Und wieso eigentlich Hotelzimmer? Weil ich auf Konferenzen im Hotel wohnen darf? Ganz ehrlich, nach einer Weile wird das ziemlich langweilig, und die Reisekostensätze sind auch nicht gerade so üppig, dass ich mir davon Luxushotels gönnen könnte. Man mag darüber spotten, aber ich denke, die meisten Wissenschaftler (und gerade junge, die in prekären Verhältnissen arbeiten) haben tatsächlich eine idealistische Einstellung zu ihrem Beruf.

Und dann kommt eins der Highlights:

SPIEGEL ONLINE: Können vielleicht Forscher-Blogs die Wissenschaft besser kontrollieren?

Lüthje: Wohl kaum. Die meisten Forscher haben Angst, kritisch zu bloggen

Markus Pössel hat dazu schon das wichtigste gesagt. Arsenbakterien, BICEP2, oder auch die neue Spinosaurus-Rekonstruktion – die Debatte dazu fand nicht in Zeitungen statt.

Und dann kommt der Satz “Blogs sind meinungsstärker und quellenärmer als Massenmedien.”, zu dem Florian ja schon das wichtigste gesagt hat – ich habe beim Lesen meinen Augen nicht getraut. Schon mal nen Zeitungsartikel mit echten Literaturquellen gesehen? Kommt ja eher selten vor, meist muss man sich über den Namen der beteiligten Wissenschaftler und deren Uni zur Pressemitteilung der Uni und von dort zum Artikel durchhangeln.

Insgesamt entsteht bei mir der Eindruck, als wollten die Wissenschaftsjournalisten in diesem Gespräch beides: Einerseits beharren sie darauf, dass die Darstellung der Wissenschaft mindestens so anspruchsvoll ist wie die Ausübung der Wissenschaft selbst und dass man das den Experten überlassen soll. Anderseits wollen sie aber die Wissenschaftler kritisieren, prüfen und hinterfragen, was ja voraussetzt, sie würden auch wissenschaftlich zu 100% auf der Höhe sein. Und dann wiederum sprechen sie umgekehrt den Wissenschaftlern die Befähigung ab, selbst Wissen zu vermitteln. “Wir können beides, aber ihr nicht”? Da schwingt schon eine gehörige Portion Arroganz mit.

Und die ganz großen Wissenschaftsvermittler sind auch meist selbst Wissenschaftler und haben auch wissenschaftlich gearbeitet. Hoimar von Dithfurth war habilitierter Mediziner, Isaac Asimov Bio-Chemiker, Carl Sagan Astronom (das sind die drei großen Vermittler aus meiner Jugend). Heute haben wir Harald Lesch (Astrophysiker) und Ranga Yogeshwar (Physiker, der allerdings nie in der Forschung gearbeitet hat). Das spricht auch nicht gerade für die These, dass Wissenschaftler schlechter zum Vermitteln von Wissenschaft geeignet sind als Journalisten.

Ein schönes Beispiel dafür, was Journalismus (nicht) leisten kann, ist der Nobelpreis für Peter Higgs. In den meisten Medien (auch im Spiegel) konnte man lesen, dass er den Preis für die Vorhersage des Higgs-Teilchens bekommen hat – wer diesen Blog fleißig liest, weiß, dass das falsch ist (siehe den Link). Ich habe damals geschrieben “Deswegen kann man in diesem Fall auch niemandem einen Vorwurf machen, der das falsch versteht, auch wenn ich ja sonst gern WissenschaftsjournalistInnen kritisiere…”, denn die Darstellung des Nobelpreiskommittees suggeriert das schon. Wenn aber die Wissenschaftsjournalisten für sich in Anspruch nehmen wollen, fachlich in der selben Liga zu spielen wie die Wissenschaftler selbst, dann müssen sie sich natürlich schon fragen lassen, warum sie nie in das Originalpaper von Higgs reingeschaut haben um zu sehen, dass da von der elektroschwachen Wechselwirkung nichts drin steht, oder warum ihnen nicht aufgefallen ist, dass man Anfang der 60er Jahre kaum ein Teilchen hätte vorhersagen können, das in einer Theorie gebraucht wurde, die erst einige Jahre später aufgestellt wurde.

