Atomkerne
Noch bevor die Atomtheorie wirklich vollkommen anerkannt war, wusste man schon, dass Atome Bestandteile haben müssen, als 1897 das Elektron entdeckt wurde. Da man Elektronen aus normaler Materie herausschlagen kann, müssen sie vorher drin gewesen sein (theoretisch könnten sie natürlich auch durch irgendeinen Prozess erst entstehen, aber über die Umwandlung von Teilchen dachte man damals noch gar nicht nach), also müssen sie Bestandteil von Atomen sein (wenn es denn Atome gibt). Elektronen kann man einigermaßen direkt sehen – weil sie geladen sind und sich wegen ihrer geringen Masse leicht beschleunigen lassen, kann man sie auf einen fluoreszierenden Schirm aufprallen lassen, wo sie Lichtsignale erzeugen. (Das ist ja auch das Prinzip von Röhrenfernsehern.)
Mit der Entdeckung von Elektronen war dann aber auch klar, dass der “Rest” eines Atoms (der nahezu die gesamte Masse des Atoms besitzt) auch irgendeinen Aufbau haben musste. Zunächst nahm man an, dass die positiv geladene Materie innerhalb des Atoms gleichmäßig verteilt war. Die Geschichte dieses Thomson-Modells habe ich neulich hier ausführlicher erzählt. Dann aber erkannte Rutherford (basierend auf Experimenten von Geiger und Marsden), dass die positive Ladung in einem sehr kleinen Bereich des Atoms konzentriert sein muss. Dazu strahlten sie Alpha-Teilchen auf Atome und schauten nach, wie diese abgelenkt werden. Wäre die Ladung kontinuierlich verteilt, so wie im Thomson-Modell, dann würde man erwarten, dass die Teilchen um so stärker abgelenkt werden, je mehr Strecke sie innerhalb des Atoms durch die positive Ladung zurücklegen. Es müsste also eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung von wenig abgelenkten und stark abgelenkten Alpha-Teilchen geben, aber die Teilchen sollten eben alle zumindest ein wenig abgelenkt werden.
Beobachtet wurde jedoch etwas ganz anderes: Die meisten Alpha-Teilchen passierten die Folie ungestört; nur einige wenige von ihnen wurden abgelenkt, diese aber sehr stark. Rutherford schloss daraus, dass die positive Ladung in einem kleinen Bereich konzentriert sein müsste, so dass die meisten Alpha-Teilchen diesen Bereich in vergleichsweise großer Entfernung passierten und deshalb ungestört blieben. (Und wenn ich schreibe “schloss daraus”, dann bedeutet auch das wieder: Sie machte ein mathematisches Modell und rechnete nach, dass ihre Interpretation zum Experiment passte. Ja, ohne Rechnerei wird man in der Physik meist nix – man kann’s natürlich auch machen wie ich und simulieren, dann rechnet vor allem der Computer, aber dafür muss man höllisch aufpassen, dass man beim Aufstellen des Computerprogramms alles richtig macht (und um das sicherzustellen, ist ein gewisses mathematisches Verständnis der Theorie der Berechnung auch wieder notwendig).)
Die positive Ladung eines Atoms steckt nach diesem Modell also in seinem Kern. Weitere Experimente zeigten, dass man Atomkerne – beispielsweise durch Beschießen mit Alpha-Teilchen – auch verändern kann. Beispielsweise konnte man Wasserstoffatome erzeugen, indem man Alpha-Teilchen auf Stickstoffatome schoss. (Wobei natürlich nur ein Proton frei wird, kein ganzes Wasserstoff-Atom.) [das wird hier wohl näher beschrieben: Rutherford, Nuclear Constitution of Atoms, 1920 – leider habe ich nur Zugriff auf die 1. Seite des Artikels.] Insgesamt war die Theorie des Atomkerns bereits um 1920 anerkannt. Und das, obwohl man Atomkerne wirklich in keinerlei Hinsicht “gesehen” hatte – man hatte lediglich Objekte draufgeschossen und aus deren Rückstreuung geschlossen, dass es diese Kerne geben musste. Die Reaktionen mit Alpha-Teilchen und ähnliche Experimente waren weitere Hinweise darauf, dass es Atomkerne geben musste. (Da ich nicht so die Mega-Wisserin in Sachen Kernphysik bin, lasse ich es mal sein, die Details der Geschichte hier weiter auszuführen…)
Auch hier sehen wir dasselbe Prinzip am Werk wie vorher: Ein Objekt gilt als nachgewiesen, wenn die Annahme seiner Existenz mit unseren Theorien und Beobachtungen im Einklang steht und wenn es keine gute alternative Erklärung für diese Beobachtungen gibt.
Neutrinos
Zu Neutrinos habe ich eine ganz besondere Beziehung: Das Buch über Neutrinos von Isaac Asimov war (zusammen mit dem Buch über Schwarze Löcher) für mich einer der entscheidenden Gründe, warum ich Physik studieren wollte. Und später war das (in Wahrheit nicht existierende) 17-keV-Neutrino einer der Gründe, warum ich von der Physik in eine andere Disziplin gewechselt bin (diese Geschichte habe ich schon vor sehr langer Zeit erzählt). Aber auch in der Physik selbst hat das Neutrino eine große Bedeutung – es war (ähnlich wie später das Higgs-Teilchen) ein Teilchen, das zunächst nur von der Theorie gefordert wurde und dessen Nachweis sich als extrem schwierig erwies.
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