Ja, die Serie über die Gleichungen der Physik hatte ich eine Weile auf Eis gelegt – zum einen hatte ich in letzter Zeit wenig Zeit zum Bloggen, zum anderen haben mich auch andere Dinge beschäftigt, wie die Quantum Moves oder die Allgemeine Relativitätstheorie. Aber heute geht es mit der Serie weiter (die anderen Teile findet ihr, wenn ihr rechts bei den Artikelserien klickt, die Teile, die im Text hier relevant sind, habe ich auch verlinkt).

Nehmt euch (falls ihr gerade eine parat habt) eine einfache Feder – nein, nicht von einem Vogel, sondern so ein spiraliges Ding aus Metall. Wenn ihr ein Gewicht an die Feder hängt, wird die Feder um ein Stückchen gedehnt. Hängt ihr ein zweites, genauso schweres Gewicht an die Feder, wird sie noch einmal um den gleichen Betrag gedehnt. Die Dehnung der Feder ist also proportional zur angelegten Kraft (denn die Gewichte üben ja eine Gewichtskraft aus, nach der Formel F=mg).

Hookes-law-springs.png
By SvjoOwn work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25398333

Hier noch ein historisches Bild (von dieser schönen Seite) – für uns ist hier erstmal nur Fig.1 interessant, die Feder in der Bildmitte:

Um das als Gleichung hinzuschreiben (und in dieser Serie geht es ja um Gleichungen), müssen wir die Größen, um die es geht, mit Formelzeichen benennen, aber nachdem diese Serie ja schon ein paar teile hat, schreckt euch das ja hoffentlich nicht mehr. Wir nennen die Kraft, die die Feder auf die Gewichte ausübt, F, und die Auslenkung der Feder (also die Länge, um die wir sie gedehnt haben), x. Die Auslenkung x messen wir von der Position aus, wo die Feder im Gleichgewicht ist, wenn kein Gewicht dran hängt. Verdoppeln wir die Auslenkung, dann verdoppelt sich auch die Kraft (weil eine doppelte so große Gewichtskraft die Auslenkung eben verdoppelt). Also sind Kraft und Auslenkung proportional.

Für eine bestimmte Auslenkung (beispielsweise 1mm) bekommen wir eine bestimmte Kraft (beispielsweise 1 Newton), bei 2mm Auslenkung 2 Newton usw. Dieses Verhältnis von Auslenkung und Kraft heißt die “Federkonstante”, meist nimmt man den Buchstaben k dafür. Wir könnten also schreiben

F=k x

wobei k eben die Federkonstante ist (die in unserem Beispiel 1Newton pro Millimeter ist, weil sich bei jeder Dehnung um 1 Millimeter die Kraft um 1 Newton erhöht).

Aber Vorsicht! So ganz korrekt ist die Formel nicht. Wenn wir nämlich die Feder nach unten dehnen, dann wirkt die Kraft, die die Feder ausübt, ja nach oben (und umgekehrt wirkt eine Kraft nach unten, wenn wir die Feder weiter zusammendrücken, falls es eine zusammendrückbare Feder ist). Kraft und Auslenkung gehen also in unterschiedliche Richtungen, deswegen bastelt man besser ein Minuszeichen in die Formel ein:

F=-k x

Diese Beziehung zwischen Kraft und Auslenkung nennt man das Hookesche Gesetz, weil Robert Hooke sie aufgestellt hat. Hooke interessierte sich für Federn, um damit eine Möglichkeit zu finden, genauer gehende Uhren zu bauen (vielleicht habt ihr oben im Bild eine ebene Spiralfeder erkannt, wie man sie in manchen Uhren findet – mehr über Hooke’s Uhrenbau findet ihr unter dem Link oben).

Das Hookesche Gesetz wird auch gern in der Schule im Physikunterricht ausführlich besprochen – es lässt sich im Schulexperiment leicht durch die Schülerinnen* nachbauen, und es ist ein schönes einfaches Beispiel für eine Proportionalität, das man quasi direkt am eigenen Leib erfahren kann (weil man die Federkraft ja auch spüren kann).

