterien, den überlichtschnellen Neutrinos oder dem angeblichen Nachweis der Gravitonen in den BICEP2-Experimenten am kritischsten nachgefragt? Das waren im wesentlichen andere Wissenschaftler in Blogs, Tweets und anderen Diskussionen. Und das ist auch nicht verwunderlich – wer nicht gerade eine Ausbildung z.B. in Biochemie hat und die Fachliteratur im Detail kennt, dürfte eher Schwierigkeiten haben, Schwachstellen in Papern aufzudecken. Insbesondere dann, wenn es – wie im Journalismus üblich – auf die Zeit ankommt und Artikel schnell erscheinen müssen, da wird der Journalist kaum Gelegenheit haben, das Paper in Ruhe zu lesen, vielleicht ein paar Quellen nachzuschauen und zu sehen, ob da irgendwo Lücken sind.

Dann geht es noch um das Verhältnis zwischen Journalisten und Wissenschaftlern. Da hören wir dann

Manche Wissenschaftsjournalisten schicken ihre Artikel vor Veröffentlichung zur Kontrolle an Wissenschaftler.

Es hängt sicher davon ab, was für ein Artikel da geschrieben wird – aber wenn es um die Darstellung von Forschungsergebnissen geht, dann ist es vielleicht gar nicht so dumm, mal die Experten zu fragen, ob man beim Schreiben nicht irgendwo einen Fehler gemacht hat. Ich schicke zwar meine Blogartikel zu Papern nicht an die jeweiligen Wissenschaftler, wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich aber schon gerne nach und schicke hinterher einen Link an die Autoren, für den Fall, dass ich Blödsinn geschrieben habe. (Anders als die meisten Online-Medien korrigiere ich allerdings sachliche Fehler in meinen Artikeln auch, wenn jemand welche findet.)

Herr Fischer setzt noch nach

Wir brauchen mehr Journalisten, die auch Nobelpreisträger kritisch hinterfragen und nicht vor ihnen auf die Knie sinken

Auch hier hängt es meiner Ansicht nach davon ab, worum genau es geht – wenn es ums Fachliche geht, dann ist kritisches Hinterfragen des Nobelpreisträgers vermutlich ein wenig albern – das wäre so, als würde ich Graeme Dott ein paar Tipps geben, wie er sein Snookercue halten soll.

Und dann kommt dieser Wortwechsel:

SPIEGEL ONLINE: …Als Argument wird ja gern behauptet, Journalisten wollten in erster Linie Geld verdienen, während Wissenschaftler nur der Wahrheit dienten.

(Lautes Gelächter der drei Wissenschaftler)

Fischer: Wissenschaftler wollen Erfolg, Wissenschaftler wollen eine Frau, ein Hotelzimmer, eine Einladung oder ein Auto!

Erst einmal: Ja, auch Wissenschaftler wollen Geld verdienen. Man muss aber seine Augen und Ohren schon arg vor der Realität verschließen, um so einen Satz angesichts der häufig prekären Lage von Nachwuchswissenschaftlern sagen zu können, ohne rot zu werden. Wenn wir vor allem auf Geld aus wären, würden wir vermutlich andere Jobs haben – die meisten meiner Kommilitonen, die nicht mehr in der Wissenschaft sind, verdienen mehr Geld als ich. (Dafür habe ich den cooleren Job…) Wissenschaftler hangeln sich heutzutage oft von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, immer mit Unsicherheiten, ob neue Projekte bewilligt werden oder ob man wieder umziehen muss (und ich kenne jemanden, der bereits über 60 ist und das immer noch so machen muss). Da ist Geld sicherlich nicht die Hauptmotivation. Erfolg vielleicht schon eher.

