Dabei wurden verschiedene Strömungsvariablen gemessen, aber die gucke ich mir nicht an. Konzentrieren wir uns auf die Messgrößen, die entscheidend sind. Da ist zum einen die Verdunstungsrate von der Oberfläche:
Aus Amador et al., s.u.
Die schwarzen Punkte gehören zum Pappring – da seht ihr, dass die Verdunstungsrate immer weiter abnimmt, je länger der wird. Warum haben wir also keine langen Röhren um die Augen herum, sondern Wimpern? Schicht deswegen, weil Röhren nicht durchsichtig sind und wir so unser Sichtfeld einschränken würden. Beim Netz (als Wimpernersatz), dargestellt durch die Punkte, seht ihr aber ein ähnliches Ergebnis wie in der Simulation – mit Wimpern nimmt die Verdunstungsrate erst mal ab, dann aber wieder zu, der optimale Wert liegt so bei etwa 30% Augendurchmesser. Experiment und Simulation passen also einigermaßen gut zusammen.
Zusätzlich wurde die Strömung noch mit fluoreszierenden Tröpfchen angereichert. Dann wurde nach einiger Zeit geguckt, wie viele dieser Tröpfchen sich auf dem Auge ablagern (indem man einfach misst, wie stark das Auge selbst fluoresziert). Auch hier zeigt sich, dass es ein Optimum gibt:
Aus Amador et al., s.u.
Alles in allem zeigt sich also, dass Wimpern die Strömung am Auge beeinflussen und die Strömungsgeschwindigkeit direkt über der Augenoberfläche verringern, wenn sie die richtige Länge haben. Das wiederum verringert zum einen die Verdunstung, so dass unsere Augen weniger schnell austrocknen, zum anderen verringert es auch die Ablagerung von Fremdkörpern (was gut zu der Beobachtung passt, dass Leute ohne Wimpern anfälliger für Augeninfektionen sind). Vergleicht man diese Experimente mit den Messungen an Tieren, dann liegt die Länge der Wimpern tatsächlich genau im Bereich des strömungsmechanischen Optimums. Das spricht also stark dafür, dass die Wimpern auch tatsächlich diese Funktion haben.
Fairerweise muss man natürlich dazusagen, dass einiges an der Arbeit vereinfacht ist – echte Augen sind nicht kreisrund und haben auch keine flache Oberfläche, sondern sind gekrümmt. Reale Wimpern sind auch nicht perfekt gerade und stehen nicht senkrecht nach vorn ab. (Im paper wird aber erläutert, dass künstliche Augenwimpern wohl wenig hilfreich sind, weil die immer nach Außen vom Auge weggekrümmt sind und deswegen die Strömung zum Auge hinleiten; das sieht man ja auch im Bild des Versuchsaufbaus oben.) Es wurde auch nur die Strömung direkt aufs Auge betrachtet, kein Wind von Vorn oder von der Seite.
Dass die Wimpern bei Allergien länger und dichter werden, wird leider in der Diskusison nicht nochmal aufgegriffen (oder ich habe es übersehen). Im ersten Moment mag man sich wundern, weil ja längere Wimpern ungünstiger sind – aber da die Wimpern zusätzlich auch dichter werden, dürfte sich der Wert für die optimale Länge auch entsprechend vergrößern (bei unendlich dichten Wimpern – dem Pappring – galt ja, je länger, desto besser).
Die Untersuchung zeigt also, dass Augenwimpern das Auge vor Luftströmungen schützen und so das Austrocknen verlangsamen und auch die Menge an Staub und anderen Fremdkörpern reduzieren. (Einige Tierarten, die in heißen, trockenen Gegenden leben, haben deswegen auch gleich zwei Sätze von Wimpern, beispielsweise Kängurus und Giraffen.) Das heißt natürlich nicht, dass die anderen oben erwähnten Funktionen (zum Beispiel als Sensor) nicht auch eine Rolle spielen – in der Evolution finden wir ja oft Strukturen mit mehreren Funktionen. Aber zumindest die strömungsmechanische Funktion ist jetzt anscheinend aufgeklärt – Wimpern schützen das Auge vor dem Austrocknen und vor Ablagerungen aus Staub oder auch Bakterien.
Amador GJ, Mao W,DeMercurio P, Montero C, Clewis J, Alexeev A, Hu DL.
2015 Eyelashes divert airflow to protect the eye. J. R. Soc. Interface 12: 20141294.
https://dx.doi.org/10.1098/rsif.2014.1294
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