Im Moment beschäftige ich mich ja mit der Krümmung von Raum und Zeit, also der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). In den ersten beiden Teilen haben wir gesehen, dass man sich die Raumkrümung alternativ auch mit Hilfe eines Gravitationsfeldes veranschaulichen kann, weil das feld Maßstäbe verzerrt. Aber wie ist es mit der Zeit? Dass ein Feld eine Art Kraft ausübt und damit Maßstäbe verzerren kann, lässt sich ja noch irgendwie vorstellen. Aber wie schafft es ein Feld, die Zeit zu beeinflussen?
Anmerkung: Ich habe mir beim Schreiben dieses Artikels (den ich schon vor zwei Wochen angefangen habe) erst mal ein paar Gedanken gemacht, die nicht ganz zielführend sind. Ich lasse die hier einfach mal stehen; vielleicht ist es ja ganz interessant zu sehen, wie sich meine Gedanken entwickelt haben. Wenn euch das nicht interessiert, könnt ihr zum Abschnitt “Nochmal ganz anders” weiterspringen.
Erste Gedanken
Im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie ist die Sache eigentlich ganz einfach: Unterschiedliche Beobachterinnen (*) nehmen Raum und Zeit unterschiedlich wahr – euer Raum wird (zumindest teilweise) zu meiner Zeit und umgekehrt (Ereignisse, die für euch gleichzeitig in großer Entfernung stattfinden, sind für mich nicht gleichzeitig, aber dichter benachbart). Wenn ein Feld also den Abstand zwischen Dingen beeinflussen kann, dann muss es auch den Zeitablauf dieser Dinge beeinflussen können. (Tatsächlich ist es mehr oder weniger Standard, die Gleichungen der ART unter anderem dadurch zu motivieren, dass man den klassischen Grenzfall einer stillstehenden Masse nach Newton verwendet und dann überlegt, wie diese Gleichung in unterschiedlichen Bezugssystemen aussieht – so legt zum Beispiel das Buch von Misner Thorne Wheeler die Proportionalitätskonstante zwischen Einstein-Tensor und Energie-Impuls-Tensor fest.)
*Ja, wie beim letzten Mal mit “generischem” Femininum – alle, die sich darüber aufregen wollen, klicken heute hier.
So richtig befriedigend ist das aber natürlich nicht, auch wenn es vom physikalischen Standpunkt aus natürlich eine ziemlich wasserdichte Herleitung ist – immerhin ist die spezielle Relativitätstheorie verdammt gut bestätigt. Zumindest ein bisschen würde man gern eine Anschauung bekommen, warum sich Zeiten ändern sollen.
In einem Gravitationsfeld gehen Uhren langsamer als weit von diesem Feld entfernt. Das ist eine Folgerung aus der ART, die auch experimentell gut bestätigt ist. Wie sorgt nun also ein Feld dafür, dass eine Uhr langsamer geht?
Eine Möglichkeit, sich das zu überlegen, ist, sich eine konkrete Uhr anzugucken. Am besten nicht gerade die Uhr mit dem Pendel aus eurem Wohnzimmer – die verwendet ja schon die Schwerkraft, um die Zeit zu messen, da wird es dann schwierig zu sehen, welchen Einfluss ein Schwerefeld auf die Uhr haben soll. Wir können aber ja zum Beispiel eine Atomuhr nehmen. Technisch werden meistens Cäsium oder Rubidium verwendet, es geht aber auch mit Wasserstoffatomen. Wird ein Wasserstoffatom energetisch angeregt, so wird ein Elektron in einen Zustand höherer Energie gehoben. Beim Zurückfallen in den Grundzustand sendet es dann Licht mit einer charakteristischen Frequenz aus. Diese Frequenz (die Zahl der Schwingungen der Lichtwelle pro Sekunde) können wir nehmen, um eine Uhr zu konstruieren.
Das Feld, das den Raum verzerrt, beeinflusst auch das elektrische Feld des Atomkerns. Zusätzlich hat ein Elektron in einem Schwerefeld eine etwas kleinere Energie als außerhalb (Dinge gewinnen ja Energie, wenn sie nach unten fallen). Da Energie und Masse zusammenhängen, ändert sich im Schwerefeld also auch die Masse eines Elektrons. Mit diesen Überlegungen lässt sich ausrechnen, dass sich die charakteristische Frequenz des Wasserstoffatoms ändert, und zwar genau so, wie es der Zeitdilatation nach der ART entspricht.
Expertinnenhinweis: Die detaillierte Rechnung findet man in diesem paper. Ich muss allerdings zugeben, dass mir einiges nicht klar ist – insbesondere habe ich keinen Schimmer, von welchem Himmel die Gleichung (41) fällt und warum die effektive Masse des Elektrons im Schwerefeld größer sein soll als außerhalb. Falls jemand das durchschaut, hinterlasst einen Kommentar.
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