Und (Wissenschafts-)Journalisten verdanken wir ja auch so schön absurde Rechnungen wie diese hier, die Erklärung, dass in Naturprodukten keine Chemie drin ist, wie die Schwerelosigkeit funktioniert, oder auch diesen Klassiker. Solange ich solche Dinge mit Regelmäßigkeit lese (und gerade die Zeit ist ja kein Medium, bei dem man schlechte oder oberflächliche Recherche erwarten sollte), kann ich nicht so recht glauben, dass es gerade Wissenschaftsjournalisten sein sollen, die eine Kontrollfunktion für die Wissenschaft ausüben können.

Vielleicht könnten Wissenschaftsjournalisten als Gegengewicht gegen die Hybris mancher Pressemitteilungen dienen – das wäre ja gar nicht verkehrt. Im Moment fallen mir dafür aber keine Beispiele ein.

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Kommentare (10)

  1. #1 Florian Freistetter
    21. Februar 2015

    “Wissenschaftskommunikation hat viele Facetten- zu glauben, dass diese alle von Journalisten abgedeckt werden können und dass für alle diese unterschiedlichen Facetten dieselben Regeln gelten könnten, erscheint mir ziemlich abwegig.”

    Dass dieser eigentlich völlig offensichtlich und selbstverständlich Satz unter Journalisten immer noch diskutiert werden muss, überrascht mich eigentlich am meisten…

    Guter Artikel!

  2. #2 werner
    21. Februar 2015

    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten – aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden. Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Warum sind viele sogenannte “Wissenschaftsjournalisten” solche N**ten? Weil sie entweder keine passende Ausbildung haben oder /und in diese Position gedrängt wurden (VORSICHT: Persönliche Meinung). Ein Wissenschaftler mit begrenzt journalistischen Fähigkeiten.

  3. #3 Stefan S.
    22. Februar 2015

    Ich kann mich bei der ganzen Diskussion eigentlich nur Herrn Freistetter anschließen.
    Ein Blog, eine Zeitung, eine Fernsehshow, das sind eben Medien in und mit denen verschiedenes gemacht werden kann.
    Es kann dort Journalismus stattfinden, oder eben nicht.
    Insofern ist diese Diskussion in meinen Augen auch ein wenig überflüssig.

    “Fischer: Wissenschaftler wollen Erfolg, Wissenschaftler wollen eine Frau, ein Hotelzimmer, eine Einladung oder ein Auto!”

    Ich verstehe nicht ganz was am Streben nach Erfolg so schlimm sein soll? Beziehungsweise was ist so toll an vollkommener Selbstlosigkeit?

    Natürlich wollen Wissenschaftler alle eine Frau.
    Denn sie sind entweder Männer (wie schon erwähnt wurde) oder wohl lesbisch.
    Und natürlich tun Männer das was sie tun aus keinem anderen Grund als irgendwann mal eine Frau zu bekommen.
    (ich bin irgendwie ziemlich unzufrieden mit dieser Ausdrucksweise, das hört sich so an als könne man eine Frau besitzen)

  4. #4 DasKleineTeilchen
    22. Februar 2015

    “debatte”, harhar: eigentlich isses doch so; ein ehemaliges nachrichtenmagazin, das nur ein schatten vergangener tage ist, über dessen berichterstattung wahlweise gelacht oder sich geärgert, aber nicht wirklich mehr ernstgenommen wird, hält ein stöckchen hin, und ein paar springen drüber, weil sie sich über die grottenschlechte simplifizierung und plattester pseudo”kritik”, insbesondere an wissenschaftsblogs, und der daraus resultierenden subjektiven wahrnehmung von “wissenschaftsjournalismus-in-blogs-gibt-es-eigentlich-nicht” quasie als fakt darstellend, zu recht aufregen. daß martin auf so einen bullshit eigentlich keinen nerv hat, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern geboten. ps. daß frau Lüthje im interview genau *dreimal* zu wort kommt, muss vor dem hintergrund bezüglich, was wissenschaftler angeblich “wollen”, schon fast nicht mehr kommentiert werden. blome leistet offenbar ganze arbeit seit seinen wechsel von BLÖD zum SPEICHEL als chefredakteur des “hauptstadtbüros”.

  5. #5 MX
    22. Februar 2015

    Warum kann ich um eine Kanne herumsprechen, aber nicht herumgucken?