Und natürlich wollen Wissenschaftler auch eine Frau, ist klar. Weil, Wissenschaftler sind ja Männer, was sonst. Obwohl ich den Großteil der Diskussion ziemlich absurd und teilweise arg daneben finde, habe ich mich bei diesem Satz mehr aufgeregt als bei jedem anderen. Hallo, liebe Leute, wir sind im 21. Jahrhundert, und ja, da dürfen auch Frauen Wissenschaft betreiben und tun das auch. (Das gesamte Gespräch verwendet keine weiblichen Formen oder Beidnennungen – übrigens auch der Grund, warum ich es in diesem Text ausnahmsweise mal auch so mache; ich stelle fest, dass mir das inzwischen schwer fällt. Aber zu dem Thema schreibe ich vielleicht demnächst noch mal etwas.)

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Kommentare (10)

  1. #1 Florian Freistetter
    21. Februar 2015

    “Wissenschaftskommunikation hat viele Facetten- zu glauben, dass diese alle von Journalisten abgedeckt werden können und dass für alle diese unterschiedlichen Facetten dieselben Regeln gelten könnten, erscheint mir ziemlich abwegig.”

    Dass dieser eigentlich völlig offensichtlich und selbstverständlich Satz unter Journalisten immer noch diskutiert werden muss, überrascht mich eigentlich am meisten…

    Guter Artikel!

  2. #2 werner
    21. Februar 2015

    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten – aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden. Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Warum sind viele sogenannte “Wissenschaftsjournalisten” solche N**ten? Weil sie entweder keine passende Ausbildung haben oder /und in diese Position gedrängt wurden (VORSICHT: Persönliche Meinung). Ein Wissenschaftler mit begrenzt journalistischen Fähigkeiten.

  3. #3 Stefan S.
    22. Februar 2015

    Ich kann mich bei der ganzen Diskussion eigentlich nur Herrn Freistetter anschließen.
    Ein Blog, eine Zeitung, eine Fernsehshow, das sind eben Medien in und mit denen verschiedenes gemacht werden kann.
    Es kann dort Journalismus stattfinden, oder eben nicht.
    Insofern ist diese Diskussion in meinen Augen auch ein wenig überflüssig.

    “Fischer: Wissenschaftler wollen Erfolg, Wissenschaftler wollen eine Frau, ein Hotelzimmer, eine Einladung oder ein Auto!”

    Ich verstehe nicht ganz was am Streben nach Erfolg so schlimm sein soll? Beziehungsweise was ist so toll an vollkommener Selbstlosigkeit?

    Natürlich wollen Wissenschaftler alle eine Frau.
    Denn sie sind entweder Männer (wie schon erwähnt wurde) oder wohl lesbisch.
    Und natürlich tun Männer das was sie tun aus keinem anderen Grund als irgendwann mal eine Frau zu bekommen.
    (ich bin irgendwie ziemlich unzufrieden mit dieser Ausdrucksweise, das hört sich so an als könne man eine Frau besitzen)

  4. #4 DasKleineTeilchen
    22. Februar 2015

    “debatte”, harhar: eigentlich isses doch so; ein ehemaliges nachrichtenmagazin, das nur ein schatten vergangener tage ist, über dessen berichterstattung wahlweise gelacht oder sich geärgert, aber nicht wirklich mehr ernstgenommen wird, hält ein stöckchen hin, und ein paar springen drüber, weil sie sich über die grottenschlechte simplifizierung und plattester pseudo”kritik”, insbesondere an wissenschaftsblogs, und der daraus resultierenden subjektiven wahrnehmung von “wissenschaftsjournalismus-in-blogs-gibt-es-eigentlich-nicht” quasie als fakt darstellend, zu recht aufregen. daß martin auf so einen bullshit eigentlich keinen nerv hat, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern geboten. ps. daß frau Lüthje im interview genau *dreimal* zu wort kommt, muss vor dem hintergrund bezüglich, was wissenschaftler angeblich “wollen”, schon fast nicht mehr kommentiert werden. blome leistet offenbar ganze arbeit seit seinen wechsel von BLÖD zum SPEICHEL als chefredakteur des “hauptstadtbüros”.

