Hinzu kommt noch ein anderer Effekt: Die Erfolgsquote stieg generell, wenn ein zweites Photon innerhalb von wenigen Sekunden nach dem ersten ausgesandt wurde. Eine genauere statistische Analyse zeigt, dass letztlich nur dieser Effekt dafür sorgte, dass die Erfolgsquote höher lag als per Zufall zu erwarten. Nur wenn das Auge also durch ein erstes Photon sozusagen “vorgewarnt” ist, wird das zweite tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit wahrgenommen – nimmt man diese Ereignisse aus der Statistik heraus, sinkt die Erfolgsquote von 51,6 auf 51% und ist nicht mehr statistisch signifikant.
Insgesamt muss man also zugeben, dass der gemessene Effekt doch ziemlich schwach ist und auch nur unter perfekten Bedingungen bei entsprechend trainierten Versuchspersonen nachzuweisen ist. Das ist sicher interessant, weil es zeigt, dass nicht nur unsere Netzhaut das Signal eines einzelnen Photons verarbeiten kann, sondern dass dieses Signal tatsächlich bis ins Bewusstsein vordringen kann. Aber nur so gerade eben und hart an der Grenze zum Zufall – und selbst bei der Wertung von 3 für die Sicherheit war die Erfolgsquote mit 60% ja auch nicht überragend. Auch subjektiv ist der Seheindruck eher schwach, in diesem Artikel heißt es “Der Lichtblitz sei so schwach, sagt Vaziri, dass einen bei den Tests „ein Gefühl an der Schwelle zur Einbildung“ beschleiche.” (Falls ihr mal bei eurer Augenärztin eine Gesichtsfeldmessung gemacht habt, kennt ihr das Gefühl vielleicht – da fixiert man auch einen Punkt und irgendwo leuchten kleine Lichtblitze auf, und zumindest ich bin mir da oft unsicher, ob ich da wirklich etwas gesehen habe oder nicht.)
Da ein großes Problem darin besteht, dass weniger als jeder zehnte Versuch, ein einzelnes Photon zu erzeugen, auch tatsächlich klappt, frage ich mich auch, ob es nicht wesentlich geschickter gewesen wäre, nicht bloß zwei mögliche Aussendezeitpunkte anzubieten, sondern drei oder vier – dann wäre eine richtige Antwort entsprechend unwahrscheinlicher und mit der gleichen Zahl an Photonen ließe sich eine wesentlich bessere Statistik erzielen. So ganz sicher bin ich mir ehrlich gesagt nicht, dass das Experiment nicht doch im wesentlichen ein glücklicher Zufall ist (auch wen die Korrelation der Sicherheit von 3 mit den besten Ergebnissen schon dafür spricht, dass es ein echter Effekt ist – es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein statistisch vielversprechendes Ergebnis sich am Ende als Zufall herausstellt). Man sollte das Ganze also auf jeden Fall – vielleicht mit einer Anordnung, bei der ein richtiges Ergebnis eine kleinere Wahrscheinlichkeit als 50% hat, wiederholen um sicherzustellen, dass es wirjklich reproduzierbar ist.
Unter optimalen Bedingungen (und wenn wir wissen, dass wir “jetzt” darauf achten sollen) können wir (wenn wir entsprechend trainiert sind) also anscheinend (ich lege aber meine Hand dafür nicht ins Feuer) mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit, als durch bloßen Zufall zu erwarten wäre, ein Photon detektieren – die Aussage, dass wir einzelne Photonen “sehen” können, ist aber schon etwas irreführend.
Tinsley, Jonathan N., et al. “Direct detection of a single photon by humans.” Nature Communications 7 (2016).
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