Wer das Glück hat, eine neue Tierart oder -gattung zu entdecken, steht immer auch vor einem Problem: Wie soll die neue Art heißen?

Namen können vergleichsweise einfallslos sein (“Albertosaurus” ist ein Saurier aus Alberta), sie können das Fossil beschreiben (“Iguanodon” hat Zähne wie ein Leguan) oder sein (vermutetes) Verhalten (“Oviraptor” wie “Eierdieb”, auch wenn wir heute wissen, dass die Eier, mit denen Oviraptor gefunden wurde, seine eigenen waren), seine (ebenfalls vermuteten) Verwandtschaftsverhältnisse (“Proceratosaurs” wurde ursprünglich für einen Vorfahr des Ceratosaurus gehalten), sie können nach Menschen benannt werden (“Pianitzkysaurus” nach Alejandro Matveievich Piatnitzky) und sie können auch lustig oder humorvoll sein, wie beispielsweise “Ittibittium” oder “La cucaracha” (ja, da ist “La” der Gattungsname und “cucaracha” der Artname). Über seltsame und lustige Tiernamen habe ich ja auch seinerzeit schon geschrieben, als Obamadon benannt wurde, hier nochmal der Link zu einer schönen Seite mit vielen Beispielen.

Zwei aktuell beschriebene Fischfossilien reihen sich sehr schön in die Liste der humorvollen Namen ein. Die beiden Fische sind mit einer Länge von weniger als 4cm ziemlich klein, also geradezu Zwerge. Wer da einen schönen Namen für “kleine Fische” sucht, kann sich natürlich fragen, wer oder was sonst noch klein ist. Zwerge zum Beispiel. Entsprechend heißt einer der beiden Fische jetzt Gimlichthys (also “Gimli-Fisch”).  Und da im Tolkien-Universum nicht nur Zwerge klein sind, sondern auch Hobbits, wurde der andere mit dem Namen Frodoichthys (“Frodo-Fisch”) bedacht.

Gefunden wurden die beide in der mittleren Trias von China, also zur Zeit, als die Dinosaurier so gerade am Entstehen waren. Da ich mich mit fossilen Fischen vergleichsweise wenig auskenne, kann ich zur Bedeutung der beiden Fossilien wenig schreiben – sie zeigen laut Abstract der Veröffentlichung, dass in der mittleren Trias die Artenvielfalt im östlichen Tethys-Meer (also dem Meer, das sich zwischen dem damaligen Nord- und Südkontinent öffnete) größer war als bisher angenommen.

 

Kommentare (18)

  1. #1 anderer Michael
    28. November 2016

    Es gibt einen kleinen Käfer mit Namen Anophthalmus hitleri. 1937 von einem deutschen Hitleranhänger in Slowenien entdeckt und aus Verehrung für Hitler dementsprechend benannt. Laut Wikipedia leidet der Bestand des Käfers , weil er wegen seines Namens gesammelt wird.
    Man kann demzufolge mit der Benennung einer neuen Tierart nicht nur Schmunzeln hervorrufen sondern langfristig unbeabsichtigten Schaden.

  2. #2 Rotmilan
    28. November 2016

    Hallo,

    großartig! Ich habe in der Systematik auch schon mit einigen solcher eigenartiger Namen zu tun gehabt. Lustigerweise sind allerdings nicht nur die Taxonomen (Systematiker) so kreativ, sondern manchmal auch die Genetiker, wenn es um die Benennung von regulatorischen Proteinen oder Genen geht (Vor allem die Kollegen aus dem fränkischen Raum scheinen häufig “Langweile” gehabt zu haben). Da wir schon vom Hobbit lasen: Es gibt z.B. ein regulatorisches Protein welches Smaug heißt und die Translation von unlokalisierter Nanos (“Zwerg”) mRNA unterdrückt (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed). /8895661). Das ist garantiert kein Zufall 😛 Des Weiteren gibt es Proteine bzw. Gene die Bicoid, Spätzle, Kaktus, Krüppel oder Knirps heißen. Und dann gibt es da z.B. noch den sogenannten Gurken-Torpedo-Komplex (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9011083). Weitere wären z.B. das Ken-und-Barbie-Gen, das Boss-Gen oder das sogenannte Halloween-Gen (https://bitesizebio.com/23221/14-of-the-funniest-fruit-fly-gene-names/). Die meisten der Gen-Bezeichnung stammen übrigens aus der Fruchtfliegengenetik.