    Warum du das nicht kannst, weiß ich nicht, ich kann es, gerade experimentell getestet. Ich muss nur den Kopf etwas bewegen 😉

    Guter Blogartikel zu einer seltsamen “Debatte”.

  6. #6 MartinB
    22. Februar 2015

    @MX
    Damit gebührt dir die goldene rasierklinge für die erfolgreichste Haarspaltung des Tages.

  7. #7 CM
    22. Februar 2015

    Vielen Dank für diesen sprachlich und logisch feinen Beitrag!

    @werner
    Viele Wissenschaftler sind nun mal nicht die geborenene Journalisten … Umgekehrt gilt dasselbe – ja, und? Und gibt es “geborene Journalisten”? Nein! – Ja, und?

    … aber ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaftler, die sich dazu berufen fühlen, journalistisch tätig werden.
    Also, was mich anbelangt: Ich ertrinke in der Arbeit, meine eigentliche Arbeit zu machen und anderen Wissenschaftlern beizubringen besser wissenschaftlich zu Arbeiten. Dabei sollen ich und meinesgleichen auch noch einen zweiten Job machen? Wie denn?

    Nicht jeder hat die Gabe, sich vor ein Publikum zu stellen und öffentlichkeitswirksam über trockene Themen zu plaudern. Aber die, die es können, sollten von der Wissenschaftsgemeinde aktiv gefördert werden. Das allerdings kann man so sehen und sehe ich auch so ähnlich (wobei ich das Element des Wollens hinzunehmen würde), woraus ich entnehme, dass es Dir vornehmlich um Wissenschaftskommunikation und weniger um Journalismus geht. Das Problem hierbei ist an den PR-Abteilungen führt nur ein Weg vorbei: Der privaten Initiative (z. B. über einen Blog wie diesen oder sich anheuern zu lassen und im TV zu sprechen oder meinetwegen in der Bütt etc.). Deshalb ja: Die institutionelle Unterstützung in Hinblick auf Wissenschaftskommunikation ist stark verbesserungswürdig. – Aber auch ein Thema für sich.

  8. […] Mutterschiff Wissenschaft im Dialog sich ja seit einigen Tagen dem unberechtigten Vorwurf einiger Wissenschaftsautoren ausgesetzt sehen, durch moderne Formen der Wissenschaftskommunikation im Vergleich zum […]

  9. #9 Hertha Kerz
    Hamburg
    15. März 2015

    Die Wissenschaftsjournalismusdebatte ist wichtig! Allerdings aus einem anderen Grund: Häufig schreiben Journalisten Dinge, die in sich falsch sind, weil sie den Auftrag vom Chefredakteur bekommen haben – nicht, weil sie vom Thema etwas verstehen. Und dann weigern sie sich, den Wissenschaftler noch einmal zu fragen, ob die Sache inhaltlich (inhaltlich) richtig ist. Viele bekommen irgendwie nicht mit, dass (sie) oft etwas anderes hören / verstehen, als gesagt / gemeint war. Deshalb bezweifle ich extrem stark, dass einer der Wissenschaftler sich darüber lustig gemacht hat, als SPON sagte: “Manche Wissenschaftsjournalisten schicken ihre Artikel vor Veröffentlichung zur Kontrolle an Wissenschaftler. Ist manchen die Zustimmung von Forschern wichtiger als unabhängige Berichterstattung?” Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Herr Fischer diese Antwort “So ist es wohl leider oft”, gegeben hat. Dazu kommt, dass ein Interview mit drei Interviewpartnern mindestens 45, eventuell sogar 90 Minuten dauert. Wer es also genau wissen will, sollte die Herren und die Dame selbst fragen, was dort gesprochen wurde – und vor allem: In welchem Zusammenhang…….
    H. Kerz
    Wissenschafts- / Industriejournalistin

  10. #10 flato
    26. Oktober 2015

    Ich tu mir das aus einfachem Grund nicht an: Zeitverschwendung

    Das digitale Altpapier von SPON hat in der Druckversion 11,3kB aber dieser Senf 16,6kB- Das ist vielzuviel Aufregung um heiße Luft + es gibt Produktiveres als Journaille. also nichteinmal ignorieren ツ