Auch andere Zahlen in der Wirtschaft, beispielsweise Indices, können unter dem Messproblem leiden. Mehr dazu findet ihr beim World Financial Review. Aber ehe ich noch mehr über Wirtschaft schreibe und noch mehr Wirtschaftsexpertinnen sich die Haare raufen, wechsle ich lieber schnell das Thema,
Rankings
Rankings, zum Beispiel von Unis, sind ja auch sehr beliebt. Auch sie unterliegen denselben Problemen. Da ist zum einen die Idee, man könne Unis entlang einer eindimensionalen Achse vergleichen. Um das Ranking zu erstellen, guckt man sich ja sehr viele Zahlen an (ähnlich wie es viele Klausuraufgaben gibt), gewichtet diese und bildet daraus ein Ergebnis. Dabei herrscht letztlich Willkür dabei, welche Zahlen ich wie heranziehe. Wie gewichte ich die Wohnsituation von Studis gegen die Qualität des Mensaessens oder die Wartezeit auf einen Platz in einem Labor? Für die einzelne mag dann am Ende die Gewichtung ganz anders ausfallen, als es ein Ranking vorgibt. Bei uns in Braunschweig zum Beispiel geht die Anerkennung von Kursen im Ausland meist recht problemlos – wenn ihr also ein halbwegs stressfreies Auslandssemester plant, dann seid ihr bei uns vielleicht besser aufgehoben als an einer Uni, die in anderen Bereichen besser punktet.
Und manche Dinge lassen sich vielleicht auch gar nicht oder nur schwer quantitativ erfassen. Wie ist die Lernatmosphäre an der Uni, wie wohl fühlt man sich dort? Klar, kann man mit Umfragen herauszufinden versuchen, aber auch hier sieht man schon, dass die Versuchung groß ist, die einfachere Frage zu stellen und eben diejenigen Dinge zum Ranking heranzuziehen, die man leicht quantifizieren kann. Wenn man sich nur auf Umfragen verlässt, dann läuft man auch Gefahr, dass z.B. die Uni gut abschneiden, an denen tendenziell eher gute Noten vergeben werden – was am Ende auch nicht zielführend ist, denn dann schlägt das dritte Problem zu, das Messproblem.
Die Leute, die an Unis arbeiten, sind ja auch nicht doof und gucken sich an, wo ihre Uni im Ranking steht und warum. Und wenn dann herauskommt, dass eine andere Uni besser abschneidet, weil dort z.B. bessere Noten vergeben werden, ist die Versuchung natürlich groß (nein, bei uns an der Tu gab es bisher keine Aufforderung, gute Noten zu vergeben), gleichzuziehen und die Klausuren einfacher zu machen (wie leicht das ist, haben wir ja oben gesehen). Klingt ja erst mal positiv – bis ihr dann in dem Auto sitzt, das von den Leuten konstruiert wurde, die an ihrer Uni wenig gelernt haben, weil es eine Noteninflation gab… Denn eigentlich ging es ja darum, an der Uni etwas beizubringen und nicht darum, Noten zu verteilen. Die Messung beim Ranking beeinflusst dann also wieder das, was an der Uni passiert.
Der Mechanismus, den ich für die Klausuren skizziert habe, ist also anscheinend gar nicht so selten: Wir wollen etwas Komplexes quantifizieren, um das zu tun suchen wir nach quantifizierbaren Messgrößen die mit dem, was uns eigentlich interessiert, hoffentlich eng zusammenhängen, die aber eben nicht identisch sind, und weil wir dann wissen, dass diese Messung so stattfindet, ändern wir unser Verhalten, um es an genau diese Messung anzupassen. Wahrscheinlich fallen euch noch deutlich mehr ähnlich gelagerte Beispiele ein – die könnt ihr ja gern in die Kommentare schreiben.
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