Dass ich die Wahl von Donald Trump zur nächsten Präsidentin* der USA für eine ziemliche Katastrophe halte, muss ich vermutlich nicht weiter erläutern. In diesem Text geht nicht um Trump selbst, sondern um die Leute, die sie gewählt haben. Die Diskussion darüber, ob Trump-Wählerinnen rassistisch sind, wird ja zur Zeit heftig im Netz geführt (auch hier bei Ali). Hier soll es darum gehen, warum ich Diskussionen dieser Art für wenig hilfreich halte.
*Ja, auch heute nehme ich grammatikalisch weibliche Formen für alle – auch Trump. Wenn ihr euch darüber beschweren wollt, könnt ihr das meinetwegen tun, die Gründe, habe ich hier ausführlich diskutiert, die Wahrscheinlichkeit, dass ihr ein Argument findet, dass nicht schon 100 Mal vorgetragen wurde, ist allerdings klein…
Dass ein Teil der Trump-Wählerinnen Rassistisch (und auch sexistisch usw.) motiviert ist, ist natürlich ziemlich offensichtlich; immerhin war Trump Wunschkandidatin des KKK. Das ist sicher auch (vorsichtig ausgedrückt) ein starkes Indiz dafür, dass Trump selbst Rassistin ist (ob ihr das bewusst ist oder nicht – bei Trump fragt man sich eh, wie es um die Selbstwahrnehmung bestellt ist…) – aber kann man daraus schließen, dass auch alle Trump-Wählerinnen rassistisch sind?
Die logische Antwort darauf lautet einerseits: “natürlich nicht” und andererseits “offensichtlich ja”.
“Natürlich nicht”, weil viele Leute Trump aus anderen Gründen gewählt haben – beispielsweise, weil sie sich erhoffen, dass sie “für die kleinen Leute kämpft” (ob das ne realistische Hoffnung ist bei jemandem, die klar gesagt hat, dass es Steuersenkungen im wesentlichen für die Reichen geben wird, steht auf einem anderen Blatt). Für diese Leute war Trumps Rassismus vielleicht ein Übel, aber das kleinere Übel, so wie auch bei uns jemand die Partei X wegen ihrer Anischten zum Thema A wählen mag, auch wenn sie das Parteiprogramm zum Thema B doof findet. (Ein extremes Beispiel sind amerikanische Impfgegnerinnen – Trump hat sich ja mehrfach geäußert, dass Impfen Autismus auslöst, und war damit für diese Klientel sicher Wunschkandidatin.)
“Offensichtlich ja”, weil es natürlich zwangsläufig rassistisch ist, wenn ich eine Rassistin politisch unterstütze und ihr zur Macht verhelfe. Damit sage ich klar, dass ich das Thema “Rassismus” eben nicht so wichtig finde und dass mir die vermutlich entstehende Diskriminierung (z.B. “stop and frisk”) und Gewalt eigentlich egal ist.
Und jetzt könnte man sich beliebig lang darüber streiten, welches der beiden Argumente das richtige ist. Meiner Ansicht nach ist das ein ziemlich müßiger Streit, der zusätzlich noch mit dem zu kämpfen hat, was ich neulich den Gut-Böse-Fehlschluss genannt habe. Es ist ein ziemlicher Unterschied, ob jemand rassistisch motiviert Trump wählt oder Trumps Rassismus nur billigend in Kauf nimmt. Und genau diesen Unterschied verwischen wir, wenn wir Trump-Wählerinnen als Rassistinnen bezeichnen und damit so tun, als stünden sie alle dem KKK nahe.
Rassismus ist ein Spektrum, das weit ist und vom KKK über unbegründete Angst vor dem vermeintlich Unbekannten bis hin zu gedankenlosen Mikroaggressionen und unbewussten Vorurteilen reicht. Wir erreichen die Trump-Wählerinnen nicht, indem wir ihnen ein Etikett aufkleben, das zwar theoretisch ein Spektrum beschreibt, aber meist für einen Extrempunkt dieses Spektrums verwendet wird. Und vielleicht hat Trump unter anderem auch deswegen gewonnen, weil vor lauter Konzentration auf Trumps seltsame Ansichten die geplante Politik (unter der viele Amerikanerinnen zu leiden haben werden) in den Hintergrund trat.
Zum Abbau von Vorurteilen und Rassismus ist diese Etikettierung auch vermutlich der falsche Weg. Dieser Artikel hier (den ich sehr empfehle) diskutiert ziemlich ausführlich, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es zum Abbau von Vorurteilen gibt. Menschen zu sagen, sie seien rassistisch, ist danach meist kontraproduktiv und führt eher dazu, Standpunkte zu verhärten.
Statt also darüber zu diskutieren, ob und wie weit Trump-Wählerinnen rassistisch sind, sollten wir also lieber darüber nachdenken, wie wir Menschen dahin bringen können, über ihren Standpunkt nachzudenken. Das gilt allerdings nur für diejenigen, bei denen das Erfolg verspricht. Wer sich über ihren Rassismus definiert (so wie die KKK-Mitglieder), darf und sollte auch weiterhin klar so bezeichnet werden.
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