*Ja, auch durch die männlichen…

Trotzdem mag das Hookesche Gesetz auf den ersten Blick ziemlich simpel und vor allem uninteressant erscheinen. (Anmerkung: Irgendwo habe ich sogar das Argument gelesen, es sei trivialerweise wahr, weil man die Energie um die Gleichgewichtslage, bei der sie ein Minimum hat, ja in einer mathematischen Reihenentwicklung hinschreiben könnte, deren führender Term eben diese Proportionalität ergibt. Diskutiere ich erstmal nicht weiter, ist aber in meinen Augen ein ziemlich mieses Argument – bei Interesse hinterlasst einen Kommentar.)

Tatsächlich war Hooke aber ziemlich stolz auf dieses Gesetz – die erste Veröffentlichung des Gesetzes von 1660 geschah als Anagramm: ceiiinosssttuv. Auseinandergedröselt: ut tensio, sic vis (wie die Dehnung, so die Kraft); aufgeschlüsselt hat Hooke das erst 1678.

Warum fand Hooke das Gesetz durchaus bemerkenswert? Das hat mehrere Gründe, und die anzugucken, macht das Gesetz vielleicht doch ganz interessant.

Zunächst mal war es das 17. Jahrhundert. Die Idee, dass man die Natur mathematisch beschreiben kann, war vergleichsweise neu. Auch die Rolle von Kräften begann man gerade erst zu verstehen (Newtons Gesetze waren 1660 noch gar nicht formuliert, auch das Gravitationsgesetz kam erst später). Dass man etwas so Kompliziertes wie die Verformung von Materie mit einer so einfachen Gleichung beschreiben kann, war also schon einmal eine durchaus nicht-triviale Angelegenheit. Denn das Gesetzgalt ja nicht nur für Federn, sondern z.B. auch für die Dehnung eines Drahtes (links im Bild oben zu sehen), war also durchaus etwas Allgemeines.

Hooke selbst hat übrigens versucht, das Gesetz mit Hilfe eines einfachen Teilchenmodells herzuleiten – die Herleitung war aber fehlerhaft und hätte tatsächlich nicht zu einer Proportionalität geführt; soviel also auch zu der Behauptung, das Gesetz sei mathematisch trivial. (Ein paar Details hat der oben bereits angegebene Link. ) Nichtsdestotrotz stützte das die Idee, dass sich auch die Materie selbst möglicherweise durch mathematische Gleichungen beschreiben lässt.

Außerdem hatte Hooke auch ganz praktische Interessen – es ging ihr ja um den Uhrenbau. Und eine Feder, die eine genau dosierte Kraft ausübt, eignet sich eben hervorragend, um damit eine Uhr zu betreiben – statt als rückstellende Kraft für eine Schwingung ein Pendel zu nehmen (das zum Beispiel auf einem Schiff nicht so gut funktioniert), kann man stattdessen eine Feder verwenden. Und das Problem der genau gehenden Uhr war in der damaligen Zeit das Anwendungsproblem schlechthin, denn nur mit genauen Uhren kann man Schiffe genau navigieren.

Das Hookesche Gesetz war also zu seiner Zeit schon etwas durchaus Besonderes. Ich will aber noch auf ein paar Aspekte hinweisen, die auch heute noch genau so wichtig sind und die man mit dem Hookeschen Gesetz schön illustrieren kann.

Das eine ist eine Umkehr der Logik, die ich so ähnlich schon im Text über die Dichte erklärt habe: Wenn wir erst Mal herausgefunden haben, dass die Auslenkung einer Feder proportional zur Kraft ist, dann können wir das auch umgekehrt ausnutzen. Wir können dann nämlich eine Feder nehmen, um Kräfte zu messen, so, wie man es ja zum Beispiel mit einer Waage macht:

Kitchen scale 20101110.jpg
Von Batholith (talk) – Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12013054

