Wissenschaftliche Arbeiten werden ja vor der Veröffentlichung begutachtet – also einem System der Qualitätskontrolle unterzogen. Das wird hier auf den Scienceblogs ja auch immer wieder thematisiert – insbesondere dann, wenn mal wieder irgendwelche Kommentatorinnen der Ansicht sind, Youtube-Videos seien als Argumente genauso gut wie wissenschaftliche Veröffentlichungen. Wenn ihr nicht selbst im Wissenschaftsbetrieb drinsteckt, fragt ihr euch vielleicht, wie das System eigentlich funktioniert. Deshalb erzähle ich euch heute ein wenig darüber, wie ich selbst Artikel begutachte und wie das System in der Praxis arbeitet.
Stellt euch vor, ihr seid – so wie ich – Wissenschaftlerin*, habt ein paar Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht (die natürlich auch begutachtet wurden), und diese Artikel werden auch von anderen gelesen und in ihren Arbeiten zitiert – kurz, ihr habt euch ein klein wenig bekannt gemacht. (Nein, ihr müsst kein Superstar der Wissenschaftsszene sein, sondern nur das ganz normale Wissenschaftsgeschäft absolvieren, die meisten erreichen dieses Stadium irgendwann kurz nach der Doktorarbeit.) Typischerweise fühlt man sich beim ersten Mal auch ziemlich geschmeichelt und gibt sich sehr viel Mühe – mein erster Review hatte 6 Seiten (normal ist eher eine), aber es war auch ein langer Artikel, der genau zu meinem Thema passte, eigentlich ne ziemlich gute Idee hatte, die aber sehr schlecht umgesetzt war.
*Jaja, feminine Formen, wie immer, guckt hier, warum….
Dann findet ihr eines Tages eine mail in eurem Posteingang, in der sinngemäß steht: Sehr geehrte XXX, wir möchten Sie bitten, einen Zeitschriftenartikel für die Zeitschrift XYZ zu begutachten. (Ich bekomme davon im Moment so etwa 1-2 pro Monat, ich bin halt nicht superbekannt und mache ziemlich spezielle Dinge…) Typischerweise steht in der Mail der Titel des Artikels, oft auch noch der sogenannte “Abstract” (also die Artikelzusammenfassung, meist ein oder zwei Absätze lang). Und ihr habt Links, auf die ihr klicken könnt. Wenn ihr Pech habt, sind es nur zwei “Ich stimme zu” oder “Ich lehne ab”. Pech ist das deshalb, weil ihr dann wirklich nur an Hand der Information in der mail entscheiden müsst, ob ihr den Artikel begutachten wollt oder nicht – und so ein Abstract enthält oft die entscheidende Information nicht, die ihr braucht. (ZUsätzlich gibt es auch noch eine Frist, innerhalb derer ihr das Gutachten fertig haben sollt. Manchmal muss man dann schlicht ablehnen, weil man gerade in Urlaub fährt…)
Denn um zu wissen, ob ihr einen Artikel begutachten wollt, ist es vor allem wichtig, dass ihr die Methode versteht, die die Autorinnen des Artikels eingesetzt haben. Ganz grob lässt sich das zwar aus dem Abstract entnehmen (ich zum Beispiel lehne die Begutachtung von experimentellen Arbeiten meist sofort ab, weil ich da nicht wirklich firm in der Methodik bin), aber wenn da zum Beispiel steht “Wir machen Simulationen der Rissausbreitung in Material XY”, dann könnt ihr dem nicht entnehmen, ob das eine Methode ist, die ihr kennt, oder ob euch in der Arbeit ein Haufen fieser Gleichungen erwartet, die euch ins Grübeln bringen.
Wenn ihr dagegen Glück habt, dann gibt es noch den dritten Knopf “Artikel ansehen”. Außer in Fällen, wo die Sache klar ist, klicke ich eigentlich immer darauf. Dann landet ihr meist auf einer Internetseite, wo ihr direkt den eingereichten Artikel als pdf herunterladen könnt, um euch eine Meinung zu bilden.
Jetzt schaut ihr euch den Artikel (auch gern schlicht “paper” genannt) am besten erst mal kurz an – nach dem üblichen Verfahren: Abstract und Einleitung überfliegen, ein wenig im Methoden- und Ergebnisteil schmökern und vor allem die Bilder angucken, die Zusammenfassung querlesen. Das gibt euch einen ersten Eindruck, worum es in der Arbeit genau geht und was die Autorinnen getan haben. (Profitipp für alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen: Schreibt sie so, dass genau dieses Verfahren funktioniert, achtet auf ausführlich erklärende Bildunterschriften und eine verständliche Zusammenfassung.)
Jetzt solltet ihr auf jeden Fall in der Lage sein, zu entscheiden, ob ihr die Arbeit begutachten wollt. Manchmal wisst ihr jetzt sogar schon genug, um die Arbeit beurteilen zu können – nämlich dann, wenn sie sehr sehr schlecht ist. Denn grobe Fehler fallen einem oft schon in diesem Stadium auf – falsche Randbedingungen im Simulationsmodell, extrem vereinfachende oder grob falsche Annahmen, oder ihr merkt schlicht, dass in der Arbeit nichts drin steht, was ihr nicht schon wusstet. (Das passiert mir ziemlich oft.)
Wen das so ist, dann ist euer Job einigermaßen schnell erledigt – fairerweise sollte man die Stellen, wo einem Fehler aufgefallen sind, nochmal gründlich lesen (nicht, dass man was falsch verstanden hat), aber wenn die Arbeit wirklich schlicht fehlerhaft ist, dann kann man einen vergleichsweise kurzen Bericht schreiben. (Wie der aussieht, erzähle ich gleich.)
Ganz selten kommt es auch vor, dass ihr beim Querlesen denkt “Wow, richtig gute Arbeit, voll interessant.” Aber nicht alles, was auf den ersten Blick super aussieht, ist es auch – ihr kommt also nicht umhin, auch in diesem Fall gründlicher hinzuschauen.
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