Um die thermische Ausdehnung im Eisen trotzdem zu verstehen, müssen wir uns auch hier angucken, was eine höhere Temperatur eigentlich bedeutet. Die Eisen-Atome sind in einem Stück Eisen in einem Kristallgitter angeordnet. Es gibt dabei einen energetisch besonders günstigen Abstand der Atome zueinander. Bei sehr niedriger Temperatur (wenn unser Eisenklotz den Zustand niedrigst-möglicher Energie einnimmt) haben die Eisenatome alle brav diesen Abstand, den Gleichgewichtsabstand. (Naja, ich vereinfache hier etwas: Auch bei Temperatur Null sind die Atome nicht völlig in Ruhe, das verbieten die Spielregeln der Quantenmechanik. Da ich das aber zum einen schon mal ausführlich erklärt habe und es zum anderen für die thermische Ausdehnung nicht so wichtig ist, könnt ihr den Effekt im Moment mit gutem Gewissen ignorieren – Physik ist ja immer auch die Kunst zu wissen, welche Effekte man in welcher Situation berücksichtigen muss.)
Was unsere Eisenatome auf Abstand hält, ist also die Kraft zwischen ihnen. Ihr könnt euch die ein bisschen vorstellen wie eine Feder – würde man zwei Atome dichter zusammendrücken oder weiter auseinanderziehen wollen, müsste man gegen diese Federkraft anarbeiten. Im Gleichgewichtsabstand hat die Feder genau ihre Gleichgewichtslänge, also die, bei der sie gerade keine Kraft zwischen ihren Enden ausübt.
Wenn wir jetzt die Temperatur erhöhen, dann stecken wir Energie in den Kristall. Die äußert sich darin, dass die Atome anfangen zu schwingen. Da sie ja aneinander gebunden sind, können sie nicht frei durch die Gegend sausen wie die Gasatome im Ballon. Sie schwingen also um den Gleichgewichtsabstand herum. (Ähnlich wie eine Masse, die ihr an eine Feder hängt, hin- und herschwingt, wenn ihr die Feder einmal in die Länge zieht und dann loslasst.) Im Bild haben ich die Gleichgewichtslage in blass-rot eingezeichnet und die aktuelle Lage der Atome darüber.
Wie bei Schwingungen üblich, wandeln die Atome dabei ständig potentielle Energie (also die Dehnung der Bindungen oder Federn) in kinetische Energie (also Bewegungsenergie) um: Sind bei einer Schwingung zwei Atome maximal weit auseinander, dann haben sie eine hohe potentielle Energie, kehren aber ihre Bewegung ja gerade um, so dass ihre kinetische Energie gleich Null ist, sind sie genau im Gleichgewichtsabstand, dann ist ihre potentielle Energie Null, dafür haben sie jetzt aber eine hohe Geschwindigkeit. (Das ist genau analog zum Schaukeln auf einer Schaukel – wenn ihr im untersten Punkt seid, seid ihr schnell, wenn ihr am Umkehrpunkt seid, habt ihr eine größere potentielle, aber eine verschwindende kinetische Energie, weil ihr für einen Moment in Ruhe seid.)
Unsere Atome schwingen jetzt also hin und her. (Streng genommen müsste man diese Schwingungen auch wieder mit den Mitteln der Quantenmechanik – als sogenannte “Phononen” – beschreiben, aber das spare ich mir hier.) Irgendwie muss diese Schwingung jetzt für die thermische Ausdehnung sorgen.
Um zu sehen, wie das geht (oder eben nicht geht, wartet’s ab), müssen wir beachten, dass die Atome in einem Kristall ja nicht alle im Gleichtakt schwingen – hier sind gerade zwei Atome besonders dicht, dort sind sie im Gleichgewichtsabstand, dahinten sind zwei weit auseinander. Um zu sehen, was im Kristall als Ganzes passiert, müssen wir also über alle Atome mitteln und sehen, wie sich der mittlere Abstand der Atome verhält.
Statt viele Atome zu einer Zeit zu betrachten, können wir auch umgekehrt ein Atom über einen längeren Zeitraum verfolgen. Nach den Regeln der Thermodynamik sollte dabei dasselbe herauskommen (Expertinnenhinweis: Das böse Fass “Ergodenhypothese” lassen wir mal gaaanz fest geschlossen…). Am einfachsten denken wir wieder an die Schaukel, die ist vermutlich allen aus dem Alltag vertraut. Wir schaukeln auf der Schaukel, mal doller, mal weniger doll (weil die Energie der Atome zufälligen Schwankungen unterliegt). Wenn wir unsere Position über einen langen Zeitraum mit viel Schaukelei mitteln, was wird dabei herauskommen?
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