    Beste Grüße

  3. #3 MartinB
    28. November 2016

    @Rotmilan
    Die sind auch ziemlich lustig (besonders Smaug ist cool – ich wollte den Algorithmus, den ich in meiner Displomarbeit mit-entwickelt hatte, auch gern Smaug nennen, aber mein Betreuer mochte das Akronym nicht) – das hat in der genetik ja auch Tradition mit Namen wie Sonic hedgehog…

  4. #4 Alisier
    28. November 2016

    Danke für den schönen Post MartinB!
    Aber, anderer Michael, die Sammler von Anophtalmus hitleri müssten schon arg doof sein. Oskar Scheibel, der Erstbeschreiber, war ein Schelm. Der Käfer ist nämlich braun, blind und räuberisch und hat einen merkwürdig geformten, plump wirkenden Aedagus (Penis). Die Entomologen haben die Anspielung immer verstanden.
    Ich halte es auch für ein Gerücht, dass der Käfer durch Nachstrellung selten geworden ist. Er ist sowieso selten, und lebt in nur wenigen Höhlensystemen. Unterscheiden können ihn Laien von anderen nah verwandten Anophtalmus-Arten sicher nicht.
    Wenn du Interessenten kennst: schick sie zu mir. Ich verkaufe ihnen einen nah verwandten, häufigen und nicht unterscheidbaren für nur 2500 Euro das Stück…..ein echtes Schnäppchen!

  5. #5 Alisier
    28. November 2016

    “Anophthalmus” natürlich, weil zwei h’s müssens schon sein, nicht wahr….

  6. #6 MartinB
    28. November 2016

    @Alisier
    Aha, ich hatte mich schon gefragt, on es jetzt so eine tolle würdigung ist, einen kleinen Höhlenkäfer nach jemandem zu benennen

  7. #7 anderer Michael
    28. November 2016

    Alisier
    Tut mir leid, da kann ich nicht helfen. Ich habe keinen Kontakt zur Tiersammlerszene, gleich ob legal oder gegen die Bestimmungen des Washingtoner Artenschutzabkommens.
    Über diesen Oskar Scheibel ist nicht viel bekannt. Vielleicht hat irgendjemand wirklich konkrete Informationen über ihn und ob die Benennung ,Spott oder Verehrung sein sollte.

    Dein auffälliger Verweis auf den Aegadus ist interessant. In 1920/30 Jahren versuchte man politische Gegner mit Unterstellung von tatsächlichen oder vermeintlichen Perversionen zu diskreditieren. Einer der überlebenden Strasserbrüder hat Hitler Urophilie gegenüber den US- Behörden unterstellt. Man ist sich unsicher, ob wahr, Polemik oder diese rhetorische Übung zugrunde liegen.

  8. #8 anderer Michael
    28. November 2016

    Was ich an Veröffentlichungen von Oskar Scheibel gefunden habe, scheint er es mit der Namensnennung als Verehrung ernst genommen zu haben. Aber das ist Spekulation. Letztendlich kann es auch ein besonders hintersinniger Spaß gewesen sein. Es ist schon ein Unterschied, Käfer nach seinem Kollegen oder Freunden zu benennen oder eine solche Gestalt wie Hitler als Namensgeber zu verwenden.

