Es scheint also eher nicht so zu sein, als hätten sich die Meeressäuger von irgendwelchen biomechanischen Zwängen befreit, die Landsäugetiere in der Größe einschränken, im Gegenteil. Meeressäuger sind eigentlich immer eher groß, klein zu sein ist für sie evolutionär anscheinend ungünstig.
Fragt man sich natürlich, warum das so ist. Auch dazu gibt es eine durchaus plausible Idee. Dazu machen wir das, was Biologinnen gern tun: Wir schauen auf Skalierungsgesetze, das heißt, wie gucken, wie bestimmte Größen bei Tieren von der Körpergröße abhängen.
Egal ob Tier oder Mensch, damit ihr überleben könnt, müsst ihr genügend Nahrung zu euch nehmen. Euer Körper hat einen gewissen Grundumsatz (die Energie, die ihr verbraucht, selbst wenn ihr nur faul auf dem Sofa liegt und Serien suchtet), und wenn ihr euch gelegentlich auch mal bewegen (oder gar wachsen oder Nachwuchs bekommen wollt, was ganz klug ist, wenn eure Art nicht aussterben soll) wollt, dann müsste ihr logischerweise mehr essen als ihr per Grundumsatz verbraucht.
Das folgende Bild zeigt die Abhängigkeit der Energieaufnahme (Futtern) und des Grundumsatzes (Energieverbrauch beim Nichtstun) für Robben (Phocidae). Die realen Daten sind dabei gemittelt, wenn man einzelne Datenpuntke anguckt, liegen die natürlich nie alle perfekt auf der Kurve:
(Falls ihr euch wundert, warum hier vernünftige Zahlen an der Achse stehen: Das Bild habe ich selbst gemacht und nicht das aus dem paper genommen.)
Ihr seht an dem Bild, dass der Grundumsatz mit der Körpergröße etwas schneller steigt als die Nahrungsaufnahme – je größer ein Tier ist, desto schwieriger wird es also, genügend Nahrung zu finden. Das wäre also ein Grund dafür, nicht zu groß werden zu wollen. Wenn es keine weiteren Einschränkungen gibt, sollten wir also erwarten, dass Tiere alle möglichen Größen haben können, dass aber Massen im Bereich von mehr als ner Tonne eher ungünstig sind. (Man weiß ja auch, dass Elefanten sehr viel Zeit mit Fressen verbringen müssen, eben weil sie so groß sind.)
Bei den Meeressäugern scheint es aber einen weiteren Effekt zu geben, der kleine Körpergrößen ungünstig macht. Was könnte das sein? Für andere Tiere, die im Meer leben, scheint dieser Faktor nicht zu gelten; Fische sind ja auch oft klein. Meeressäuger sind aber anders als Fische gleichwarm und haben eine hohe Körpertemperatur. Wale, Robben und Seekühe schützen sich vor Kälte mit hinreichend viel Körperfett – gerade bei den Arten, die im Polarkreis rumschwimmen (oder in großen Tiefen, wo es auch kalt ist), ist das notwendig, denn die Körpertemperatur ist ja so etwa 30° größer als die Wassertemperatur. Um sich thermisch zu isolieren, braucht man also eine Fettschicht. Je dicker die ist, desto besser ist die Isolierung; kleine Meeressäuger können aber logischerweise keine 20cm dicke Fettschicht um sich rum aufbauen (sonst wären sie quasi schwimmende Fettklumpen).
Mit ein paar plausiblen Annahmen kann an den Wärmeverlust abschätzen, den ein Meeressäuger einer bestimmten Größe erleidet. Trägt man den in mein Diagramm ein, sieht das so aus:
Wenn ihr also kleiner als ein paar Kilogramm seid, dann bräuchtet ihr schon mehr Energie, um den Wärmeverlust auszugleichen, als ihr überhaupt durch Fressen aufnehmen könnt. Insgesamt darf man als Meeressäuger also nicht zu groß sein (sonst ist der Grundumsatz zu hoch) und auch nicht zu klein (sonst ist der Wärmeverlust zu hoch) – irgendwo dazwischen ist die Körpergröße “genau richtig”. (Und das erklärt auch den Titel des Blogartikels, weil Goldlöckchen ja auch alles “genau richtig” haben wollte, als sie illegal in die Wohnung der drei Bären eingedrungen ist.)
Es gibt also eine optimale Körpergröße. Um zu sehen, wo die liegt, kann man sich fragen: Bei welcher Körpermasse habe ich die meiste Überschussenergie (also aufgenommene Nahrung minus Grundumsatz minus Wärmeverlust). Diese Energie muss man natürlich auf die Körpergröße selbst normieren (klar hat ein 1000kg schweres Tier insgesamt mehr Überschussenergie als ein 50kg schweres, aber entscheidend zum Beispiel zum Wachstum ist ja, wie viel ihr bezogen auf eure Größe an Extra-Energie habt, denn das tonnenschwere Ungetüm braucht ja auch absolut mehr Energie zum Wachsen.) Das Ergebnis zeigt diese Grafik (wieder aus dem paper, deshalb auch die logarithmische Skala auf der x-Achse, die ich übrigens nicht so toll finde, hatte ich glaube ich schon erwähnt…):
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