Ihr könnt aber tatsächlich ein Stück des Weges sparen, wenn ihr auf eurer Route ein Stück weiter nördlich lauft, dann werdet ihr dort ja größer – entsprechend müsst ihr weniger Schritte machen (falls kleine zweidimensionale Kreiswesen schreiten können). Es wäre deshalb klüger, ihr würdet etwa diesen Weg hier gehen:
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ihr wisst ja nichts davon, dass eure Welt so ein seltsames Temperaturfeld hat, das alles verzerrt. Für euch ist dieser Weg eine Gerade, weil es der kürzeste Weg zwischen Start und Ziel ist (auch wenn jemand, der von Außen auf eure Welt guckt, das anders sieht). Von dem seltsamen Temperaturfeld, das alle Maßstäbe verzerrt, wisst ihr nichts.
Für euch sieht eure Welt anders aus – auf ihr gibt es vielleicht Meere oder Felder oder Wälder (ich wollte gerade “Berge” schreiben, aber zweidimensionale Berge sind nicht so leicht vorstellbar (wir kommen aber noch drauf…); eure Meere müssen auch irgendwie vorm Auslaufen geschützt werden, aber über solche Details mache ich mir keine Sorgen (das ist ja das Vorrecht theoretischer Physikerinnen). Eine einigermaßen detailliert ausgearbeitete 2D-Welt findet ihr in diesem Roman beschrieben.)
Machen wir eure Welt also ein wenig hübsch und stellen wir sie uns so vor:
Bild von Stefan Kühn (Eigenes Werk), CC-BY-SA-3.0 oder CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 via Wikimedia Commons
Hier seht ihr die unterschiedlichen Länder und Meere eurer Welt und ihr seht auch, wie sich eure Größe verändert, je nachdem, wo ihr gerade seid.
Natürlich dürfte euch das Bild oben bekannt vorkommen – es ist die übliche Mercator-Projektion der Erde, die meist für Karten verwendet wird. Diese Kartenprojektion hat den Vorteil, dass sie winkeltreu ist – das bedeutet, dass ihr auf der Karte bei Objekten (wie beispielsweise Ländern) Winkel ausmessen könnt und diese auch genau den tatsächlichen Winkeln auf der Erdoberfläche entsprechen.
Unsere Erdoberfläche ist aber bekanntlich keine heiße Platte, bei der man an verschiedenen Orten schrumpft oder wächst, sondern sie ist die Oberfläche einer Kugel. So sieht sie eigentlich aus (wobei wieder die gleichen Kreise eingezeichnet sind, die für unsere 2-dimensionalen Wesen stehen):
von Stefan Kühn (Eigenes Werk), CC-BY-SA-3.0 oder CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 via Wikimedia Commons
Wenn ihr tatsächlich ein zweidimensionales Kreiswesen seid, dann gibt es für euch keine Möglichkeit, die Situation auf der Kugeloberfläche von der mit der Ebene mit Temperatur irgendwie zu unterscheiden. Dass wir das können liegt daran, dass wir dreidimensional sind und die Erde von Außen vermessen können – historisch war es ja genau so, dass die Beobachtung von Schiffen am Horizont, bei denen man zuerst die Masten sieht, die Krümmung der Erdoberfläche nahegelegt haben. Licht folgt eben nicht der Erdoberfläche.
Ihr könnt jetzt einwenden, dass ihr den Unterschied aber daran bemerken könnt, dass ihr bei einer Kugel einmal wie einst Magellan um die Welt herumsegeln könnt. Das ist auch richtig, aber das geht eben nur dann, wenn eure Kugel klein genug ist, dass das geht. Die Ebene mit Temperaturfeld oder die Kugeloberfläche sollen aber ja den gesamten Raum darstellen, in dem wir leben, also das ganze Universum. Da können wir nicht mal eben schnell einmal drum herumsegeln (zumal sich das Weltall ja auch noch ausdehnt). (Selbst dann könten wir prinzipiell die Weltkarte immer noch zu einem Zylinder aufrollen und dann zumindest von Ost nach West drum herumsegeln; der Nordpol ist allerdings etwas kniffliger.)
Eure zweidimensionale Welt ist im Moment ja noch ganz gleichmäßig gekrümmt (auch wenn wir das der Ebene mit dem Temperaturfeld oben nicht wirklich ansehen). Wir können aber natürlich prinzipiell auch lokale Änderungen der Temperatur zulassen. Wenn es in einem Bereich zum Beispiel kälter ist als in der Umgebung, dann schrumpft dort lokal alles zusammen, so dass der gerade Weg durch diesen Bereich länger ist als ein Weg drum herum erwarten lässt. Im Bild unserer Kugel ist das gerade ein Berg – der Weg über einen Berg ist eben länger als der gerade Weg, der mitten durch den Berg hindurchführen würde. (Jetzt haben wir also doch noch Berge eingebaut – wobei die Berge allerdings genausogut auch Täler sein können, das lässt sich auf diese Weise erst einmal nicht unterscheiden.)
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