  9. #9 Alisier
    29. November 2016

    @ anderer Michael
    Ich habe die Geschichte zum ersten Mal vor über 30 Jahren von einem damals sehr alten Entomologen gehört: auf jeden Fall hat man sich in Fachkreisen schon damals ins Fäustchen gelacht.
    Die spezielle Anatomie Hitlers war bekannt, und die Unterlagen dazu wurden ja auch vor nicht allzu langer Zeit wiedergefunden.
    Und “politischer Gegner” ist ja wohl sehr verniedlichend: wer den Gröfaz beleidigte, unterschrieb sein Todesurteil. Da bleibt nur geschickte Subversion.
    Unter Mykologen wurde Crepidotus variabilis auch immer nur Goebbels-Pilz genannt.
    Ich bin auch dafür, ein Fossil nach Trump zu benennen. Vielleicht findet man ja bald eine passende Versteinerung.

  10. #10 anderer Michael
    29. November 2016

    Wikipedia hält sich über die Motivation zur Benennung .Sofern du handfeste Belege hast, könntest du doch den Beitrag dort ergänzen.
    Jetzt muss ich passen, welche speziellen Anatomie Hitlers meinst du? Seinen Penis ?
    “Politischer Gegner “, da hast du recht! Feind oder Todfeind ist bei den Nazis besser angebracht. Danke für den Hinweis.

  11. #11 anderer Michael
    29. November 2016

    Wikipedia ..hält sich zurück. Das “zurück” hat gefehlt.

  12. #12 anderer Michael
    30. November 2016

    Crepidotus variabilis, Trivialname: gemeines Stummelfüßchen.
    Ich verstehe. Mykologen sollte man nicht unterschätzen.

  13. #13 Claus Kutsche
    4. Dezember 2016

    Ich meine, Fischfossilien finde ich gelegentlich in meinem Kühlschrank. Warst du jetzt der erste, oder hast du das Thema irgendwo gemopst? Ich meine, das schon irgendwo gelesen zu haben. Wenn, dann wär’s auch nicht schlimm.

  14. #14 MartinB
    4. Dezember 2016

    @Claus
    ?? Die Veröffentlichung zum Thema ist – da es sich um eine Veröffentlichung handelt – öffentlich, und ja nicht von mir. Insofern mag das auch jemand anders aufgegriffen oder darüber geschrieben haben; ich hab’s von der Vertebrate paleontology mailing list.

  15. #15 RPGNo1
    12. Dezember 2016

    Ich mag diese humorvollen “Taufen” von neuentdeckten Lebensformen. Das zeigt, dass es in der Wissenschaft nicht immer so bierernst zugehen muss. 🙂
    https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_skurriler_wissenschaftlicher_Namen_aus_der_Biologie

  16. #16 MartinB
    12. Dezember 2016

    @RPGNo1
    Danke für den Link, mir war gar nicht klar, wie viele Viecher inzwischen nach Tolkien-Namen benannt sind.

  17. #17 David Marjanović
    13. Januar 2017

    Was ich an Veröffentlichungen von Oskar Scheibel gefunden habe, scheint er es mit der Namensnennung als Verehrung ernst genommen zu haben.

    Falls nicht, wird er sich 1937 kaum getraut haben, das zuzugeben…!

    Die Frage stellt sich höchstens bei den Käfern, die während deren Amtszeiten nach Bush, Cheney und Rumsfeld benannt worden sind und sich von Schleimpilzen ernähren. (Eine weitere verwandte Art ist nach Darth Vader benannt.)

    wie viele Viecher inzwischen nach Tolkien-Namen benannt sind

    Unmengen von Säugetierzähnen aus dem Paläo- und Eozän Nordamerikas.

  18. #18 MartinB
    13. Januar 2017

    @David
    Ich dachte, bei den Bush/Rumsfeld-Käfern war klar, dass es eher böse gemeint ist.

    Die Vielzahl der Tolkien-Namen hat mich jetzt aber echt überrascht.