Natürlich beschränkt man sich in einer wissenschaftlichen Arbeit (anders als in einem Blogartikel) nicht darauf, einfach bloß hinzugucken und das Magengrubengefühl sprechen zu lassen, um das Aussehen eines Dinos zu beurteilen. Stattdessen trägt man die bekannten Dinos hübsch in eine Grafik ein, in der die Größe der Hörner aufgetragen ist:
Aus Brown&Henderson, s.u.
In Rot sind die Centrosaurinae aufgezeichnet, in blau die Chasmosaurier. Die beiden unterschiedlichen Blautöne kennzeichnen die Zeit, zu der die jeweiligen Centrosaurier gelebt haben: hellblau ist das etwas ältere “Campanium”, dunkelblau das zeitlich jüngere “Maastrichtium” (an dessen Ende die Dinos – mit Ausnahme der Vögel – ausstarben). Ihr erkennt, dass die Chasmosaurier eine deutliche Entwiclung hin zu längeren Augen-Hörnern und verkürzten Nasenhörnern machten (die Skala auf den Achsen ist logarithmisch, die Hörner oben in der Grafik sind also viiiieeel länger als die unten). Regaliceratops (der blaue Stern) fällt aber deutlich aus dem Rahmen: Sein Nasenhorn ist lang, seine Augen-Hörner sind für einen Chamsosaurier aus dem Maaastrichtium deutlich zu kurz.
Was kann man aus diesem neuen Fossil lernen? Zunächst einmal gibt es genauere Aufschlüsse über die Evolution der Knochenkragen – die deutlich ausgeprägten Verzierungen (vornehm “epiparietal”) am Knochenkragen können mit denen anderer Horndinos verglichen werden. (O.k., das ist schon ziemlich speziell – so speziell, dass die Autorinnen die detaillierte Diskussion in das “supplementary material” verbannt haben. Ich finde es trotzdem interessant). Dieses Bild zeigt die Knochenkragen (oder ist der Plural “Knochenkrägen”?) von Triceratops, Regaliceratops, Anchiceratops und Pentaceratops:
Aus Brown&Henderson, s.u.
Ihr seht, dass Triceratops ein Epiparietal genau auf der Mittelachse sitzen hatte, während das bei Anchiceratops und Pentaceratops nicht der Fall war. Bisher war man davon ausgegangen, dass diese beiden das mittlere Epiparietal eben einfach nicht hatten und hat das jeweils erste rechts und links von der Mitte mit dem entsprechenden beim Triceratops identifiziert. Diese Einteilung seht ihr links als “klassisches Homologie-Schema”. Mit Regaliceratops in der Analyse zeigt sich jedoch, dass man mit deutlich weniger Evolutionsschritten auskommt, wenn man stattdessen annimmt, dass das jeweils erste Ornament rechts und links der Mitte äquivalent zum mittleren Ornament beim Triceratops und Regaliceratops ist. Falls ihr euch jetzt fragt, wozu das wichtig sein soll: Wenn man die Verwandtschaft von Dinos analysieren will, dann muss man natürlich die richtigen Strukturen vergleichen. Stellt euch vor, ihr findet einen Dinos mit ungewöhnlichen Strukturen an einem der Ornamente. Um den richtig mit den anderen in Beziehung zu setzen, muss man eben wissen, welches Ornament bei anderen Dinos diesem neuen ungewöhnlichem Teil entspricht (diese Entsprechung von Körperteilen bei unterschiedlichen Arten nennt man “Homologie”). Insofern ist zumindest für die Fachleute diese neue Einteilung der Knochenornamente durchaus wichtig.
Besonders interessant ist natürlich die Frage, warum Regaliceratops generell eher so aussah, wie wir es von Centrosauriern kennen. Zur zeit als Regaliceratops lebte, gab es keine Centrosaurier mehr (die starben am Ende des Campaniums aus – deswegen gab es für die oben auch nur eine Farbe im Bild). Regaliceratops entwickelte also ein ähnliches Aussehen wie die Centrosaurier. Das legt die Vermutung nahe, dass irgendetwas beim Regaliceratops – beispielsweise beim Sozialverhalten – eher den Centrosauriern als den Chasmosauriern ähnelte und dass die Evolution deshalb in die gleiche Richtung ging. Was genau das war, wissen wir nicht, weil wir nicht genau verstehen, welche Funktion die Hörner hatten – waren es vor allem Signale innerhalb der Art, mit denen z.B. Männchen die Weibchen beeindruckt haben, waren es Signale, die die Unterscheidung zwischen den Arten erleichtern sollten, dienten sie tatsächlich zum Kämpfen innerhalb der Art? Bei Säugetieren weiß man, dass ähnliche Hornformen auf ähnliches Verhalten zum Beispiel bei Kämpfen hindeuten; das mag bei den Horndinos ähnlich gewesen sein.
Wie so oft zeigt sich, dass die interessantesten Fragen am schwersten zu beantworten sind.
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