Erst nutzen wir also Gewichte, um die Federkonstante zu bestimmen, und dann nutzen wir das, um wiederum andere Gewichte zu messen. Unter der Annahme, dass die Proportionalität hinreichend genau ist, können wir jetzt sogar Gewichte genauer bestimmen (jedenfalls relativ zu einander) als wir es vorher konnten. Wenn wir eine bestimmte Masse zum Standard erklären (so wie das Urkilogramm) und die an eine (hinreichend starke) Feder hängen, können wir die Auslenkung messen, sagen wir, sie beträgt 10cm. Wenn eine zweite Masse die Feder nur um 8cm auslenkt, dann ist diese zweite Masse eben 0.8 mal so groß wie unser Standard (also 800 Gramm, wenn wir das Urkilo nehmen). Hat ein bisschen was von Münchhausen – wir nehmen Massen, die wir möglichst genau messen, um damit herauszufinden, dass die Auslenkung der Feder proportional zur Kraft ist, dann nehmen wir das so entdeckte Prinzip, und messen damit Massen genauer, als wir es vorher konnten. Gerechtfertigt wird diese Vorgehensweise natürlich dadurch, dass sie zu sinnvollen Ergebnissen führt. (Dieses Problem der Definitionen von Größen in der Physik habe ich auch in diesem Text mal angesprochen.)

Das Hookesche Gesetz gilt übrigens nicht nur für Federn und Drähte, sondern ziemlich allgemein für Festkörper: Solange die Verformungen hinreichend klein sind (dazu gleich mehr), sind die Kraft und die Verformung des Materials zueinander proportional. Wie so oft in der Physik hat deshalb die Verallgemeinerung des Hookeschen Gesetzes für Materialien denselben Namen (Hookesches Gesetz). In der Werkstoffkunde arbeiten wir nicht direkt mit Kräften und Auslenkungen, sondern beziehen die Größen auf die Geometrie des Bauteils (Details spare ich mir). Die auf die Bauteilgröße bezogene Auslenkung ist die Dehnung (mit dem griechischen Buchstaben ε bezeichnet), die bezogene Kraft ist die Spannung σ (definiert als Kraft pro Fläche). Dann gilt in vielen Materialien die Gleichung

σ=E ε

Dabei ist E der Elastizitätsmodul, quasi das Werkstoff-Äquivalent zur Federkonstante. (Dass die Gleichung kein Minuszeichen mehr hat, liegt an der etwas anderen Definition der bezogenen Größen.) Auch die Verallgemeinerung des Hookeschen Gesetzes für Werkstoffe, die sich in unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich verformen (wie zum Beispiel ein glasfaserverstärkter Kunststoff) heißt immer noch hookesches Gesetz, auch wenn sie mathematisch etwas komplizierter aussieht (das erkläre ich aber nicht, wenn ihr das genau wissen wollt, kann ich da ein gutes Buch empfehlen – aber wartet besser auf die 5. Auflage, die kommt im Herbst):


\begin{bmatrix}
  \sigma_{1} \\
  \sigma_{2} \\
  \sigma_{3} \\
  \sigma_{4} \\
  \sigma_{5} \\
  \sigma_{6}
\end{bmatrix}=\begin{bmatrix}
  C_{11} & C_{12} & C_{13} & C_{14} & C_{15} & C_{16} \\
  C_{21} & C_{22} & C_{23} & C_{24} & C_{25} & C_{26} \\
  C_{31} & C_{32} & C_{33} & C_{34} & C_{35} & C_{36} \\
  C_{41} & C_{42} & C_{43} & C_{44} & C_{45} & C_{46} \\
  C_{51} & C_{52} & C_{53} & C_{54} & C_{55} & C_{56} \\
  C_{61} & C_{62} & C_{63} & C_{64} & C_{65} & C_{66}
\end{bmatrix}
\begin{bmatrix}
  \varepsilon_{1} \\
  \varepsilon_{2} \\
  \varepsilon_{3} \\
  \varepsilon_{4} \\
  \varepsilon_{5} \\
  \varepsilon_{6}
\end{bmatrix}

Das Hookesche Gesetz illustriert noch einen anderen wichtigen Aspekt von physikalischen Gleichungen, der eben schon anklang: es hat Grenzen. Das Gravitationsgesetz gilt immer – alle Massen ziehen sich an (naja, eigentlich gilt es nur näherungsweise, weil man streng genommen die Relativitätstheorie verwenden muss). Das Hookesche Gesetz aber gilt nur mit Einschränkungen: Wenn ihr eine zu große Masse an eure Feder hängt, dann dehnt sie sich irgendwann bei Erhöhung der Masse deutlich mehr als vorher, die Proportionalität geht verloren. Und wenn ihr die angehängt Masse wegnehmt, merkt ihr, dass die Feder sich nicht wieder zurückverformt – sie ist länger geworden. Ihr habt die Feder überdehnt, und dabei hat sie sich plastisch verformt.