  5. #5 MX
    22. Februar 2015

    Warum kann ich um eine Kanne herumsprechen, aber nicht herumgucken?

    Warum du das nicht kannst, weiß ich nicht, ich kann es, gerade experimentell getestet. Ich muss nur den Kopf etwas bewegen 😉

    Guter Blogartikel zu einer seltsamen “Debatte”.

  6. #6 MartinB
    22. Februar 2015

    @MX
    Damit gebührt dir die goldene rasierklinge für die erfolgreichste Haarspaltung des Tages.

  7. #7 CM
    22. Februar 2015

    Vielen Dank für diesen sprachlich und logisch feinen Beitrag!

    @werner
    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten … Umgekehrt gilt dasselbe – ja, und? Und gibt es “geborene Journalisten”? Nein! – Ja, und?

    … aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden.
    Also, was mich anbelangt: Ich ertrinke in der Arbeit, meine eigentliche Arbeit zu machen und anderen Wissenschaftlern beizubringen besser wissenschaftlich zu Arbeiten. Dabei sollen ich und meinesgleichen auch noch einen zweiten Job machen? Wie denn?

    Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Das allerdings kann man so sehen und sehe ich auch so ähnlich (wobei ich das Element des Wollens hinzunehmen würde), woraus ich entnehme, dass es Dir vornehmlich um Wissenschaftskommunikation und weniger um Journalismus geht. Das Problem hierbei ist an den PR-Abteilungen führt nur ein Weg vorbei: Der privaten Initiative (z. B. über einen Blog wie diesen oder sich anheuern zu lassen und im TV zu sprechen oder meinetwegen in der Bütt etc.). Deshalb ja: Die institutionelle Unterstützung in Hinblick auf Wissenschaftskommunikation ist stark verbesserungswürdig. – Aber auch ein Thema für sich.

  8. […] Mutterschiff Wissenschaft im Dialog sich ja seit einigen Tagen dem unberechtigten Vorwurf einiger Wissenschaftsautoren ausgesetzt sehen, durch moderne Formen der Wissenschaftskommunikation im Vergleich zum […]

  9. #9 Hertha Kerz
    Hamburg
    15. März 2015

    Die Wissenschaftsjournalismusdebatte ist wichtig! Allerdings aus einem anderen Grund: Häufig schreiben Journalisten Dinge, die in sich falsch sind, weil sie den Auftrag vom Chefredakteur bekommen haben – nicht, weil sie vom Thema etwas verstehen. Und dann weigern sie sich, den Wissenschaftler noch einmal zu fragen, ob die Sache inhaltlich (inhaltlich) richtig ist. Viele bekommen irgendwie nicht mit, dass (sie) oft etwas anderes hören / verstehen, als gesagt / gemeint war. Deshalb bezweifle ich extrem stark, dass einer der Wissenschaftler sich darüber lustig gemacht hat, als SPON sagte: “Manche Wissenschaftsjournalisten schicken ihre Artikel vor Veröffentlichung zur Kontrolle an Wissenschaftler. Ist manchen die Zustimmung von Forschern wichtiger als unabhängige Berichterstattung?” Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Herr Fischer diese Antwort “So ist es wohl leider oft”, gegeben hat. Dazu kommt, dass ein Interview mit drei Interviewpartnern mindestens 45, eventuell sogar 90 Minuten dauert. Wer es also genau wissen will, sollte die Herren und die Dame selbst fragen, was dort gesprochen wurde – und vor allem: In welchem Zusammenhang…….
    H. Kerz
    Wissenschafts- / Industriejournalistin

  10. #10 flato
    26. Oktober 2015

    Ich tu mir das aus einfachem Grund nicht an: Zeitverschwendung

    Das digitale Altpapier von SPON hat in der Druckversion 11,3kB aber dieser Senf 16,6kB- Das ist vielzuviel Aufregung um heiße Luft + es gibt Produktiveres als Journaille. also nichteinmal ignorieren ツ