Dass wir niemals wissen werden, welche Farbe die Dinosaurier hatten, ist ein Standard-Satz, den man so in diversen (vor allem älteren) Dino-Büchern findet. Inzwischen ist einigermaßen klar, dass farbtragende Moleküle wie Melanin und die Zellen, in denen das Melanin steckt, prinzipiell auch in Fossilien nachgewiesen werden können. (Kurz habe ich dazu in diesem Artikel was erzählt, war schon ne coole Konferenz…)
Eine neue Untersuchung zeigt jetzt auch, dass man mit etwas Cleverness (und hinreichend guten Fossilien) aus den Farben auch noch mehr ableiten kann.
Dass Fossil stammt von einem Psittacosaurus – einem urtümlichen Horndinosaurier, der in die Gruppe der Vorfahren des berühmten Dreihornsauriers [Diesen Tippfehler will ich euch nicht vorenthalten: hier stand gerade noch “Dreihirnsaurier” – vermutlich verwandt mit Abdul Nachtigaller] Triceratops einzuordnen ist. (Das Bild mit dem Kampf zwischen Triceratops und T. rex darf ja in keinem Dino-Buch fehlen…) Hier eine Rekonstruktion (vom Psittacosaurus, nicht vom Triceratops), noch ohne Farb-Information:
Von Nobu Tamura (https://spinops.blogspot.com) – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19459515
Ja, die seltsamen stachelartigen Dinger vorn am Schwanz sind echt und keine Fantasie – entsprechende Fossilien hat man vor ein paar Jahren gefunden. Es sind vermutlich eine Art “Protofedern”, die kennt man inzwischen ja auch von anderen Dinos, die nicht zu den Raumsauriern gehören (wie zum Beispiel Kulindadromeus).
Heute geht’s aber nicht um diese Federn, sondern um die Farbe des Psittacosaurus. Ein sehr gut erhaltenes Fossil zeigt nämlich viele erhaltene Melanin-Pigmente – hier ein Beispiel:
Aus Vinther et al., s.u.
Ihr seht die dunklen Punkte der Pigmentierung (außerdem auch die Borsten auf dem Schwanz) sehr deutlich.
Interessant ist, dass die Pigmente nicht überall gleich verteilt sind. Im Bereich des Rückens beispielsweise findet man deutlich mehr als am Bauch; auch am Schwanz ist die Unterseite deutlich heller (weil sie weniger Pigmente hatte) als die Oberseite. Diese Rekonstruktion zeigt, wie man sich das Tier vorstellen kann:
Aus Vinther et al., s.u.
Dass Tiere auf der Unterseite heller sind als auf der Oberseite, kommt relativ häufig vor. Klassisches Beispiel sind Pinguine oder Wale, aber auch bei Landtieren findet man oft entsprechende Farbverteilungen (Tiger haben zum Beispiel auch ein helles Bauchfell). Der Sinn so einer “Konterschattierung” ist die Tarnung: Licht kommt von oben, so dass die Oberseite eines Tieres stärker ausgeleuchtet wird als die Unterseite. Wen die Unterseite im Gegenzug heller ist, dann sinkt der sonst sehr deutliche Kontrast, das Tier ist schwerer zu erkennen.
Wenn der Psittacosaurus seinen hellen Bauch nutzte, um weniger gut zu sehen zu sein, dann kann man jetzt versuchen, daraus Schlussfolgerungen über seine Umwelt zu ziehen. In direktem Sonnenlicht fallen Schatten ja anders als beispielsweise in einem Wald – entsprechend muss auch die Konterschattierung anders ausfallen. Dieses Bild hier zeigt ein gleichmäßig grau eingefärbtes Psittacosaurus-Modell, einmal in einem waldigen Gebiet (welche Gegend genau gewählt wurde, geht aus dem paper nicht hervor, da steht nur “closed habitat”) und einmal unter vollkommen freiem Himmel:
Aus Vinther et al., s.u.
Wie ihr deutlich erkennen könnt, sind die Schatten unter freiem Himmel nicht nur stärker (das ist ja klar), sondern verlaufen auch deutlich weiter oben, weil es (im Verhältnis) weniger Streulicht von der Seite gibt. Vergleicht man die Bilder mit der Rekonstruktion, dann sieht man, dass der Farbverlauf des Psittacosaurus deutlich besser zur Konterschattierung geeignet ist, wenn es kein direktes Licht von oben gibt.
Daraus wiederum kann man schließen, dass der Psittacosaurus vermutlich eher in waldigem Gebiet lebte, wo die Konterschattierung effektiv war und ihn besser getarnt hat. (In wie weit die Borsten am Schwanz da dann kontraproduktiv waren, ist allerdings nicht klar.) Nebenbei kann man noch vermuten, dass die Fressfeinde des Psittacosaurus sich beim Jagen auch auf ihre Augen (und nicht etwa vor allem auf den Geruchssinn) verließen, sonst würde die Konterschattierung ja nichts nützen.
Wir können also inzwischen nicht nur eine Idee über die Farbe von Dinos bekommen, sondern daraus sogar noch Schlüsse auf ihren Lebensraum und ihr Verhalten ziehen. Immer wieder ziemlich clever, was sich Paläontologinnen so einfallen lassen.
Vinther et al., 2016, Current Biology 26, 1–7 September 26, 2016 a 2016 The Authors. Published by Elsevier Ltd., https://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.06.065
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