Es wäre natürlich praktisch, wenn man eine Zahl hätte, die man direkt zwischen unterschiedlichen Stoffen vergleichen kann. Etwas ähnliches kennt ihr aus dem Alltag im Supermarkt: Wenn ihr Angebote unterschiedlicher Firmen vergleichen wollt, dann gibt es oft das Problem, dass ihr einmal z.B. eine 0,5-Liter-Flasche Limonade und einmal eine 0,3-Liter-Flasche habt. Um herauszufinden, welche Limo billiger ist, müsst ihr nur aufs Regal schauen, da steht nämlich der Preis pro Liter.Wenn die 0,5-Liter-Flasche 80 Cent kostet, dann sind das also 1,60Euro pro Liter (80 Cent geteilt durch 0,5 Liter), kostet die 0,3-Liter-Flasche 60 Cent, dann sind das 2 Euro pro Liter (60 Cent geteilt durch 0,3).
Was wir also brauchen, ist eine ähnliche Größe wie der Literpreis bei unserer Limo. Die Situation ist ganz ähnlich, nur dass wir jetzt nicht nach einem Preis fragen, sondern nach einer Masse. Statt einen Limo-Preis in Euro pro Liter auszurechnen, brauchen wir also eine Zahl, die die “Schwere” eines Stoffs kennzeichnet, die wir z.B. in Kilogramm pro Liter angeben können.
Ein Liter Wasser hat eine Masse von 1 Kilogramm, also ist unsere Zahl 1kg/Liter. Zwei Liter Wasser haben eine Masse von zwei Kilogramm, es kommt also wieder 2kg/2Liter=1kg/Liter heraus. Egal wie viel Wasser wir betrachten, wir bekommen immer den Wert von 1kg/Liter heraus. [2] Und weil das so ist, ist unsere Überlegung, die “Größe” eines Objekts über das Volumen zu bestimmen, im Nachhinein gerechtfertigt.
Insgesamt haben wir damit folgendes herausgefunden: Wie “schwer” uns ein Material vorkommt, hängt davon ab, welche Masse ein bestimmtes Volumen hat. Wir können für jedes Material eine Zahl ausrechnen, die angibt, wie viel Kilogramm Masse ein Liter des Materials hat.
Diese Zahl hat einen Namen: Man nennt sie die “Dichte” eines Materials [3]. Die Dichte eines Materials wird also definiert als die Masse pro Volumen (ganz analog zu unserer Limo, wo der Literpreis als Preis pro Volumen definiert war). Und jetzt können wir diese Erkenntnis als Formel schreiben (“Formel? Igitt”!):
Diese Formel sagt genau das aus, was wir uns gerade überlegt haben: Wir betrachten die Größe “Dichte”, und hier steht, wie man sie ausrechnet (ganz genau wie bei dem Liter-Preis für unsere Limonade): Nehmt ein Objekt aus einem Material und teilt seine Masse durch sein Volumen.
In den meisten Physikbüchern werdet ihr diese Formel aber nicht so finden. Physikerinnen* haben es oft mit ziemlich langen Formeln zu tun. Die werden schnell unübersichtlich, wenn man alle Größen mit ihrer vollen Bezeichnung reinschreibt (vor allem, weil diese Bezeichnungen manchmal ziemlich lang sein können, in der Materialwissenschaft beispielsweise tauchen in unseren Formeln Größen mit so schönen Namen wie “kritischer Spannungsintensitätsfaktor” auf). Deswegen hat man sich angewöhnt, alle auftauchenden Größen mit Buchstaben abzukürzen. Für die Masse nimmt man meist ein kleines , für das Volumen ein . (Formelzeichen werden auch immer kursiv, also ein bisschen schräg, gedruckt.)
*Ja, ich verwende grundsätzlich weibliche Formen, ich hoffe, das stört niemanden. Männer sind na klar auch immer mitgemeint.
Weil es nicht genug Zeichen im Alphabet gibt, hat man irgendwann beschlossen, auch noch griechische Buchstaben zu verwenden. Die Dichte bekommt das Symbol (der griechische Buchstabe “rho”). Unsere Formel sieht dann also so aus:
Wenn ihr nochmal die Überlegungen nachvollzieht, dann seht ihr, dass diese Formel nichts anderes ist als eine sehr kompakte Schreibweise für das, was wir uns überlegt haben: Die Dichte ist gleich Masse pro Volumen, oder in Formelzeichen gesprochen “rho ist m durch V”. [4]
Aber Achtung: In vielen Büchern steht, dass das hier die “Definition der Dichte” ist. Das ist natürlich auch richtig. Aber mit Definitionen in der Physik (und auch in der Mathematik) ist das so eine Sache – eine Definition ist ja eigentlich einfach nur eine Festlegung, quasi die Einführung eines neuen Begriffs. Wenn man einfach nur sagt “Die Dichte eines Materials ist definiert als Masse pro Volumen”, dann ist das zwar richtig, unterschlägt aber den entscheidenden Punkt: Diese Definition ist auch sinnvoll.
Rein als Definition könnte ich genau so gut die “Lichte” eines Objekts definieren: “Die Lichte ist definiert als Masse pro Länge”. Nach unseren Überlegungen sehen wir aber, dass das keine besonders sinnvolle Aussage ist – ein Eisendraht und eine Eisenkugel hätten ganz unterschiedliche Werte der “Lichte”, obwohl sie aus demselben Material sind. Es gibt (soweit ich sehe) keine physikalische Fragestellung, bei der die “Lichte” irgendwie relevant wäre – deshalb ist die Definition zwar möglich, aber nicht sinnvoll.
