On some great and glorious day the plain folks of the land will reach their heart’s desire at last, and the White House will be adorned by a downright moron.
(H.L. Mencken, 1920)
Als es sich am Dienstag abzeichnete, dass Menckens obiges Zitat tatsächlich prophetisch war (eigentlich glaubte ich das schon als G. W. Bushs gewählt wurde) ging ich kurz nach 4 Uhr deprimiert, fassungslos und auch mit Angst im Bauch schlafen. Angst, dass das Wunder nicht mehr geschieht und Hillary Clinton unerwartet, die USA Präsidentschaft noch kurz vor dem Abgrund doch noch an sich reissen kann und Angst davor, was passiert, wenn sie es nicht tut.
Nun hatte ich etwas Zeit nachzudenken und den ersten Schock zu verarbeiten. Vieles dass ich seit Dienstag gelesen habe, reizte mich in Blogposts abzuarbeiten. Zu weit weg war aber die Routine, dass ich mich wirklich hinsetzte, zu lange her war mein letzter Blogpost. Nun ist es aber soweit: Die überraschende Wahl von Trump brachte mich dazu, mich wieder an die Tastatur zu setzen.
Als politischer Beobachter bin ich schockiert, dass er es geschafft hat, in einem System, das eigentlich darauf ausgelegt ist Demagogen wie ihn zu verhindern, gewählt zu werden. Auch die Realisierung, dass ich zwar die mathematische Realität eines Trump Sieges intellektuell durchaus anerkannte, aber emotional nicht als Möglichkeit in Betracht ziehen wollte. Ganz unabhängig davon, ob eine Trump-Präsidentschaft unter der Last seiner Inkompetenz in einer vierjähriger Lähmung der Exekutive verpufft oder ob er es schafft, mit der Demontierung der US Demokratie zu beginnen, ich verstehe nun die Fassungslosigkeit jener, die die Machtergreifung des “Clowns” Adolf H. beobachteten. Die vielen frühen schockierten Kommentare wirken plötzlich nicht mehr so abstrakt.
Um es deutlich zu sagen: Zur Zeit scheint es mir unwahrscheinlich, dass Trump viel bewirken kann und ich sehe plausible Szenarien, in denen er keine vier Jahre an der Macht bleibt. Leider ist das aber auch eine andere unheimliche Parallele mit Beobachter_innen in den 30er Jahre, die mich an meiner eigenen Einschätzung zweifeln lässt.
Neben Menckens Kommentaren ist ein anderer Text den ich wieder hervorkramte Thomas Manns Essay “Bruder Hitler”. Wenn einiges auch gar nicht passt, scheinen viele der Charakterzüge schon fast unheimlich treffend den orangen Reality TV Star zu beschreiben (selbst das sexistische “was Männer können” trifft in seiner Antiquiertheit erschrecken gut den Ton seiner Kampagne).
Der Bursche ist eine Katastrophe; das ist kein Grund, ihn als Charakter und Schicksal nicht interessant zu finden. Wie die Umstände es fügen, daß das unergründliche Ressentiment, die tief schwärende Rachsucht des Untauglichen, Unmöglichen, zehnfach Gescheiterten, des extrem faulen, zu keiner Arbeit fähigen Dauer-Asylisten und abgewiesenen Viertelskünstlers, des ganz und gar Schlechtweggekommenen sich mit den (viel weniger berechtigten) Minderwertigkeitsgefühlen eines geschlagenen Volkes verbindet, welches mit seiner Niederlage das Rechte nicht anzufangen weiß und nur auf die Wiederherstellung seiner “Ehre” sinnt; wie er, der nichts gelernt hat, aus vagem und störrischem Hochmut nie etwas hat lernen wollen, der auch rein technisch und physisch nichts kann, was Männer können, kein Pferd reiten, kein Automobil oder Flugzeug lenken, nicht einmal ein Kind zeugen, das eine ausbildet, was not tut, um jene Verbindung herzustellen: eine unsäglich inferiore, aber massenwirksame Beredsamkeit, dies platt hysterisch und komödiantisch geartete Werkzeug, womit er in der Wunde des Volkes wühlt, es durch die Verkündigung seiner beleidigten Größe rührt, es mit Verheißungen betäubt und aus dem nationalen Gemütsleiden das Vehikel seiner Größe, seines Aufstiegs zu traumhaften Höhen, zu unumschränkter Macht, zu ungeheueren Genugtuungen und Über-Genugtuungen macht.
