“Nichts in der Biologie macht Sinn, außer im Licht der Evolution.”
Dieses bekannte Zitat (von Theodosius Dobzhansky, mehr darüber bei den Scilogs) liegt auch der Klassifikation von Lebewesen zu Grunde, wie sie heute in der Biologie angewandt wird. (Details dazu habe ich vor langer Zeit mal erklärt, hier Teil II) Wenn man Tiere gruppieren will, kann man das auf viele Arten tun: Alle Tiere, die im Wasser leben (oder genauer in der Nordsee oder der Elbe), alle Tiere, die fliegen können usw. Da Lebewesen sich aber evolutionär weiterentwickeln, schmeißen wir damit Tiere in dieselbe Schublade, die so verschieden sind wie Libellen und Falken.
Wenn man sich für die Evolution interessiert (und bei der Beschäftigung gerade mit ausgestorbenen Tieren tut man das ja zwangsläufig), dann ist es sinnvoll, eine Klassifikation zu verwenden, die Tiere nach ihrer evolutionären Abstammung eingruppiert. Natürlich kann man auch die anderen Gruppierungen manchmal nützlich finden – beispielsweise in der Ökologie -, aber wenn man eine global gültige Klassifikation von Tieren sucht, dann ist die Evolution der Schlüssel dazu.
Die Evolution verläuft ja so, dass sich Tiergruppen (ja, Pflanzen auch, aber um die geht es heute nicht) immer weiter aufteilen, aus Arten entstehen neue Arten. Insgesamt ergibt sich ein Busch wie in diesem Bild von Darwin:
By Charles Darwin – Darwin, Charles (1859), On the Origin of Species, pp. 116–117
(In the PDF file the diagram is on page 133.), Public Domain, Link
Deshalb ist es also sinnvoll, Tiergruppen zu bilden, die von einem gemeinsamen Punkt ausgehen, also einen gemeinsamen Vorfahren haben.
Natürlich werden wir selten bis nie das Glück haben, genau den gemeinsamen Vorfahren zweier heutiger Tiere als Fossil zu finden. Trotzdem können wir natürlich zwei heutige Tierarten anschauen und uns fragen, was ihr gemeinsamer Vorfahr war und welche anderen Arten alle von diesem Vorfahren abstammen. Nehmen wir als Beispiel Menschen und Orang-Utans, dann haben diese einen gemeinsamen Vorfahren, der auch ein Vorfahr der heutigen Gorillas und Schimpansen war:
Von Fred the Oyster – , CC-BY-SA 4.0, Link
Die resultierende Tiergruppe nennen wir dann “Hominidae” oder eingedeutscht “Hominiden”. (Auf die Klassifikation nach Familien, Gattungen etc. gehe ich hier nicht ein, die ist ohnehin recht willkürlich.)
Anmerkung, damit keine Missverständnisse aufkommen: Wenn ich von “dem Vorfahren” rede, dann meine ich eine Tierart, nicht ein einzelnes bestimmtes Tier. Evolution agiert ja typischerweise auf Populationen.
Generell definiert man also eine Tiergruppe so, dass man den gemeinsamen Vorfahren zweier (oder mehrerer) Tierarten sucht und dann alle Tiere, die von diesem abstammen, zu einer Gruppe zusammenfasst. (Expertinnenhinweis: So Feinheiten wie den Unterschied zwischen “crown-based” und “node-based” spare ich mir hier der Einfachheit halber.)
Das kann zu Definitionen führen, die nicht zu unserem Alltagsverständnis passen. Nehmen wir beispielsweise die “Fische”. Haie, Hechte und Guppies sind ja alles Fische. Definiere ich die Gruppe “Fische” über alle Tiere, die vom gemeinsamen Vorfahren dieser drei Gruppen abstammen, dann zählen dazu auch Lungenfische, Quastenflosser und alle heutigen Landwirbeltiere einschließlich des Menschen. Evolutionär gesehen sind wir also “Fische”.
Man könnte natürlich schlicht auf die Idee kommen, einfach einige Tiere aus der Gruppe der Fische auszuschließen, beispielsweise alle Landwirbeltiere. Solche (als “paraphyletisch”) bezeichneten Definitionen sind oft aus praktischen Gründen nützlich, sie sind aber auch problematisch. Denn irgendwo müssen wir die Grenze zwischen “Fisch” und “Nicht-mehr-Fisch” ziehen, und diese Grenze wird immer willkürlich sein. Wie gesagt, aus praktischen Gründen trotzdem sinnvoll, und wenn ich in ein Aquariengeschäft für “Fischbedarf” gehe, erwarte ich dort keine Wellensittiche und kein Hundefutter; biologisch gesehen sind solche Begriffe aber problematisch.
In die gleiche Kategorie fällt auch die Gruppe (“Klasse”) der “Reptilien”, zu denen ja Schildkröten, Schlangen und Eidechsen, Brückenechsen und Krokodile gehören. Der gemeinsame Vorfahr all dieser Tiere war auch ein Vorfahr der heutigen Vögel (und der Dinosaurier); demnach sind Vögel also auch “Reptilien” im evolutionären Sinn. Da sich heutige Reptilien von Vögeln deutlich unterscheiden, macht die Einteilung schon Sinn – aber wenn wir evolutionär zurückgehen, wird es schwer, die Grenze zwischen Vogel und Reptil zu ziehen. Genau deswegen war “Archaeopteryx” ja so eine Sensation, als er 1861 entdeckt wurde.
Aber nach dieser langen Vorrede jetzt – endlich – zu den Sauriern und Dinosauriern.
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