Gleichungen in der Physik haben oft Gültigkeitsbereiche – sie gelten nicht universell, sondern nur unter bestimmten Bedingungen. (In diesem Text hier habe ich auch mal  versucht, ein bisschen System in die unterschiedlichen Arten von Gleichungen in der Physik zu bringen.) Es ist ein beliebter Fehler von Leuten, die mal wieder meinen, die Physik mit ein paar Überlegungen zu revolutionieren, dass sie Gleichungen in Bereichen anwenden, wo sie nicht gelten. Auch meine Studis mache ich immer darauf aufmerksam, dass es vollkommen sinnlos ist, eine Gleichung zu lernen, wenn man nicht ihren Gültigkeitsbereich mit lernt. Wer das vergisst, dem passieren schlimme Dinge – da gab es zum Beispiel mal eine Studentin, die Werkstoffproben in die Länge gezogen hat (in einer Prüfmaschine) und dann die Bruchspannung durch die Bruchdehnung teilte uns sich wunderte, warum die Zahlenwerte nicht die waren, die man in der Literatur für die elastische Konstante des Materials findet. (Statt mal über den Anwendungsbereich der Gleichung nachzudenken, hat die Studentin dann lieber die Idee gehabt, einen Korrekturfaktor für die ja offensichtlich fehlerhafte Maschine einzuführen, stellte aber fest, dass das auch nicht funktionierte, weil der Faktor für unterschiedliche Materialien nicht übereinstimmte. Zum Glück konnte ich als Zweitprüferin noch rechtzeitig vor Abgabe der Arbeit eingreifen und das schlimmste verhindern…)

Das Hookesche Gesetz illustriert auch noch etwas anders: Physikalische Gleichungen sind dazu da, die Welt zu beschreiben, nicht, sie zu erklären. (Das habe ich schon vor langer Zeit in diesem Text ausführlich erklärt, deswegen mache ich es hier kurz.) Das merkt man in diesem Fall daran, dass das Hookesche gesetz nichts über Ursache und Wirkung aussagt. Wenn ihr eine Feder um eine bestimmte Strecke auslenkt, dann wirkt eine Kraft. Wenn ihr auf die Feder eine Kraft ausübt, dann wird sie ausgelenkt. Wie herum die Ursache-Wirkungs-Beziehung wirkt, ist in der Gleichung nicht enthalten (mathematisch gesprochen könnte man sagen, es ist eine Frage der Randbedingungen, hängt also davon ab, welche Größe ihr vorgebt). Kraft und Auslenkung sind proportional, die Kraft ist aber nicht in irgendeinem Sinne fundamentaler als die Auslenkung oder umgekehrt, das hängt immer von eurem Standpunkt (und eurer Fragestellung) ab. Die Gleichungen der Physik sollen die Zusammenhänge in der Welt beschreiben; erklären tun sie dann, wenn ihr zusätzliche Angaben macht, welche Größe ihr als Ursache und welche ihr als Wirkung ansehen wollt.

Alles in allem steckt Hookesche Gesetz also trotz seiner einfachen Form ziemlich viel Physik.

Kommentare (10)

  1. #1 schnablo
    31. Mai 2016

    Ich fand dieses Taylor-erste-Ordnung-Argument immer ganz hilfreich, um zu verstehen, wo all diese vorgeblich linearen Zusammenhänge herkommen. Z.B. lineare temperaturabhängige Längenänderung und gleichzeitig (!) lineare temperaturabhängige Volumenänderung oder das Ohmsche Gesetz. Was ist dabei abgesehen vom notwendiger Weise eingeschränkten Gültigkeitsbereich problematisch?

