Ohne viel Mathematik zu betreiben (das muss man dann natürlich tun um zu sehen, ob das alles auch wirklich funktioniert), kann man sich schon überlegen, dass es auch kompliziertere Anordnungen von Quarks geben kann. Wir könnten ja auch zwei Quarks und zwei Anti-Quarks zusammentun, mit jeweils passenden Farben und Anti-Farben. So ein Verbund wäre dann ein “Tetraquark”. Hinweise auf ein solches Tetraquark hat man vor zwei Jahren gefunden – euer Lieblingsblog (hoffe ich doch???) hat darüber berichtet.
Es gibt aber auch noch kompliziertere Möglichkeiten – wie wäre es zum Beispiel mit vier Quarks und einem Anti-Quark? Das wäre dann ein Verbund aus fünf Quarks, ein sogenanntes “Pentaquark”.
Erste Hinweise auf ein solches Pentaquark gab es schon im Jahr 2002, doch sie stellten sich schließlich als falsch heraus. Jetzt aber wurde bei einer detaillierten Analyse von Daten am LHC-Beschleuniger im CERN sehr deutliche Hinweise auf gleich zwei solche Pentaquark-Zustände gefunden.
Dabei darf man sich jetzt nicht vorstellen, dass eines Tages die Physikerinnen am CERN sagen “Hey, lasst mal heute den Beschleuniger so einstelen, dass wir Pentaquarks sehen können” und dann ein entsprechendes Experiment starten. Vielmehr funktioniert es genau andersherum: Der LHC ballert Protonen aufeinander und misst in den einzelnen Detektoren und Teil-Detektoren, was jeweils passiert. Dabei ist schon die Datenanalyse ein Kunstwerk für sich, weil die einzelnen Bündel von Teilchen einen Abstand von nur etwa 25 Nanosekunden haben – pro Sekunde gibt es also in einem Detektor einige Zehn Millionen Kreuzungen der Strahlen, bei denen Reaktionen stattfinden können. Entsprechend riesig ist der Datenwust in den Detektoren, und die Daten müssen dann in sehr kurzer Zeit gefiltert und irgendwo abgespeichert werden. (Was mit moderner Technik vermutlich etwas leichter ist als damals vor etwas mehr als 20 Jahren, als ich einen Sommer lang im ZEUS-Detektor-Seminar am DESY saß, wo man mit ähnlichen Problemem zu kämpfen hatte, die Computer aber noch ein paar Größenordnungen lahmer waren als heute.)
Am CERN sind also große Datenmengen aus den bisherigen Betriebszeiten gespeichert, und diese Daten kann man jetzt in aller Ruhe analysieren. Genau das wurde hier gemacht. Dabei hat man auf solche Prozesse geguckt, bei denen das J/Ψ-Teilchen entsteht, das aus einem Charm-Anti-Charm-Quark besteht. (Den Doppelnamen hat es, weil es 1974 von zwei Gruppen gleichzeitig entdeckt wurde, die sich bei der Namensgebung nicht abgesprochen haben.) Dieses Teilchen entsteht wiederum aus einem sehr schweren Teilchen, dem Λb, das sich aus drei Quarks zusammensetzt, einem b-, einem u- und einem d-Quark. (Es ist sozusagen die b-Quark-Variante des Λ (mit der Zusammensetzung uds), das ich oben als Beispiel hatte).
Analysiert man diese Daten , dann findet mal folgendes Bild:
Quelle: LHCb, s.u.
Dabei ist auf der horizontalen Achse die Energie (oder Masse) des Zwischenzustands aufgetragen (1GeV ist etwas mehr als die Masse eines Protons), auf der vertikalen Achse die Zahl der Ereignisse. Die rote Linie zeigt die Vorhersage der Theorie, die schwarze die Messdaten. (Eine einigermaßen ausführliche Erklärung, wie man solche Vorhersagen macht, findet ihr im zweiten Teil meiner sehr alten Artikel über Feynman-Diagramme.) Links und rechts passen die rote und die schwarze Kurve gut zusammen, aber bei einer Energie von etwas mehr als 4GeV seht ihr eine deutliche “Beule”, da gibt es zu viele Ereignisse. (Wenn man genau hinsieht, sind es sogar zwei “Beulen”.) Diese Beule war tatsächlich unerwartet – niemand hat danach gesucht oder erwartet, hier etwas zu finden.
Diese zusätzlichen Ereignisse deuten darauf hin, dass hier ein Teilchen entsteht, das gerade diese Masse hat – ein solches Teilchen zu erzeugen, ist dann ein zusätzlich möglicher Prozess, der für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit sorgt. (Mehr darüber, wie das genau geht, in der Feynman-Artikel-Serie, die ich gerade verlinkt habe.)
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