Zu den vermutlich meistgelobten SF-Romanen der letzten Zeit gehören sicher “The Martian” (kommt ja jetzt sogar in die Kinos) und “The Three-Body-Problem”. Vielleicht ist der Erwartungsdruck besonders hoch, wenn man solche Romane liest – aber ich muss zugeben, dass ich von beiden eher enttäuscht war.
Achtung: Spoilers ahead
Um zu erklären, warum, muss ich allerdings ein bisschen (oder ein bisschen mehr) herumspoilern – falls ihr die Bücher also noch nicht kennt, solltet ihr vielleicht besser nicht weiterlesen.
O.k., ich habe euch gewarnt.
The Martian
Fangen wir mit “The Martian” von Andy Weir an. Eigentlich ist das Buch durchaus nett, spannend und flüssig geschrieben, und ich habe mich beim Lesen nicht gelangweilt – wirklich schlecht ist es also nicht. Aber zwei oder drei Dinge haben mir das Lesevergnügen doch arg getrübt. Letztlich lebt das Buch ja davon, dass die Hauptperson immer wieder durch findige Anwendung ihres technischen Wissens Lösungen für knifflige Probleme findet. Und dann sollten diese Lösungen zumindest auch korrekt geschildert werden – das ist aber nicht immer der Fall. Eins der ersten Probleme, die gelöst werden müssen, ist die Beschaffung von Wasser. Und da macht Mark Watney (die Hauptperson) einen eklatanten Fehler, den man selbst mit dem Chemie-Wissen der 8. Klasse erkennen kann. Um Wasser herzustellen, wird erst Wasserstoff hergestellt, der dann mit Sauerstoff zu Wasser reagieren soll. Und dabei macht Watney folgende Rechnung: 50 Liter Wasserstoff und 50 Liter Sauerstoff geben 100 Liter Wasser. Huh? Habe ich was verpasst? Gilt neuerdings in der Chemie der Satz von der Erhaltung der Volumina?
Natürlich gibt es (in der Chemie) eine Massenerhaltung – da Wasserstoff und Sauerstoff im Wasser im Massenverhältnis 1:8 vorliegen, bekomme ich aus 1kg Sauerstoff und 0.125kg Wasserstoff 1.125kg Wasser. Will man das Ganze auf Volumina umrechnen, dann muss man wissen, was die Dichte von flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff ist – das hat dankenswerterweise Eric Nabithy vom Blog “entangled continua” nachgeguckt und dann ausführlich gerechnet. (Nabithy hat sogar ein Buch zum Thema geschrieben.) Dort könnt ihr nachlesen, dass Watney deutlich mehr Wasserstoff und Sauerstoff benötigt hätte und auch, warum auch die anderen chemischen Reaktionen (die mit Kohlendioxid und mit dem Treibstoff) falsch berechnet sind.
Ehrlich gesagt, finde ich solche Fehler ärgerlich – jedenfalls wenn es um technische, “harte” Science Fiction geht. (In SF-Romanen, die sich auf andere Dinge konzentrieren, stören mich wissenschaftliche Absurditäten – wie Alan Dean Fosters berühmter KK-drive, der dem 3. Newtonschen Gesetz widerspricht – eher wenig. Großartig auch die Szene in Start Trek Deep Space 9, als das – intelligente – Hologramm Vic in einer anderen Holosuite auftaucht, um dort Ratschläge zu erteilen, und die Einwände, das sei technisch doch gar nicht möglich, einfach beiseite wischt (“Ja, wir hätten uns eine Techno-Babble-Erklärung ausdenken können, haben wir uns aber gespart.”).) Aber wenn der ganze Roman im wesentlichen solche technischen Probleme beschreibt, dann sollten die Erklärungen auch funktionieren – ich frage mich sonst immer, ob auch die anderen beschriebenen Fakten, die ich nicht beurteilen kann, genauso problematisch sind. (Zumindest die Beschreibung der Ermüdung von Faserverbunden war aber durchaus o.k.)
Das zweite und dritte Problem sind miteinander verbunden. Mark Watney ist – obwohl ich durchaus mit ihr* mitgefiebert habe – kein wirklich sympathischer Hauptcharakter. Zum einen ist Mark dafür einfach ein bisschen zu eingebildet und in ihre technische Raffinesse selbstverliebt. Zum anderen – und das ist eigentlich mein Hauptproblem mit dem Buch – interessiert sie sich ehrlich gesagt nicht die Bohne für den Mars. Bei einem Titel wie “The Martian” und der Vorstellung, dass jemand mehrere Jahre auf dem roten Planeten als Robinson Crusoe lebt, würde ich erwarten, dass Watney zumindest ein wenig über den Mars herauszufinden versucht. Das passiert aber nicht – soweit ich mich entsinne, wird ein oder zweimal erwähnt, dass sie wissenschaftliche Experimente macht, wenn sie gerade nichts besseres zu tun hat, aber man erfährt nichts darüber was sie herausfindet. Dass der Mars voller Steine und rotem Sand ist, wusste ich auch schon vorher – und viel mehr erfährt man über den Mars auch nicht. Watney hätte genauso gut auf irgendeinem anderen Planeten stranden können, das hätte an der Handlung nichts geändert. (Klar, die technischen Probleme wären andere gewesen, aber der Mars dient in diesem Roman wirklich nur als Kulisse, um technische Probleme aufzuwerfen.) Der Titel “The Martian” ist für meinen Geschmack fehl am Platz – Watney wird gerade nicht zur Marsianerin – eigentlich hatte ich beim Lesen überhaupt nicht das Gefühl, dass sie irgendeine Entwicklung durchmacht. “The Smug Engineer” hätte als Titel besser gepasst.
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