  2. #2 MartinB
    31. Mai 2016

    @schnablo
    Naja, ein Grund steht schon im Text: Hookes eigenes Modell hätte eigentlich ne andere Abhängigkeit vorhergesagt – ein selbstläufer ist es also nicht, dass jedes Modell einen quadratischen term haben muss. Klar ist das plausibel (und deswegen ist das Argument auch in meinen Augen hilfreich), aber es es nicht wirklich zwingend. Mir ging es ja nur darum zu sagen, dass es nicht “trivialerweise wahr” ist.

  3. #3 definition
    3. Juni 2016

    Dem muss ich zustimmen. Was ist schon “trivial”? Wir hatten mal einen Mathematikprofessor, der mal beiläufig erwähnte, dass die Maxwell Gleichungen ja trivial seinen, weil sie hier und daraus folgen. Da meinte ich dann zu einem Kommilitonen, der danach nochmal gefragt habe, dass man irgendwo aber schon die Beobachtungstatsachen reinstecken muss. Das ist ja ganz oft so, dass zwei Aussagenm zueinander mathematisch äquivalent sind und eine davon hat man beobachtet und die andere daraus hergeleit. Es hätte historisch aber genauso gut umgekehrt sein können, also dass man die andere zuerst beobachtet und dann die übrige herleitet.
    Hier ist auch wieder so ein Beispiel: Entweder bemerkt man, dass die Kraft proportional zur Auslenkung ist (zumindest in einem gewissen bereich) und leitet dann daraus her, dass die Energie quadratisch in dem Abstand zur Gleichgewichtslage ist, oder man geht von der Energie aus und leitet dann daraus die Kraft her.
    Aber so im allgemeinen ohne jegliche Kenntnis über ein System ist es keinesfalls trivial, dass irgendetwas linear sei. Man kann natürlich viele Funktionen in eine Taylorreihe entwickeln, aber bei vielen Funktion verschwindet der lineare Term und dann verhält sich das System in niedrigster Ordnung ja ganz anders.

    Ich meine, wir Physiker müssen scheinbar manchmal ein wenig aufpassen, dass wir uns von manchen Mathematikern nicht unsere Existenzberechtigung absprechen lassen. So nach dem Motto: Ist ja eh alles trivial, was die so rausgefunden haben.

  4. #4 MartinB
    3. Juni 2016

    @definition
    Sehe ich auch so, zumal ja zu Kookes Zeit das Konzept von Energie oder gar Energieerhaltung nicht mal ansatzweise so existierte wie heute.

    Die MAxwellgleichungen trivial. Ja, klar. Deswegen wurden die ja auch von Mathematikern einfach mal so aufgestellt.

    Oder war gemeint, dass die Kombination der Gleichungen letztlich trivial ist, weil die Gleichungen eng zusammenhängen (was man im Differentialformen-Formalismus sieht, wo man die Gleichungen ja als DF=0 und D*F=J* schreiben kann (ich übernehme keine Garantie, dass ich die Sternchen richtig verteilt habe)). Das wäre zumindest ein bisschen richtig – aber auch nicht mehr, weil die Natur ja auch andere mathematische Strukturen haben könnte.

  5. #5 definition
    6. Juni 2016

    Genau. Während einer Analysisvorlesung hat der Mathematikprof. nebenbei ganz leise (ich saß in der Ersten Reihe, deswegen hab ich es gehört) etwas der Art erwähnt: “tsss,… die homogenen Maxwellgleichungen dF=0, das Faraday’sche Induktionsgesetz und die Quellenfreiheit des Magnetfeldes folgen ja eigentlich schon aus F=dA und dd=0.” Gut, die zweite äußere Ableitung ist immer null, aber, dass sich die Felder so als Ableitung der Potentiale schreiben lassen, ist ja auch ne Beobachtung. Genau wie du sagst, hab ich dann auch jemandem erklärt, dass die Felder ja auch keine geschlossene oder exakte 2-Form bilden müssen.

    Hm, vielleicht war das ja auch ironisch gemeint, aber das Zitat stammt vom selben Prof, der zu der Theorie der Selbstadjungierten/Hermit’schen Operatoren (im 3. Semester Analysis als Vorbereitung auf Quantenphysik im 4. Semester) dann gesagt hat: “Diese Operatoren, sind dann in der Physik beobachtbare physikalische Größen. Also zum Beispiel äh, … naja die Energie oder so.”

