Wenn Dinge wärmer werden, dann dehnen sie sich aus. Das ist das Prinzip hinter Flüssigkeitsthermometern, aber auch Festkörper werden größer, wenn sie wärmer werden. (Das nutzt man auch in Thermometern, beispielsweise mit Bimetall-Streifen, die sich unterschiedlich stark dehnen und deshalb verbiegen.) Versucht man zu verstehen, warum das eigentlich so ist, dann stellt man fest, dass der Effekt deutlich weniger simpel ist, als man auf den ersten Blick denken könnte.

Gase und Flüssigkeiten

Fangen wir mit der einfachsten Substanz an, die wir in der Physik haben: Einem idealen Gas. In so einem Gas haben wir Atome (oder Moleküle), die sich (wie ideale Billardkugeln) elastisch aneinander stoßen (also bei einem Stoß nicht aneinander kleben bleiben) und dabei Energie austauschen können, die aber ansonsten nicht miteinander wechselwirken.

Die Temperatur eines Gases hängt direkt an der Geschwindigkeit der Atome – je höher die Temperatur, desto schneller sind die Atome unterwegs. (Dabei sind nicht alle Atome gleich schnell, vielmehr stellt sich eine Verteilung der Geschwindigkeiten ein, die berühmte Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung. Diese Details können uns aber egal sein.)

So ein Gas dehnt sich zunächst mal natürlich immer weiter aus – wenn es keine Wände oder ähnliches gibt, die das Gas einsperren, dann verdünnt es sich immer weiter. Eine Wolke aus so einem Gas im Weltall würde sich immer weiter verdünnen. (Naja, nicht wirklich, weil sie ein bisschen durch die Schwerkraft zusammengehalten wird, aber die vernachlässige ich hier, es soll ja ein ideales Gas sein. Bei Gasen auf der Erde ist die gravitative Anziehung zwischen den Gasatomen auch tatsächlich winzig klein.)

Um die thermische Ausdehnung eines Gases zu sehen, müssen wir es also irgendwie einsperren. Packen wir es in einen Behälter mit festen Wänden (beispielsweise eine Flasche, die wir fest zudrehen), dann dehnt sich das Gas aber natürlich nicht aus, wenn wir es erwärmen – kann es ja nicht, die Flasche verhindert das ja.

Besser ist es, wenn wir unser Gas nicht in ein festes Volumen einschließen, sondern es stattdessen zum Beispiel in einem Ballon haben. Die Membran des Ballons übt auf das Gas einen (näherungsweise) konstanten Druck aus. Der wird dadurch von Innen ausgeglichen, dass die Gas-Atome gegen die Membran prallen und so eine Gegenkraft ausüben. Ein Atom, das von der Wand abprallt, kehrt dabei seine Geschwindigkeit und somit auch seinen Impuls (die physikalische Größe Masse mal Geschwindigkeit) um – nach dem zweiten Newtonschen Gesetz ist die Kraft die zeitliche Änderung des Impulses. Prallt das Atom von der Wand ab, übt es also eine Kraft aus und hindert so die Wand (die Gummimembran) daran, sich zusammenzuziehen.

Wenn wir jetzt die Temperatur erhöhen, erhöht sich die Geschwindigkeit der Atome. Sie prallen also zum einen stärker auf die Wand, zum anderen (weil sie ja schneller sind) auch öfter. Die Kraft, die sie ausüben, wird also größer. Entsprechend dehnt sich der Ballon aus. Durch das Ausdehnen des Ballons sind die Atome jetzt weniger dicht als vorher – das wiederum verringert die Anzahl der Atome, die zu einer bestimmten Zeit auf die Ballonwand treffen. Der Ballon dehnt sich also immer weiter aus, bis wieder ein Gleichgewicht erreicht ist. Die Atome treffen jetzt heftiger auf die Wand als bei niedriger Temperatur, aber die geringere Dichte des Gases sorgt dafür, dass die Kraft auf die Wand die selbe ist wie vorher.

Gase dehnen sich also aus, weil die Gasatome schneller werden und so bei gleicher Dichte einen größeren Druck ausüben würden. Bei Flüssigkeiten ist das ähnlich – hier ist aber die Wechselwirkung zwischen den Atomen größer, so dass die Flüssigkeit einen stärkeren Zusammenhalt hat.