Die Dichte ist eine Größe, die wir deshalb so definieren, wie wir es tun, weil sie es erlaubt, eine bestimmte physikalische Fragestellung sauber zu beantworten – nämlich genau unsere Frage vom Anfang: “Was bedeutet es eigentlich, dass ein Material ‘schwerer’ ist als ein anderes?” Wir haben uns ausführlich überlegt, dass die Dichte erlaubt, diese Frage zu beantworten: Das Material mit der höheren Dichte kommt uns “schwerer” vor.
Wasser hat eine Dichte von 1kg/Liter, Blei hat eine Dichte von mehr als 11kg/Liter. Die Dichte von Blei ist höher als die von Wasser, also ist Blei “schwerer”.
Und wenn wir unsere Definition ernst nehmen, dann können wir sie sogar verwenden, um Materialien zu vergleichen, bei denen wir im Alltag kaum einen Unterschied in der Dichte bemerken: Salzwasser beispielsweise hat eine etwas höhere Dichte als Süßwasser. Der Unterschied ist klein, so dass wir ihn nicht bemerken würden, wenn wir einen Liter Süßwasser und einen Liter Salzwasser in die Hand nehmen. Wen wir aber Masse und Volumen genau messen, dann können wir die Dichte bestimmen. Dann würden wir feststellen, dass die Dichte um etwa 3% größer ist als die von Süßwasser. (Merken kann man das allerdings beim Schwimmen – Salzwasser “trägt” besser als Süßwasser, weil seine Dichte größer ist.)
Auch das ist wieder etwas ganz Typisches in der Physik: Wir fangen mit einer groben Idee an (unterschiedliche Stoffe sind unterschiedlich schwer), überlegen uns dann genau, was wir eigentlich zu beschreiben versuchen (es kommt auf die Masse pro Volumen an) und verwenden das Ergebnis dann auch da, wo wir nach unserer ursprünglichen Idee keinen Unterschied bemerkt hätten. Unsere Ideen sauber in Formeln zu fassen und damit Zahlen auszurechnen, erlaubt uns also, sie in Bereichen anzuwenden, wo die ursprüngliche Anfangsidee zu unscharf gewesen wäre, als dass wir etwas damit hätten anfangen können.
Und genau das ist der Grund, warum Formeln in der Physik überall auftauchen. Formeln sind zusammengefasste Überlegungen und Beobachtungen – ein langer Blogtext kann am Ende in einer einzigen Formel konzentriert werden.
Ein paar Nachbemerkungen für ganz Genaue
[1] Ich verwende hier Alltagssprache, in der man sagt “das Fahrrad wiegt 15 Kilogramm”. In der Physik trennt man zwischen Masse (gemessen in Kilogramm) und Gewicht (sollte man in Newton messen). Das Gewicht ist eine Kraft – wenn ihr auf dem Mond rumlauft, ist euer Gewicht geringer, eure Masse aber nicht. Das im Einzelnen auseinanderzudröseln wäre aber einen eigenen Blogtext wert. Solange wir auf der Erde sind, spielt diese Unterscheidung keine so große Rolle. Ich hoffe, alle Physiklehrerinnen, die diesen Text lesen, verzeihen mir…
[2] Oft verwendet man die Einheit Gramm pro Kubikzentimeter. Da Ein Kilogramm 1000 Gramm hat und ein Liter 1000 Kubikzentimerer. ist 1g/cm³=1kg/l.
[3] Ob der Begriff “Dichte” gut gewählt ist, darüber kann man streiten. Alle Materie besteht aus Atomen. Es ist aber nicht so, dass die in einem Material mit sehr hoher Dichte unbedingt wesentlich dichter gepackt sind, weil unterschiedliche Atomsorten unterschiedlich viel Masse haben (ein Uranatom ist viel schwerer als zum Beispiel ein Aluminium-Atom). Wenn man aber auch noch in die Atome reinguckt, dann kommt deren Masse nahezu ausschließlich durch die Atomkerne zu Stande – und die wiederum bestehen aus Bausteinen, den Protonen und Neutronen, die alle etwa gleich schwer sind. Insofern hängt die Dichte direkt mit der Anzahl an Kern-Bausteinen pro Volumen zusammen. Insofern ist der Name dann doch wieder nicht so schlecht.
[4] Streng genommen ist die Dichte nicht unbedingt für jedes Material konstant. Die meisten Materialien dehnen sich ja aus, wenn sie sich erwärmen – man muss also eigentlich immer angeben, bei welcher Temperatur die Dichte gemessen wird. Auch der Druck hat einen Einfluss auf die Dichte – wenn man Materialien sehr stark zusammenquetscht, nimmt ihre Dichte zu. Bei Festkörpern und den meisten Flüssigkeiten ist dieser Effekt aber klein. Anders ist es bei Gasen: Die dehnen sich ja immer soweit aus, wie der Behälter, in dem sie sind, es zulässt. Die Dichte von Gasen anzugeben ist nur sinnvoll, wenn wir auch sagen, bei welchem Druck wir das tun.
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