    Die Gleichung war übrigens bis auf eventuell Vorzeichen:
    d*F=*J
    oder auch
    *d*F=J
    bzw mit Koableitung
    d^\dagger F=J
    Aber schreibweisen gibt es fast so viele wie Universitäten. Manche machen dann die Sterne rechts statt links dran oder unten usw.

  6. #6 MartinB
    6. Juni 2016

    @definition
    Ich vermute schon, dass das ernst gemeint war. Es gibt genügend Leute, die glauben, sie könnten physikalische Erkenntnisse quasi als Denknotwendigkeit herleiten – leider immer nur hinterher…

  7. #7 Georg Hilscher
    17. August 2020

    Ein sehr lesenswerter Artikel!
    Eine Anmerkung zum letzten Absatz: Ich denke, man sollte hier zwei Kräfte klar unterscheiden.
    Einmal gibt es die Rückstellkraft, also die Kraft, die die Feder aufgrund ihrer Dehnung oder Stauchung auf eine am Ende befestigte Masse ausübt (da die Feder zwei Enden hat, sind es genaugenommen zwei betragsgleiche einander entgegengesetzte Kräfte). Wie groß diese Rückstellkraft (bei einer nicht überdehnten Feder) ist, läßt sich mit Hilfe des Hookeschen Gesetzes eindeutig bestimmen.
    Und zum anderen kann es eine Kraft geben, die von außen auf das Federende bzw. auf eine dort befestigte Masse wirkt. Die Größe dieser Kraft ergibt sich aber nur dann aus dem Hookeschen Gesetz, wenn die angehängte Masse in Ruhe ist. (Denn dann muß ja die äußere Kraft denselben Betrag wie die Rückstellkraft haben.) Wenn sich die Masse aber bewegt (etwa bei einem schwingenden Federpendel), dann sind bei konstanter oder gar verschwindender äußerer Kraft über die Zeit hinweg unterschiedliche Auslenkungen der Feder zu beobachten.
    Zusammengefaßt: Der Zusammenhang zwischen Auslenkung der Feder und von außen wirkender Kraft ist nur im statischen Fall durch das Hookesche Gesetz gegeben, der Zusammenhang zwischen Auslenkung und Rückstellkraft dagegen auch im nichtstatischen Fall.
    Persönlich würde ich deshalb sagen, daß die Auslenkung beim Hookeschen Gesetz die “fundamentalere” Größe ist. Und ich würde sagen, daß sich die Frage, was Ursache und was Wirkung ist, hier doch allgemein beantworten läßt: Die Rückstellkraft ist immer die Wirkung einer Auslenkung, und die Auslenkung selbst KANN die Wirkung einer äußeren Kraft sein.

  8. #8 MartinB
    18. August 2020

    @Georg
    Hmm. Aber wenn ich die Kraft auf die Feder vorgebe, dann ergibt sich die Auslenkung ja eben aus dem Kräftegleichgewicht. Nehmen wir an, bei 1N bekomme ich 1cm Auslenkung.
    Ich finde es nicht so sinnvoll zu sagen: Wenn ich mit 1N an der Feder ziehe, ergibt sich die Auslenkung von 1cm und daraus folgt dann die Rückstellkraft von 1N.
    Der Satz
    “Die Rückstellkraft ist immer die Wirkung einer Auslenkung, und die Auslenkung selbst KANN die Wirkung einer äußeren Kraft sein.” ist schon irgendwo richtig, aber wenn ich eben eine äußere Kraft vorgebe, dann ergibt sich die Auslenkung ja genau über das Kräftegleichgewicht.

    Auf einer fundamentaleren Ebene (wenn man an die Bindungen zwischen Atomen denkt) ergibt sich die Kraft ja daraus, dass die Energie zwischen den Atomen sich mit dem Abstand ändert. Oder dass sich der Abstand mit der Energie ändert – auch da gibt es letztlich beide Betrachtungsweisen.