Festkörper

Ganz anders sieht es aber bei festen Stoffen aus – beispielsweise einem Klotz aus Eisen. Auch im Vakuum hat der Klotz aus Eisen ein festes Volumen und verteilt sich nicht beliebig weit über das Universum. (O.k., wenn wir extrem lange warten, dann würde er das irgendwann tun, weil es eine winzige Wahrscheinlichkeit gibt, dass sich ein Atom von der Oberfläche löst, das dann im Vakuum des Weltalls in die Unendlichkeit abhauen würde. Die Zeitskala dafür ist bei einem Eisenklotz aber extrem lang.) Trotzdem dehnt sich der Eisenklotz aus, wenn wir ihn erwärmen, auch im Vakuum. Anders als beim Gas spielt also der äußere Druck für die thermische Ausdehnung keine wesentliche Rolle.

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Kommentare (17)

  1. #1 Naiver
    7. September 2015

    “Sie prallen also zum einen stärker auf die Wand, zum anderen (weil sie ja schneller sind) auch öfter. Die Kraft, die sie ausüben, wird also größer. Entsprechend dehnt sich der Ballon aus.”
    … und wieso? weshalb? warum?

    …und bin so schlau als wie zuvor.

  2. #2 Naiver
    7. September 2015

    Ah, da ist die Lösung, ganz am Ende:
    “ein ziemlich trickreiches Phänomen.”
    Danke!

  3. #3 MartinB
    7. September 2015

    @Naiver
    Die Ballonmembran übt ja nen bestimmten Druck aus. Wenn der Innendruck zunimmt (weil die Teilchen heftiger stoßen), ist der Innendruck größer und dehnt den Ballon deshalb weiter. (In einem echten Ballon nimmt dann wegen der zunehmenden Spannung in der Ballonhülle die Kraft in der Hülle auch wieder zu, aber das habe ich im Text nicht vertieft, weil’s darum nicht geht.)

  4. #4 Geralt
    7. September 2015

    Vielen Dank, wieder sehr interessant. Mit den Artikeln dieses Blogs komme ich als Laie immer mind. einen Schritt weiter.

    Nur nebenbei – den Tippfehler hab ich behalten:

    “Das ist der Grund, warum Seen im Winter nicht bis zum Grund zufrieren oder warum man auf Eis Schlittschuh kaufen kann”

    Tippfehler werden hier ja verschenkt, aber in dem Fall kam ich kurz ins stolpern beim Lesen… obwohl es nat. eine gute Geschäftsidee sein könnte direkt auf dem Eis Schlittschuhe zu verkaufen…. hmm… doch beabsichtigt? 😉

  5. #5 Chemiker
    7. September 2015

    Da gibt es ja noch die berühmte Frage, ob sich eine Scheibe mit einem Loch in der Mitte so ausdehnt, daß das Loch kleiner oder größer wird. Mit dem falschen Ansatz kann man ziemlich überzeugend für die falsche Option argumentieren. 😉

  6. #6 BreitSide
    Beim Deich
    8. September 2015

    Abo 🙂

  7. #7 MartinB
    8. September 2015

    @Geralt
    Nein, keine Absicht, aber ist schön.

    @Chemiker
    Ja, ich hatte kurz überlegt, ob ich das einbauen soll.

  8. #8 Karl Mistelberger
    8. September 2015

    > Die Wärmedehnung wird durch den thermischen Ausdehnungskoeffizienten beschrieben – der gibt an, um wie viel sich ein Objekt bei einer Temperaturerhöhung um ein Grad längt. Metalle haben typischerweise Werte von so etwa 0,000 01-0,000 02/K. … Deutlich extremer sind die Effekte natürlich bei Bauteilen, die richtig hohe Temperaturen erleben, wie beispielsweise Turbinenschaufeln oder auch Raketentriebwerke.

    Als Gymnasiast habe ich mich mit abstrakten Zahlen nicht zufrieden gegeben. Turbinenschaufeln und Raketentriebwerke hatte ich auch keine.

    Ein einfaches Experiment hat dennoch meine Neugier befriedigt. Ich nahm meinen Faber-Castell 2/83N Novo-Duplex und legte die Zunge an einem kalten Wintermorgen außen auf die Fensterbank. Beim Einfügen der eiskalten Zunge in den warmen Rechenschieber war die Zusammenziehung deutlich abzulesen. Den genauen Wert habe ich allerdings nicht notiert.

    The Faber-Castell 2/83N Novo-Duplex upper face—serious firepower on a slide rule!

    Apropos: Nach mehr als 50 Jahren arbeitet das Ding immer noch einwandfrei. Lediglich die Gummistreifen, die eine Benutzung auf der Schreibtischoberfläche ermöglichten, sind hart wie Stein geworden und zerbröseln schon bei leichtem Druck.