(Thomas Mann, Bruder Hitler, 1938)
Ich bin normalerweise Optimist. Ich bin überzeugt von der Macht von Institutionen und der Schwierigkeit diese zu ändern. Ich habe deshalb hier immer wieder internationale Ereignisse kommentiert und die lesenden zu beruhigen versucht, in dem ich darauf hinwies, dass die Suppe nicht so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wird. Heute kann ich das zum ersten Mal nicht mit gutem Gewissen tun. Nicht weil die Katastrophe vorprogrammiert ist. Das Problem ist, dass wir völliges Neuland betreten.
Ausser der narzisstischen Persönlichkeit Trumps und seiner zum Himmel schreienden Inkompetenz wissen wir nicht, wofür er steht oder wohin er möchte. Er schien während dem Wahlkampf ideologisch kaum fassbar. Wie eine schlechte Parodie eines Politikers der nichts konkretes zu sagen versucht. Eine der wenigen Konstanten die weiter zurückgehen, sind sein Rassismus, seine Tendenz zu Verschwörungstheorien und sein hemmungsloses Lügen. In Kombination mit einer offensichtlichen Unwilligkeit zu lernen, schafft dies sicher keine Zuversicht.
Wir hier in Europa und dem Rest der Welt haben keine Stimme in einer US Wahl. Wir haben kaum Zugang zum politischen System in den USA. Was kann also getan werden? Die Wahl Trump ist kein US spezfisches Phänomen. Im Gegenteil: Die selbe Form von rechtem Populismus beobachten wir hier bei uns schon lange, die selben Themen werden bearbeitet, die selben Entschuldigungen werden vorgebracht. Es kommt nicht von ungefähr, dass Trump sich gleich mit Nigel Farage getroffen hat und es Berichte gibt, dass seine Kampagne die Hand in Richtung Le Pen Clan ausgestreckt hat. Es ist kein Zufall, dass ein gewisses Segment der ungarischen Politik seine Wahl enthusiastisch begrüsste oder schwedische Neonazis eine Siegesparade abhielten. Das ist unser Vorgarten und hier können wir etwas tun. Der Diskurs der neuen Rechten darf nicht normalisiert werden, sie dürfen sich nicht zur neuen Mitte umdefinieren.
Das ist warum ich mich hingesetzt habe um wieder zu Bloggen. Ich kam zum Schluss, dass was ich beitragen kann ist mit meiner bescheidenen Expertise zu versuchen, den politischen Diskurs einem Faktencheck zu unterwerfen. In der Aussenpolitik Komplexität und Nuancen herauszustreichen und auf das nicht-erwähnte hinzuweisen. Und das gilt in alle politischen Richtungen. Ich verzweifle im Moment ebenso an vielen schlechten Analysen beim Post-Mortem der Clinton Niederlage zur Linken (zum Beispiel was zu Freihandel oder der Nato geschrieben wird).
Damit mich niemand falsch versteht: Ich glaube nicht im geringsten, dass ich damit die Welt ändere werde. Es ist wenn ich Glück habe, ein kleiner Beitrag. Falls ich niemanden aus ihrer/seiner Filterblase holen kann für einen Moment, dann habe ich es zumindest versucht. Das scheint mir im Moment das wichtigste, nämlich dass wir nicht vor den illiberalen und rückwärtsgewandten Kräften und deren Steigbügelhalter auf allen Seiten des politischen Spektrums kapitulieren.
Was könnt ihr also erwarten, sollte ich meine guten Vorsätze verwirklichen? Es wird sich wohl nicht viel ändern. Der Fokus wird vielleicht etwas mehr US-lastig sein. Ich werde eventuell vermehrt kontroversere Themen aufgreifen und auch öfters kommentieren. Besonders wenn Rassismus als Wissenschaft verkleidet (sozusagen im Laborkittel) daher kommt und sich hinter Pseudo-Rationalismus und Wörterbuchdefinitionen versteckt will ich vermehrt reagieren. Zu oft habe ich es nicht mehr getan, weil es zu ermüdend war, immer wieder die selben Dinge zu erklären sich immer wieder rechtfertigen zu müssen (es ist erstaunlich was Leute aufgrund eines Vornamens und etwas Melanin zu wissen glauben).
In naher Zukunft werde ich versuchen eine Serie zur Trumpwahl zu starten um zu verstehen, was diese bedeuten könnte und wie sie passierte. Ich hoffe ich werde es schaffen Gedankenanstösse zu geben und euch vielleicht auch mal ab und zu mit guten Argumenten zu verärgern.
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