Hinzu kommt noch etwas anderes: Wenn ich sage, dass im Heisenberg-Bild den Zustand des Elektrons zu jedem Zeitpunkt beschreibt (weil ja die ganze Zeitabhängigkeit auf die Operatoren abgewälzt wurde), dann ist ein Zustand im Heisenbergbild ganz was anderes als ein Zustand im Schrödingerbild. Eigentlich müsste man dann alles, was man sich im Schrödingerbild für Zustände in der QM überlegt hat, erst mal überprüfen, ob es immer noch gilt.
Aber dankenswerterweise hatte ich neulich eine Idee, wie ich die Formeln anders interpretieren kann und das ganze einen Sinn ergibt – zumindest für mich, meldet euch bitte in den Kommentaren, wenn euch diese Uminterpretation auch etwas nützt, dann weiß ich wenigstens, dass ich nicht allein bin. (Und sagt auch gern, wenn ihr meine Erklärung nicht mögt oder gar für fehlerhaft haltet, denn wie gesagt garantiere ich für nichts….)
Dazu nehme ich das Schrödingerbild beim Wort. beschreibt den Zustand des Elektrons zur Zeit t, Punkt, egal was der olle Heisenberg dazu sagt (wobei die Formulierung mit den “eingefrorenen Zuständen” sicherlich nicht von Heisenberg stammt…).
Wenn ich das so annehme, was tut dann das Heisenbergbild? Da taucht ja in den Formeln immer nur auf, nie . Das Heisenbergbild rechnet also alles, was es rechnet, so um, dass es sich immer auf den Anfangszustand bezieht. Schaut noch einmal auf die Formel für den Erwartungswert:
Was das A tut ist, dass es zunächst mit dem Zeitentwicklungsoperator aus dem Anfangszustand den aktuellen berechnet, dann darauf A wie im Schrödingerbild anwendet, und dann den neuen Zustand wieder zum Anfang zurücktransportiert (Ich kann den konjugierten Zeitentwicklungsoperator ja auch nach rechts wirken lassen und damit den Zustand wieder zurückrechnen.)
Genauso funktioniert es mit dem Wandoperator im Heisenbergbild:
Der transportiert ebenfalls erst den Zustand zeitlich nach t, dann wird der Zustand zu der Zeit an der Wand reflektiert, und dann wird in der Zeit zurückgerechnet. Der Wandoperator rechnet also den fiktiven Zustand aus – den Zustand, den das Elektron zur Zeit 0 hätte haben müssen, wenn es zur Zeit t im Zustand ist und sich in diesen Zustand entwickelt hätte, ohne dass die Wand da wäre:
Im Heisenbergbild sind die Zustände nicht “eingefroren” – stattdessen betrachte man einfach nur immer den Zustand, der zur Zeit t=0 hätte vorliegen müssen, damit sich aus diesem der aktuelle Zustand entwickelt (so wie eben bei der Wandreflexion). (Wie oben gesagt bekommen wir beim Zurückrechnen hier einen anderen Zustand als wir tatsächlich zur Zeit Null hatten, weil wir den Einfluss des Wandoperators nicht mit in der Zeitentwicklung berücksichtigt haben.)
Damit sieht man auch, warum das Heisenbergbild praktisch sein kann: Interessiert man sich für eine bestimmte Messgröße, dann kann man im Heisenbergbild ein für alle Mal das A(t) ausrechnen und dann auf unterschiedliche Anfangszustände anwenden- die ganze Zeitentwicklung hat man damit schon erledigt. So macht man es zum Beispiel auch in der Quantenfeldtheorie, die gern (in der “kanonischen Formulierung”) im Heisenbergbild formuliert wird.
Ich weiß nicht, wer zum ersten Mal die Formulierung mit den “eingefrorenen Zuständen” aufgebracht hat – aber meiner Ansicht nach ist sie eher verwirrend als hilfreich, und man sollte lieber sagen, dass das Heisenbergbild immer auf (eventuell fiktive) Anfangszustände zurückrechnet.
Ich habe das mit dem Heisenbergbild auch beim physicsforum zu diskutieren versucht – dort stieß meine Idee auf wenig Begeisterung. Insofern übernehme ich keine Haftung, dass das hier für irgendwen außer mir Sinn ergibt.
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