  9. #9 Georg Hilscher
    22. August 2020

    @Martin

    Noch ein paar Gedanken zum Thema:

    1) Ich würde Sätze wie “An einer Feder wird mit einer Kraft von 1N gezogen” gerne gar nicht verwenden, zumindest dann nicht, wenn man die Feder als masselos idealisiert. Solange man Kräfte nämlich nur auf Objekte wirken läßt, die eine Masse haben, ergibt sich die Auswirkung der Kraft immer eindeutig über F = m*a. Wenn Kräfte aber auch auf masselose Federn wirken dürfen, dann muß man erstens fordern, daß auf die beiden Federenden immer nur gleich große, entgegengesetzte Kräfte wirken. (Denn was passiert, wenn auf das eine Ende einer masselosen Feder 1N und auf das andere 2N wirken?) Und zweitens muß man dann sagen, daß Kräfte außer Beschleunigungen auch Verformungen verursachen können. (Ich weiß, daß in vielen Büchern genau das steht, aber wäre es nicht schöner, wenn man einfach sagen könnte, Kräfte bewirken Beschleunigungen und sonst nichts?)

    2) Eine einzelne äußere konstante Kraft, die auf eine an einer Feder befestigte Masse wirkt, verursacht keine konstante Auslenkung, sondern eine Schwingung, und lediglich der zeitliche Mittelwert dieser sich periodisch ändernden Auslenkung ist durch das Hookesche Gesetz gegeben. Die Rückstellkraft ist dagegen (im idealisierten Fall einer selber masselosen Feder) jederzeit proportional zur Auslenkung.

    3) Du schreibst: “Auf einer fundamentaleren Ebene (wenn man an die Bindungen zwischen Atomen denkt) ergibt sich die Kraft ja daraus, dass die Energie zwischen den Atomen sich mit dem Abstand ändert. Oder dass sich der Abstand mit der Energie ändert – auch da gibt es letztlich beide Betrachtungsweisen.”
    Der Begriff des Abstands ist uns aber aus dem Alltag (außerhalb der Physik) viel vertrauter als der der Energie, weshalb ich der ersten Betrachtungsweise klar den Vorzug geben würde.

  10. #10 MartinB
    23. August 2020

    @Georg
    Zu 1.: Klar sind masselose Federn eine Idealisierung, aber de Physik ist immer voll von Idealisierungen, und es scheint mir ein wenig müßig zu versuchen, die immer zu vermeiden.
    “wäre es nicht schöner, wenn man einfach sagen könnte, Kräfte bewirken Beschleunigungen und sonst nichts?”
    Schön vielleicht, aber was ist mit einem statisch belasteten Objekt, z.B. wenn ich eine Masse auf einen Tisch lege? Dann verformt sich der Tisch, aber die Beschleunigungen sind irrelevant. (Das liegt natürlich daran, dass dank Newton 3 der Tisch eine Gegenkraft ausübt, die wiederum auf die erde übertragen wird etc., aber auch da wird es wieder kompliziert.)
    Siehe auch hier:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2016/02/07/die-gleichungen-der-physik-kraft-ist-masse-mal-beschleunigung/?all=1
    Man kann natürlich Kräfte immer als Impulsströme auffassen, das ist dann aber schon ziemlich diffizil. (Siehe Kap. 13 in meinem Buch zur ART, da erkläre ich das genauer.) Es gibt auch den sog. “Karlsruher Physikkurs”, der das als Basis für die Mechanik nimmt (der aber durchaus umstritten ist…)

    2. Wieder eine Frage, ob man Dynamik oder Statik macht. Wenn die Kraft sehr langsam aufgebracht wird, verursacht sie eine Auslenkung.

    3. Aber wenn wir zum Beispiel thermische Ausdehnung betrachten, dann wird Energie zugeführt und dadurch ändert sich der Abstand.

    Wie gesagt, in meinen Augen ist es nicht unbedingt zielführend, zu versuchen, für alles imer nur eine ganz einheitliche Betrachtungsweise zu verwenden. Feynman hat gesagt, Physik ist eher wie die Mathematik der Babylonier als die der Griechen, und das hat meiner Ansicht nach viel für sich.
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/07/24/buchersommer-r-feynman-the-character-of-physical-law/