  9. #9 Christoph
    8. September 2015

    “Es gibt allerdings auch Materialien, die sich mit zunehmender Temperatur nicht ausdehnen, sondern ihre Länge etwa beibehalten oder gar schrumpfen. Ein Beispiel hierfür ist Gummi – das liegt an der seltsamen Kraft, die ein Gummiband zusammenschnurren lässt, die nämlich auf der Entropie beruht.”

    Hier liegt vielleicht ein Missverständnis vor: auch Gummi besitzt einen positiven Wärmeausdehnungskoeffizienten, ein Stück Gummi, das auf dem Tisch liegt und erwärmt wird, dehnt sich in alle Richtungen gleichmäßig aus. Für den beschriebenen Effekt muss das Gummiband unter einer genügend großen Last stehen, erst dann zieht es sich wieder zusammen. Den Punkt, ab dem das Zusammenziehen aufgrund der Entropieelastizität einen größeren Beitrag als die thermische Ausdehnung leistet, nennt man thermoelastischen Inversionspunkt.

  10. #10 MartinB
    8. September 2015

    @Christoph
    Danke. Ich hab mal ein Wort oben eingefügt, damit es niemand missversteht.
    Ist auchin dem verlinkten Artikel halbwegs erklärt.

  11. #11 maikm
    8. September 2015

    Ich fuehle mich irgendwie angesprochen 🙂
    Danke Martin fuer die sehr anschaulichen Beispiele. Toller Blog!

  12. #12 BreitSide
    Beim Deich
    8. September 2015

    @Karl Mistelberger: Kinder, wie die Zeit vergeht! Die schönen braunen Logarithmenbücher hat ja auch keiner mehr :seufz:

  13. #13 MartinB
    8. September 2015

    @BreitSide
    Wobei ich Karl schon recht geben muss: rechenschieber sind ziemlich cool.

  14. #14 BreitSide
    Beim Deich
    8. September 2015

    Ich ja eigentlich auch. Ich hab mir auf nem Flohmarkt sogar einen extra kleinen mal besorgt. Taschenrechner (der tolle TI 30, aber bitte nicht der HP mit der “umgekehrten polnischen Notation”, was immer das sein sollte) waren halt schon praktischer, weil da die Größenordnung immer schon mitgerechnet wurde.

    Ok, beim Rechenschieber hatte man durch die Notwendigkeit, die Nullen und das Komma richtig zu setzen, einen intuitiveren Überblick über Größenordnungen, aber eben halt auch mehr Mühe damit.

    Die Plausibilitätsbetrachtung am Ende der Rechnung muss ich so und so machen.

  15. #15 MartinB
    8. September 2015

    @BreitSide
    Der HP 41C mit UPN war für mich seinerzeit das achte Weltwudner, auf dem habe ich programmieren gelernt.
    “Die Plausibilitätsbetrachtung am Ende der Rechnung muss ich so und so machen.”
    Kannst du das bitte auch mal allen Studis sagen?

  16. #16 BreitSide
    Beim Deich
    8. September 2015

    Kannst meinen Satz kopieren und beliebig verwenden. Auch ohne Autorenangabe ;-)))

    Ja, der HP war toll, und ich habe alle Besitzer (und vor allem Benutzer) sehr beineidet.

  17. #17 michanya
    21. Oktober 2016

    … komme aus konstruktion masch.-bau – hier haben ja die metalle ihren AUSDEHNUNGSKOEFFIZIENTEN – der sagt um viel sich das feste metall bei warme ausdehnt – und bestimnte konstruktionen brauchen eine DEHNUNGSFUGE um bei temperatur spielraum zum Ausdehnen zu haben.

    Hohe Temperaturen lassen EISENBAHNSCHIENEN auch verbiegen – oder der Steamer und DAMPFKESSEL fliegt ohne sicherheitsventil in die luft – atü zu hoch im wasserboyler.

    Auch der Mensch schwitzt ja oder dampft durch die membrane der haut – und sucht kühlung durch vergrosserung der hautoberflache mit hilfe von verdunstungskalte.

    Und der metzger kennt das problem ist der kessel zu heiss – gibts halt geplatzte wurste in der wurstpelle als sonderpreis.

    Jemandem auf die PELLE rucken ist zu nahe kommen – sonst platzt dem werten herrn der kragen und es kracht enorm.

    Raum schaffen und ausdehnen – biotec4u