Für diese Weiterleitung ist die einfache Wärmeleistung aber eben einfach nicht schnell genug – dazu braucht es einen schnelleren Energietransport. Und hier kommt der Schall ins Spiel: Die Schallgeschwindigkeit in einem Metall ist ja ziemlich hoch (etwa 5000m/s in Stahl). Wenn also ein Teil der Energie in Schwingungen des Rads und damit in Schall überführt wird, dann fällt die Temperaturerhöhung entsprechend geringer aus.
Durch die Bremse wird das Rad also in Schwingungen versetzt; dabei wird Schallenergie frei, die dann über die Achse an den Rest des Zuges weitergeleitet wird, wo sie schließlich absorbiert werden kann. Sowohl die Bremsen selbst als auch die Räder werden deshalb so ausgelegt, dass beim Reiben der Bremsen das Rad in akustische Schwingungen gerät. Ein Teil der Schallenergie wird dabei aber eben auch an die Umgebungsluft übertragen, was zum unerwünschten Quietschen gehört.
Dass das Quietschen so eine schrecklich hohe Frequenz hat, mag auf den ersten Blick (oder das erste Hören) überraschen. So ein Rad hat einen Durchmesser von etwa einem Meter und sollte damit eigentlich ja eine entsprechend tiefe Schallfrequenz haben (so wie in großer chinesischer Gong vielleicht). Das ist jedoch nicht der Fall – dadurch, dass das Rad am unteren Ende aufliegt, ist die Schwingungsmode mit der niedrigsten Frequenz blockiert; entsprechend kommt es zu Anregungen mit höheren Schwingungen. Mathematisch verwendet man hier (wie immer bei Schwingungen von zylindrischen Objekten) die fiesen Bessel-Funktionen zweiter Gattung. Für ein Rad lautet die entsprechende Formel:
Dabei ist λ die sich ergebende Wellenlänge der Schwingung und r der Radius des Rads. Setzt man Werte für den ICE ein und löst die Gleichung (das macht man numerisch mit einem Verfahren, das den schönen Namen “Quaternionen-Tangenten-Schätzung” trägt), ergibt sich eine Schallfrequenz von 1,042015 kilo-Hertz, was im deutlich unangenehm hohen Bereich liegt.
Auch wenn das Quietschen also sehr unangenehm ist, ist es für die Funktion der Bremsen leider notwendig. Trotzdem gibt es Ideen, das Quietschen zu reduzieren. Eine Möglichkeit dazu ist das Nitrieren von Stahl: Dabei werden Stickstoffatome an der Oberfläche eingebracht, die sich ebenfalls ins Atomgitter quetschen. Stickstoff hat jetzt die Eigenschaft, Schwingungen innerhalb des Materials zu dämpfen (das liegt daran, dass beim Stickstoff ja eine Teil-Elektronenschale (ein p-Orbital) mit zwei Elektronen besetzt ist; diese Elektronen können gegeneinander in Schwingungen geraten und so Energie aufnehmen, die dann als Wärme abgegeben wird), so dass die Schallwelle nicht mehr an der Oberfläche, sondern nur im Inneren weitergeleitet wird und so die Abstrahlung in die Luft unterdrückt wird. Bisher wird das Verfahren noch nicht serienmäßig angewandt, weil es zu teuer ist; momentan wird aber nach wegen gesucht, das Einbringen von Stickstoff auch in große Räder günstiger zu gestalten.
Kommentare (27)